Rinderwahnsinn 47 Erkrankungen an BSE, der Bovinen Spongiformen Enzephalopathie, waren bei Redaktionsschluß in Deutschland aktenkundig – die Maul- und Klauenseuche (MKS) hatte das Land noch nicht erreicht. Unterdessen sind gewiß neue Hiobsbotschaften von der Fleischzuchtfront über uns hereingebrochen. Die hektische Tötungsmaschinerie in deren Folge ist ein ultimatives Notprogramm. Sie offenbart unsere ganze Hilflosigkeit bei BSE und MKS: Der mittelalterliche Scheiterhaufen als einzige Maßnahme zur Eindämmung von Seuchen. Wie wenig wir wissen, wie stark sich die Forschung noch im Stadium der Kaffeesatzleserei befindet, belegt unsere nun schon zweite bdw-Analyse zur BSE-Problematik, die Sie auf den Seiten 30 bis 39 finden.
Heute rächt sich, daß die Politiker dem Rinderwahnsinn lange Zeit ungenügend Aufmerksamkeit gezollt haben. Noch im vergangenen Herbst hat man in Deutschland so getan, als ob BSE die Landesgrenzen nie passieren könnte. Jetzt – gewissermaßen auf Knopfdruck – sollen Wissenschaftler Wege aus der Krise zaubern. Wie zum Beispiel in Baden-Württemberg, wo man den Heidelberger Molekularbiologen Konrad Beyreuther als Staatsminister ins Kabinett berufen hat. Bis wesentliche Zusammenhänge um das Entstehen von BSE geklärt und Übertragungswege auf Menschen dingfest gemacht sind, werden Jahre vergehen. Erst recht Zeit wird es kosten, bis Therapien gegen die Erkrankung da sind. Und selbst im günstigsten Fall wird das Ergebnis Stückwerk sein. Die Evolution – gerade auch die von Krankheitserregern – hebelt den medizinischen Fortschritt immer wieder aus. Das wird uns jeden Tag vor Augen geführt. Fürs erste bleibt uns wenigstens die Hoffnung, daß der Verzehr von BSE-Rindfleisch nicht zwangsläufig zur neuen Form der todbringenden Creutzfeldt-Jakob-Krankheit führt. Denn viele von uns – so mutmaße ich – haben irgendwo auf der Welt schon mal ihren Hunger mit BSE-verseuchtem Fleisch gestillt.
Wolfgang Hess