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Botschaft in Ultraviolett

Allgemein

Botschaft in Ultraviolett
Für so manchen Vogel ist die Welt bunter als für einen Menschen. Diese Tiere sehen eine zusätzliche Farbe und schmücken sich auch damit.

Es gibt sie wirklich: die verborgenen Zeichen, die Muster, die kein Mensch zuvor gesehen hat, und deren Inhalte wir nicht verstehen. Zumindest nicht auf den ersten Blick – und wenn wir unseren menschenbezogenen Standpunkt verlassen, müssen wir uns eingestehen, dass die Zeichen gar nicht so verborgen sind. Sie prangen geradezu auf Brüsten, Stirnen und Flügeln, und die, die sie sehen sollen, können sie auch sehen. Es sind Gefiederzeichnungen in einer zusätzlichen „Farbe“: dem Ultraviolett.

Uns Menschen fehlt zum einen der nötige Farbrezeptor im Auge, und außerdem ist unsere Linse nicht UV-durchlässig. Wir können nur die drei Grundfarben rot, grün und blau sehen, und unser Nervensystem berechnet daraus alle anderen uns geläufigen Farben. Vögel haben weitere Farbrezeptoren. Die Welt, die sie sehen, sieht wahrscheinlich völlig anders aus als unsere. Sie können nicht nur reines UV sehen, sondern auch Mischfarben – aus grün und UV zum Beispiel.

Bis vor 30 Jahren wusste man noch nicht einmal, dass Vögel dies können. Damals entdeckten die deutschen Forscher Huth und Burkhardt UV-Reflexionen im Gefieder – bei einem Kolibri. Seitdem ist man immer wieder vereinzelt auf UV in Federn gestoßen. Wir hatten uns vorgenommen, in großem Stil und mit modernen Messmethoden nach den verborgenen Zeichen zu fahnden. Wir, das sind drei Biologen vom Zoologischen Forschungsmuseum Koenig in Bonn: Georg Pohland und Peter Mullen, die die Methoden zur Datenerhebung entwickelten und die untersuchten, welchen ökologischen Zweck die UV-Muster haben, sowie Angela Schmitz-Ornés, die Verfahren entwickelte, um über die UV-Gefiederzeichnungen Daten zur Artenbildung zu gewinnen.

Über 1000 Vogelarten haben wir in unserem Museum und in Sammlungen in den USA und Lateinamerika untersucht, wobei wir die Federfarben mit einem so genannten Reflexionsspektrophotometer genau analysierten. UV-Töne in Vogelfedern erwiesen sich als ein weit verbreitetes Phänomen. Wir fanden sie bei über 50 Prozent der untersuchten Arten. Am weitesten sind sie bei Papageien verbreitet: Bei ihnen haben fast alle Arten UV im Gefieder. Meistens tritt Ultraviolett zusammen mit anderen Farben auf, am häufigsten zusammen mit Blau oder Grün. Beim Rotflügelsittich strahlen die roten und grünen Stellen nur wenig in Ultraviolett, dagegen leuchtet die blaue Rückenpartie in außerordentlicher Helligkeit auch im UV-Bereich. Seltener dagegen sind reine UV-Farben. Solche Farben erscheinen uns schwarz, werden von den Artgenossen jedoch als leuchtende Töne wahrgenommen. So hat der für Menschen völlig schwarze Seidenlaubenvogel aus Vogelsicht ein kontrastreiche Gefiederzeichnung in UV. Die schwarze Rabenkrähe ist dagegen auch für Krähenaugen eintönig schwarz.

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Die zusätzliche Farbe der Vögel entsteht durch Federstrukturen, die nur die kurzwelligen ultravioletten Strahlen reflektieren. Konstruktive Interferenz heißt dieser Effekt. Einige Strukturfarben hängen stark vom Winkel des einfallenden Lichtes und vom Betrachtungswinkel ab. Kolibris sind hierfür das bekannteste Beispiel. Die bunten Lichtreflexe, die den kleinen Vogel wie einen Edelstein leuchten lassen, entstehen nur unter ganz bestimmten Winkeln – auch die im UV. Aus anderen Winkeln betrachtet, wirkt der Kolibri dagegen weniger verlockend und ist für seine Fressfeinde kaum zu erkennen. Farbmessungen bei Kolibris stellen darum eine besondere Herausforderung dar. Die extreme Winkelabhängigkeit der Farben macht eine Analyse schwierig.

