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Die Gehirne von Männern und Frauen

Allgemein

Die Gehirne von Männern und Frauen

Die Gehirne von Männern und Frauen sind völlig anders strukturiert und beide Geschlechter unterscheiden sich zum Beispiel in ihrer Orientierungsfähigkeit. Diese These ist sehr populär – ganze Bücher berichten darüber. Aber was ist an dieser These wirklich bewiesen?

„Hinter dem großen, roten Haus rechts und dann an der Apotheke vorbei“, so könnte die Antwort einer Frau lauten, fragt man in der Fremde nach dem Weg. Die typische Antwort eines Mannes ist weniger bild- und detailreich, sondern gespickt mit Zahlen und Richtungsangaben. Etwa: „300 Meter weiter rechts.“ Für dieses Phänomen fand der Ulmer Radiologe Reinhard Tomczak schon im Jahr 2000 eine neurophysiologische Erklärung: In seiner Untersuchung sollten Frauen und Männer in virtuellen Labyrinthen einen Ausweg finden. Männer lösten diese Aufgabe schneller, aber das war nicht der einzige Unterschied zwischen den Geschlechtern. Während der Aufgabe wurde das Gehirn der Probanden mit Magnetresonanztomographie untersucht. Die aktiven Hirnregionen stimmten zwischen den Geschlechtern größtenteils überein, aber es gab auch Unterschiede: Bei den Männern war zusätzlich der linke Hippocampus, in dem geometrische Informationen verarbeitet werden, aktiv. Bei den Frauen war es der Scheitellappen und der rechte präfrontale Cortex, ein Bereich, der mit dem Verinnerlichen von prägnanten Merkmalen der Umgebung, wie Telefonzellen oder großen Bauwerken, beschäftigt ist. Während Männer bei der Orientierung also mehr auf Entfernungen und Himmelsrichtungen achten, prägen sich Frauen eher auffällige Objekte auf der Strecke ein.

Schuld an den Unterschieden sollen neuerdings die Hormone sein. Im Laufe des Monats schwankt bei Frauen nicht nur der Hormonspiegel, sondern auch die Qualität des räumlichen Vorstellungsvermögens. Das fand Markus Hausmann, Psychologe an der Universität Bochum, heraus. Bei der Aufgabe, eine dreidimensionale Struktur im Kopf räumlich zu drehen, schnitten Frauen während ihrer Menstruation genauso gut ab wie Männer, in anderen Zyklusphasen aber deutlich schlechter. Während der Menstruation sind die weiblichen Sexualhormone Östrogen und Progesteron auf dem Tiefstand, die Konzentration von Testosteron allerdings ist hoch. Steigt nach der Menstruation der Östrogenspiegel wieder und sinkt der Testosterongehalt, werden die Leistungen wieder schlechter. Die Testosteronkonzentration scheint also Auswirkungen auf die Orientierung zu haben. Doch was verursacht das Hormon im Gehirn? Denken Frauen während der Menstruation auch geometrisch wie Männer? Tatsächlich verändern sich die Gehirnaktivitäten. Frauen denken beim Aufgabenlösen grundsätzlich mit beiden Hirnhälften. Bei Männern arbeitet dagegen meist nur eine Hemisphäre. Die Forscher nennen das asymmetrisches Denken. Sind die weiblichen Sexualhormone auf ihrem Tiefstand, ist die Verbindung zwischen den Hirnhälften, der Balken, blockiert. Frauen denken dadurch während ihrer Menstruation asymmetrischer. „Verantwortlich für die Blockade sind vermutlich Progesteron und Estradiol, ein Steroidhormon, das aus Testosteron gebildet wird“, erklärt Hausmann. Ob aber durch die Hormonwirkung auch „männliche Areale“ wie der linke Hippocampus aktiviert werden und das Testergebnis verbessern, muss noch erforscht werden.

Man darf diese Ergebnisse aber nicht überbewerten, meint Hausmann: „Auf den Alltag hat dieses Ergebnis keinen Einfluss, da Orientierung auch viel mit Lernen und Übung zu tun hat und die alltäglichen Situationen komplexere Anforderungen stellen als die Tests.“ Einige Wissenschaftler, darunter Claudia Quaiser-Pohl, Psychologin an der Universität Siegen, meinen sogar, der Unterschied im Orientierungsverhalten zwischen Männern und Frauen sei nicht angeboren, sondern anerzogen. Jungen stromern in ihrer Kindheit häufig durch die Gegend, prägen sich Wege in ihrem Terrain ein. Dieses Verhalten wird von den Eltern unterstützt. Die meisten Mädchen gehen zwar auch Aktivitäten außerhalb des Wohnhauses nach, doch oft werden sie von Eltern zum Ziel gefahren oder verlassen sich auf die Orientierung anderer, trotten hinterher. Auch werden sie häufiger zur Vorsicht ermahnt, sich nicht zu verlaufen. Das verunsichert. Daher schneiden sie schlechter ab, wenn die Orientierungsfähigkeiten auf dem Prüfstand stehen. Bei einer Untersuchung Vierjähriger fand Claudia Quaiser-Pohl keinerlei Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Ihre Erklärung: „Bei kleinen Kindern ist die Erziehung noch nicht verfestigt.“

Allerdings: Bei einer Studie, ebenfalls mit Vierjährigen, die im vergangenen Herbst stattfand, schnitten die Mädchen, egal ob Streuner oder Stubenhocker, im Test deutlich schlechter ab als die Jungen. Auch für Versuchsleiter Michael Popp von der Uni- versität der Bundeswehr in München ein unerwartetes Ergebnis – aber aus einem anderen Grund: Als er bei Erwachsenen testete, ob sie einmal gelaufene Strecken nach einer Woche noch kannten, fand er keine Leistungsunterschiede zwischen den Geschlechtern. Diese Unstimmigkeiten zeigen vor allem eines: Man darf einzelne Testergebnisse nicht zu pauschalen Aussagen hochstilisieren. Quaiser-Pohl betont: „Die Ergebnisse in den Tests hängen von so vielem ab: Von den Testaufgaben, der Zeit, die man den Probanden lässt, der Tagesform – ganz abgesehen von den individuellen Unterschieden.“ Julja Koch

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