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Dick kann jeder

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Dick kann jeder
Solarmodule, Fensterscheiben und Metallbänder haben eine große Oberfläche – zum Licht einfangen, Strom leiten, isolieren oder spiegeln. Möglich macht all das die Firma Von Ardenne.

RALF STURM STEIGT EINE hüfthohe Aluminiumleiter hinauf. Leises Surren begleitet ihn. Oben an der Versuchsanlage angekommen, öffnet der Techniker der Von Ardenne Anlagentechnik GmbH eine Klappe. „Hier können Sie es sehen“, sagt er. Hinter einem dicken Schutzglas schimmert rötlich ein heißes Plasma. Die Wolke aus elektrisch geladenen Atomen wartet darauf, dass sie sich auf einer kühlen Fläche niederschlagen kann. Sturm veredelt Glas, macht es kratzfest, vermindert dessen Wärme- leitfähigkeit oder bringt in mehreren Schritten nacheinander hauchdünne Lagen auf, die abwechselnd elektrisch leiten oder isolieren. So entstehen beispielsweise Dünnschicht-Solarzellen. „Wir stellen Ge- räte her, von denen manche acht bis zehn Millionen Quadratmeter pro Jahr beschichten“, erklärt stolz Geschäftsführer Robin Schild. Das entspricht der Fläche von über 1000 Fußballfeldern. „Früher haben wir ausschließlich Unikate gebaut“, berichtet der Halbleiterexperte. „Angespornt durch den Solar-Boom fertigen wir nun erstmalig in Serie.“

Ein Lehrling schiebt eine blanke Scheibe in das Metallungetüm, von dem zahlreiche Elektrokabel und Pneumatikschläuche herabhängen. Oben schnurren Vakuumpumpen. Am Computer stellt der Auszubildende die gewünschten Parameter ein und überwacht den Prozess. Die Maschine saugt das Glas ein. In ihr herrscht nur gut ein Hundertmillionstel des üblichen Luftdrucks. „Es ist schon eine Kunst, die Scheiben kontinuierlich durch die Anlage zu fahren und dennoch darum herum ein extremes Vakuum aufrecht zu erhalten“, erklärt Sturm. Er und sein Team probieren so lange unterschiedliche Einstellungen aus, bis selbst der anspruchsvollste Kunde mit Dicke, Homogenität und Funktionalität der Oberfläche zufrieden ist. Erst dann bauen die Dresdner die Industrieanlage, die bis zu mehrere Millionen Euro kosten kann, für den Auftraggeber.

Die Anlagen veredeln Glas, Kunststoffe oder Metallbänder mit hauchfeinen, zum Teil nur wenige Nanometer dünnen Schichten – ein Tausendstel so dünn wie ein menschliches Haar. Von Ardenne macht das so erfolgreich, dass das Unternehmen 2005 zum „Innovator des Jahres“ gekürt wurde. Wer sich um diese Auszeichnung bewerben will, braucht praktische Fantasie. Obgleich die Hälfte der Mitarbeiter ein Hochschul- oder Fachhochschulstudium vorweisen kann – meist in Physik, Maschinenbau oder Elektrotechnik –, dauert es meist noch ein bis zwei Jahre, bis die Neulinge ausreichend Erfahrung im Umgang mit den sensiblen Prozessen der Oberflächenbeschichtung gesammelt haben. Denn die komplexen Vorgänge der Plasmaphysik erfordern viel Gespür.

Gerhard Samulat

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Ohne Titel

… IN ZAHLEN

GRÜNDUNG: 1991 als Ausgründung aus dem „Forschungsinstitut Manfred von Ardenne“

UNTERNEHMENSLEITUNG:

Robin Schild

Tino Hammer

MITARBEITER: 450 (mit projektbezogenen „Leiharbeitern“ 560)

UMSATZ 2006: 104 Millionen Euro WACHSTUM 2007: rund 30 Prozent

INTERNET: www.vonardenne.biz

E-MAIL: office@vonardenne.biz

Das Unternehmen …

Bei DEm Namen Manfred von Ardenne klingelt es vielen Naturwissenschaftlern in den Ohren. Der Baron war eine Ausnahmeerscheinung in der deutschen Technikgeschichte. Obgleich er kein Abitur hatte und kein Studium je beendete, erhielt der 1907 in Hamburg geborene Adlige schon im Alter von 16 Jahren sein erstes Patent. Als er im Mai 1997 als 90-Jähriger starb, hatte er rund 600 Erfindungen gemacht, darunter das vollelektronische Fernsehgerät und das Rasterelektronenmikroskop. Die Von Ardenne Anlagentechnik GmbH ist 1991 aus dem Dresdner Forschungsinstitut Manfred von Ardenne hervorgegangen, das der Baron von 1955 bis zum Ende der DDR 1990 außerhalb der staatlichen Planwirtschaft in privater Rechtsform leitete. Das Unternehmen ist heute ein weltweit führender Anbieter von Elektronenstrahl- und Plasmatechnologien. Es liegt noch immer in den Händen der Familie Von Ardenne. Die Firma konzentriert sich auf das Herstellen von Anlagen zur Beschichtung von Metallbändern, Architekturgläsern und Solarzellen – und dort insbesondere auf die Dünnschichttechnik. Das Unternehmen wächst stark: 2006 hat sich der Umsatz mehr als verdoppelt – wegen der großen Nachfrage nach Solarmodulen und dem steigenden Bedarf an wärmedämmenden Glasscheiben in China: Acht von zehn ausgeschriebenen Projekten dort konnte Von Ardenne 2006 für sich verbuchen.

NIEDERSCHLAG – NANO STATT NASS

Die „magnetfeldverstärkte Plasmaentladung“ ist Physik für Kenner. Sie bewirkt, dass sich ein atomarer oder molekularer Partikelstrom des gewünschten Materials auf einer Oberfläche niederschlägt, ähnlich wie Wasserdampf am Spiegel im Badezimmer. Doch statt Wasser lassen die Experten der Dresdner Von Ardenne Anlagentechnik GmbH feinste Mengen von Silizium, Kadmium oder Selen verdampfen. Denn Architekten und Techniker verwenden nur selten unbehandeltes Glas oder Metall. Meist sind die Oberflächen der Werkstoffe veredelt – um sie kratzfest zu machen, zur Wärmeisolation oder um elektrisch und optisch aktive Substanzen aufzubringen.

Dazu beschießen Von-Ardenne-Techniker das aufzutragende Material, das sich in Tiegeln oder auf rotierenden Zylindern befindet, mit energiereichen Elektronen und Ionen. Sie werden in einem Magnetron erzeugt und in speziellen elektrischen und magnetischen Feldern beschleunigt und umgelenkt. Die Beherrschung der Magnetrons ist eine Kunst, für die der Unternehmensgründer Manfred Baron von Ardenne berühmt war. Die aus einem Material in der Anlage freigesetzte Substanz schlägt sich auf den vorbeiziehenden Oberflächen nieder. Das Ziel ist, die Schichten möglichst dünn und homogen zu machen, denn das spart Material und damit Kosten.

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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Idio|blast  〈m. 16; Bot.〉 Einzelzelle, die in eine andere Zelle od. Zellengruppe von anderem Bau eingestreut ist [<grch. idios … mehr

Kunst|er|zie|hung  〈f. 20; unz.〉 Zeichnen u. Kunstgeschichte (als Unterrichtsfach)

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