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DER ÄLTESTE TEMPEL PERUS

Allgemein

DER ÄLTESTE TEMPEL PERUS
Die Menschheitsgeschichte in Peru wird immer älter: Schon vor 5500 Jahren zelebrierten im Casma-Tal Menschen Rituale auf heiligen Plätzen aus Lehmziegeln.

150 Kilometer nördlich von Amerikas ältester Stadt Caral liegt Amerikas bislang ältester Kultbau: Sechín Bajo im Casma-Tal. Der Kampf um den archäologischen Superlativ ist in vollem Gange: Sechín Bajo soll bis zu 900 Jahre älter sein als Caral. Doch hier verlief die Entwicklung anders. Der Kultbau wurde zwar auch mehrfach beerdigt, aber danach mit neuen Gebäuden überwölbt, offenbar veränderten religiösen Vorstellungen angepasst und weiter genutzt. Im Casma-Tal deckten die Berliner Archäologen Peter Fuchs und Renate Patzschke 2008 die Großarchitektur aus luftgetrockneten Lehmziegeln auf – errichtet um 3500 v.Chr. Der Komplex von Sechín Bajo an der Grenze zwischen Wüste und Tal-Aue umfasst rund 30 Hektar, ist also etwa halb so groß wie Caral.

Der erste Blick ist eher ernüchternd: ein Stein-Schotter-Sand-Hügel – wirr, graubraun, kahl, unansehnlich. Das soll die älteste Monumentalarchitektur Amerikas sein, gebaut vor 5500 Jahren? Nimmt man die Planzeichnung der Archäologen zur Hand, erschließen sich allmählich die Umrisse einer offensichtlich künstlichen Anlage: Man kann die Steinansammlungen in verschiedene Strukturen ordnen und ist dann auch bereit, das zu sehen, was die Archäologen erkennen:

· Eine große Pyramidenanlage, die von Steinwällen rechts und links gesäumt wird. Dazwischen eine Senke im Steinmeer, die sich weit hinzieht und in einem Maisfeld verschwindet. Das ist Bau 3 – mit rund 4100 Jahren der jüngste Teil der Anlage.

· Daneben ein heute zerfließender, etwa quadratischer Bau mit Freitreppe, prosaisch als Bau 2 bezeichnet.

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· Bau 1, den ältesten Teil, haben die Archäologen am Ende der letzten Grabungskampagne zum Schutz vor Zerstörung wieder zugeschüttet.

Was 2008 in Sechín Bajo geschah, nennt Peter Fuchs „eine Überraschung“. Eine Untertreibung: Die elektromagnetischen Messungen detektierten am Rande von Bau 2 schräg laufende, hintereinander gestaffelte Anomalien im Untergrund. Die schrägen Schemen im Computerbild stellten sich nach der Freilegung als Mauern heraus. Die Archäologen sind überzeugt: Hier wurde eine ummauerte Plattform mehrfach seitlich vergrößert. Dieses 40 mal 40 Meter große künstliche Plateau war der erste Bau auf einem riesigen lehmigen Ur-Estrich – 5500 Jahre alt. Auf dieser Terrasse, Bau 1, wurde bereits agiert: Die Ausgräber fanden Mauerreste und Feuerstellen. „Von dieser Plattform führte eine Treppe in einen runden vertieften Platz von 16 Meter Durchmesser“ , berichtet Fuchs. Die Treppe war aus kleinen rechteckigen Lehmziegeln errichtet – auch das eine Uraufführung in Sechín Bajo. „Irgendwann wurde dieser erste Platz umgebaut, insgesamt kamen drei weitere runde vertiefte Plätze hinzu – alle vier waren Kultbauten.“

RITUELLE BETRIEBSFEIERN

Peter Fuchs interpretiert seine Ausgrabungen so: „Zumindest in den ganz frühen Kulturen ist die Religion oder eine Ideologie oder das kulturelle Gedächtnis wichtiger als Staatlichkeit. Zunächst haben sich die Menschen die existenziellen Fragen gestellt: ‚Wo komme ich her, wozu bin ich da, wohin gehe ich?‘“ Daraus entwickelt sich eine Gruppenidentität, die immer wieder gefestigt werden musste – durch Zusammenkünfte, „Betriebsfeiern“, Riten, Tanz und Vorführungen. Dafür brauchte man eine Bühne – eben die vertieften runden Plätze. Eine weitere Sensation waren in den Estrich von Bau 1 eingedrückte Muscheln, die über die C14-Methode datiert wurden: Sie versetzen das Bauwerk in den Zeitraum 3500 bis 3000 v.Chr. – weit vor den ägyptischen Weltwunder-Pyramiden. Sechín Bajo ist die früheste Großarchitektur Südamerikas, die älteste Ritualanlage. Da Datierungen in der Archäologie eine kitzelige Angelegenheit sind, legt Fuchs Wert auf die Qualität seiner Proben: „Wir haben zehn Daten, die Proben dazu stammen aus Feuerstellen, also aus Holzkohle, und von zwei Muscheln. Die Proben wurden alle aus architektonischen Zusammenhängen gesichert, also nicht aus Verfüllungen oder Abfallhaufen.“

Trotzdem regt sich Widerspruch. Ruth Shady, die Ausgräberin von Caral, bezweifelt die Casma-Zeitsetzung von 3500 v.Chr., allerdings ohne nähere Begründung. Peter Fuchs versteht die Rivalität nicht: „Würde Ruth Shady in Caral bis ganz nach unten graben, käme sie mit Sicherheit auf Schichten, die ebenso alt sind wie unsere hier im Casma-Tal.“ Da dies bislang an keiner Stelle in Caral geschehen ist, läuft Amerikas erste Stadt Gefahr, in der öffentlichen Wahrnehmung den Superlativ als „ältester Kultplatz“ Amerikas zu verlieren. Peter Fuchs kann seine peruanische Kollegin da nicht beruhigen – denn: „Unter unserem Bau 1 ist noch was drunter.“ Sprich: Unter Bau 1 schlummert ein noch älterer Bau 0. ■

von Michael Zick

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