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Blick in den Spiegel der Seele

Gesellschaft|Psychologie Gesundheit|Medizin

Blick in den Spiegel der Seele

Depressionen, so sagt man, lassen die Welt grau in grau erscheinen. Eine gute Metapher, wie kürzlich Freiburger Forscher entdeckten: Für Menschen mit Depressionen sieht die Welt tatsächlich trist aus, denn sie können Kontraste schlechter wahrnehmen als Gesunde.

Das lässt sich messen, wie die Freiburger zeigten. Studienleiter Ludger Tebartz van Elst erläutert die Technik: „Wir machen sozusagen ein EKG vom Auge.“ Zum Aufnehmen der elektrischen Aktivität der Netzhaut wird ein dünner Platindraht unter das Unterlid des Auges geschoben. „Das ist kaum spürbar“, versichert der Hirnforscher und Psychiater. Eine zweite Elektrode wird per Klebeband hinter dem Ohrläppchen befestigt. Dann schauen sich die Patienten Schachbrettmuster an, bei denen jedes Feld zwölfmal pro Sekunde die Farbe wechselt: hell wird dunkel, dunkel wird hell. Auf dieses Flackern reagieren bestimmte Sinneszellen in der Netzhaut: Bei jedem Wechsel produzieren sie ein elektrisches Signal, das von den Elektroden als kurze Aktivitätsspitze registriert wird. Je stärker dabei der Kontrast zwischen den hellen und dunklen Feldern des Schachbretts ist, desto deutlicher ist das Spitzenmuster.

„Das Spannende ist, dass das Muster bei depressiven Menschen viel flacher ausfällt als bei Gesunden“, fasst Tebartz van Elst die Ergebnisse eines Tests mit insgesamt 80 Freiwilligen zusammen. Der Unterschied ist so groß, dass man ihn bereits beim ersten Blick auf die aufgezeichneten Kurven erkennen kann. Und er ist abhängig vom Grad der Depression: Je stärker sie ist, desto weniger reagiert die Netzhaut auf das Flackern. „Der Effekt ist erstaunlich deutlich“, freut sich der Forscher. Er ist optimistisch, damit einen objektiv messbaren Zustandsmarker für eine Depression entdeckt zu haben.

Werden also in Zukunft Sehtests eine Rolle bei der Diagnose von Depressionen spielen? Tebartz van Elst hält das zwar für denkbar, sieht das Hauptpotenzial seiner Messungen jedoch an anderer Stelle: Er hofft, mit ihrer Hilfe eine klassische Depression schneller von anderen psychischen Erkrankungen wie manisch-depressiven oder schizoaffektiven Störungen unterscheiden zu können. „Die Symptome ähneln sich stark, aber die Krankheiten entstehen zum Teil sehr unterschiedlich und erfordern unterschiedliche Therapien“, erläutert er. Diese unterschiedlichen physiologischen Mechanismen wirken sich vermutlich auch auf die Kontrastwahrnehmung aus, was sich wiederum am Auge messen lässt. Das Auge ist also im wahrsten Wortsinn ein „Spiegel der Seele“.

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