Die Fähigkeit, kurzwelliges Licht zu sehen, hilft den Vögeln auch bei der Futtersuche. Für Pflanzen lohnt es sich, bestimmten Vögeln Signale im UV-Bereich zu übermitteln, die für den Menschen und viele andere Tiere unsichtbar sind. So zeigen viele Früchte den Gefiederten ihren Reifegrad an, indem sie eine UV-reflektierende Wachsschicht ausbilden. Einen ähnlichen Effekt gibt es beim Rot der Beeren, nur dass die Information hier auch für Säugetiere gedacht ist. Am Grad der UV-Intensität erkennt der Vogel, ob es sich lohnt, eine Frucht zu fressen oder ob der Zuckeranteil vielleicht noch zu gering ist. Ein klarer Vorteil für beide Seiten: Der Vogel spart Energie und kann seine Nahrungssuche optimieren, und die Pflanze kann sicher sein, dass ihre Früchte vor allem reif und von den Vogelarten gefressen werden, die die Samen dann mit ihrem Kot verbreiten.

Ihre erweiterten Sehfähigkeiten nutzen viele Vögel nicht nur zum Futtererwerb, sondern auch für andere Zwecke: zum Tarnen und zum Angeben. Dieser ökologische Aspekt des UVs ist erst ansatzweise erforscht. Aber das neue Wissen zwingt uns Biologen, so manches Gefieder im wahrsten Sinne des Wortes in neuem Licht zu sehen. In einer Welt, in der es Fressfeinde gibt, die UV sehen können – wie manche Greifvögel –, muss man selbst mit UV verziert sein, wenn es in der Umwelt vorhanden ist. Das Extrembeispiel ist der Schnee. Er ist nicht nur für Menschen und andere Säuger leuchtend weiß, sondern reflektiert ebenso kräftig ultraviolett. Dementsprechend erstreckt sich die Reflexion des Winterkleids vom Alpenschneehuhn bis in den UV-Spektralbereich. Wir wissen nicht, wie ein Vogel die Situation sieht, aber wahrscheinlich sticht ein rein weißes Federkleid ohne UV-Anteil im Schnee für einen Greifvogel genau so knallig hervor wie ein orangefarbenes für einen Fuchs.

Ganz anders ist die Situation für Vögel, die mit Farben ihre Artgenossen beeindrucken wollen. So sind die gelben Gefiederpartien des Königspinguins nicht UV-reflektierend. Denn das Tier lebt im Schnee, und sein farbiger Brustlatz soll einen eindrucksvollen Kontrast zur UV-reichen Umgebung abgeben. Im Gegensatz dazu hat der Pirol, der ebenfalls ein gelbes Gefieder besitzt, deutlich UV-reflektierende Federn, damit ihn seine Artgenossen im schattigen Halbdunkel der Bäume besser sehen können.

Ein wichtiger Zweck für ein solch prächtiges Gefieder ist es natürlich, das andere Geschlecht zu beeindrucken. Mehrere Forscher haben sich trickreiche Versuchsanordnungen überlegt, um den Einfluss des UV auf den Balzerfolg zu untersuchen. Sie benutzen dazu UV-freie Beleuchtung oder schirmen die balzenden Männchen durch Glasscheiben ab, die den gesamten ultravioletten Lichtanteil herausausfiltern. Für die Vögel ist der Partner dadurch wahrscheinlich so attraktiv wie ein Mensch, dessen Gesichtsfarbe nur aus Blau- und Grüntönen besteht, für andere Menschen. Die Untersuchungen zeigen, dass das Fehlen von UV im Gefieder einiger Arten – wie dem Wellensittich – drastische Misserfolge bei der Balz nach sich zieht. Dabei spielen nicht nur die Federn eine wichtige Rolle. Schnäbel und Hautstellen können ebenfalls ultraviolett sein und haben dann wichtige Signalwirkungen.

Eine Änderung in der Farbigkeit der Federn, der Haut oder des Schnabels dient dem Weibchen obendrein als Qualitätsmerkmal. Abgenutztes oder krankhaft verändertes Gefieder kann häufig kein UV mehr reflektieren. Mancher Vogelmann, der für einen Menschen noch ganz proper aussieht, genügt den Anforderungen einer Vogeldame möglicherweise nicht mehr. Für sie wirkt er schwach und krank – und das nur, weil sein Ultraviolett nicht mehr so richtig strahlt. ■

Georg Pohland und Peter Mullen sind Diplom-Biologen in der Arbeitsgruppe „Biologie und Phylogenese tropischer Vögel“ am Forschungsmuseum Koenig in Bonn.

COMMUNITY Lesen

Fundiert und allgemein verständlich geschrieben:

Ulrich Schmid

Geheime Signale

Die spektakulären Sinne der Tiere

Kosmos 2004, € 14,95

Umfassend informierend, aber wissenschaftlicher:

Dezsö Varju

Mit den Ohren sehen und den Beinen hören

Die spektakulären Sinne der Tiere

C.H. Beck 2002

(nur noch antiquarisch)

Grundlegendes Fachbuch:

Sidney R. Galler, Klaus Schmidt-Koenig (Hrsg.)

Animal orientation and navigation

University Press of the Pacific 2000, € 39,50

Für speziell Interessierte zum Thema Kompass-Orientierung von Tieren:

Rosemarie und Wolfgang Wiltschko

Magnetic Orientation in Animals

Springer Verlag 1996

(nur noch antiquarisch)

Sammlung von Anekdoten über ungewöhnliche Orientierungsphänomene, alldings teils mit esoterischen Interpretationen:

Rupert Sheldrake

Der siebte Sinn der Tiere

Ullstein 2004

€ 9,95

Fernsehen

Tiere sehen verborgene Muster am Himmel und spüren das Magnetfeld der Erde: In Zusammenarbeit mit bild der wissenschaft hat das TV-Wissensmagazin „nano“ einen Film über faszinierende Sinnes- und Orientierungsleistungen der Tiere produziert. Die Erstausstrahlung ist in 3Sat am Donnerstag, den 29. Juni, um 18.30 Uhr. Wo in den Tagen danach Wiederholungen des Films in anderen Sendern laufen, erfahren Sie im Internet unter der Adresse:

www.3sat.de/nano

Internet

Homepage des Forscherehepaars Roswitha und Wolfgang Wiltschko an der Universität Frankfurt/Main:

www.bio.uni-frankfurt.de/ akpoev/

Navigation von Meeresschildkröten und Langusten:

www.unc.edu/depts/ oceanweb/turtles/

In Bruchteilen einer Sekunde enträtselt das Gehirn von Schleiereulen die Richtung eines Geräuschs – wie, das zeigt diese interaktive Grafik:

www.uni-leipzig.de/~neuro/cms/index.php?id=78

Mehr Links und Lesetipps:

www.wissenschaft.de/bdw

Ohne Titel

Vögel erstrahlen in ultraviolett, weil ihre Federn diese Farbe reflektieren. Aber es gibt noch eine andere Methode, um UV zu nutzen: Das kurzwellige, energiereiche Licht wird aufgenommen und als langwelligeres andersfarbiges Licht wieder abgestrahlt. Fluoreszenz heißt dieser Effekt, der in der Natur sehr häufig ist. Mineralien fluoreszieren (siehe Bilder auf der linken Seite), und sogar Blätter tun es: Ihr Chlorophyll strahlt rotes Licht ab. Die Fluoreszenz ist für ein menschliches Auge unter normalen Lichtbedingungen nicht auszumachen, da der Anteil des fluoreszierten Lichtes zu gering ist und daher vom übrigen Licht überstrahlt wird. Wer jedoch nachts mit einer Schwarzlichtlampe durch die Sammlungen eines naturkundlichen Museums wandert – wie wir es getan haben –, entdeckt dabei leuchtende Schätze.

Einige Vogelarten nutzen diesen Lichteffekt, zum Beispiel Papageien. Durch die Fluoreszenz strahlt ihr Gefieder heller und intensiver. Auch einige Vogeleier und Schmetterlingspuppen fluoreszieren. Wahrscheinlich dient der Effekt hier als aktiver Schutz der Embryos vor den gefährlichen UV-Strahlen der Sonne. Sie werden durch die Fluoreszenz in harmlose Strahlen umgewandelt. Rätselhaft ist die Fluoreszenz bei Skorpionen. Die nachtaktiven Spinnentiere erstrahlen unter UV-Licht in hellem Grün oder Blau. Es gibt unterschiedliche Spekulationen darüber, wozu diese Fluoreszenz dient. Einige Forscher vermuten, es könne sich möglicherweise um Signale in der innerartlichen Kommunikation handeln – allerdings sind Skorpione keine Augentiere. Sie verlassen sich vielmehr auf ihre ausgeprägten Tastorgane. Und: Das UV-Licht ist in der Nacht nur so gering, dass eine Fluoreszenz unter natürlichen Lichtbedingungen praktisch nicht auszumachen ist. Eine weitere Hypothese ist, dass die Fluoreszenz den sonnenempfindlichen Skorpionen – ähnlich wie Eiern und Puppen – als Schutz dient. Da die heutigen Skorpione aber nachtaktiv sind und die Sonne meiden, wäre dies dann ein Relikt aus früherer Zeit.

Bei Meeresbewohnern ist Fluoreszenz weit verbreitet. Unter der Bestrahlung mit kurzwelligem Licht leuchten Schnecken, Muscheln, Seesterne, Seeigel und Krebstiere in verschiedenen Farben und in sehr markanten Mustern. So fluoresziert die braune Kauri-Schnecke intensiv rot. Warum die Tiere das tun, ist noch nicht eindeutig geklärt. Wahrscheinlich nutzen sie den Effekt, um im eintönigen Blau des Meeres Farben darzustellen, deren Wellenlängen nicht in die Tiefe dringen: Zunächst verschwindet Rot aus dem Spektrum, danach mit zunehmender Tiefe sukzessive Gelb und Grün – bis nur noch blaue und ultraviolette Wellenlängen übrig sind.

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
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  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

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