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Verlorener Sohn im Weltall

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Verlorener Sohn im Weltall

So vergeht der Ruhm der Welt: Nur eine kleine Zeitungsmeldung blieb, als dieser Tage eines der größten Projekte der europäischen Raumfahrt außer Dienst gestellt wurde. Spacelab ist nach Bremen zurückgekehrt, das Labor im Weltall, von den Europäern mit Milliarden-Aufwand für den amerikanischen Spaceshuttle konstruiert. Es wird an seinem Ursprungsort auf einen Denkmalsockel gesetzt, drumherum soll eine Raumfahrt-Akademie entstehen.

In der Bibel gibt es die Geschichte vom verlorenen Sohn, der hoffnungsvoll in die Welt geht und ohne jeden Erfolg zurückkehrt. Sie gilt als Parabel für den Großmut des Vaters, der alle Enttäuschungen zur Seite schiebt, aus Liebe zu seinem Sohn. Wer miterlebt hat, wie Spacelab entstanden ist, mit welchen Hoffnungen und Konflikten das Projekt beladen war, fühlt sich bei seiner Rückkehr an dieses Gleichnis erinnert. Nur mit der Liebe will das heute nicht mehr so recht passen.

Spacelab war einst das Herzstück deutscher Raumfahrtpolitik. Auf kein Projekt wurden so viele Hoffnungen gesetzt, kaum eines aber hat die Erwartungen und die Milliardeninvestitionen so wenig erfüllt. Nach der ersten Mondlandung sah die Bundesrepublik die Chance, ebenfalls bemannte Raumfahrt zu betreiben, deutsche Ingenieurkunst sollte der Welt beweisen, daß sie mit amerikanischer Spitzentechnologie mithalten konnte.

Gegen den Widerstand der Franzosen, die auf eine von den USA unabhängige Raketentechnik setzten (und damit heute Geld verdienen), drückte Bonn Spacelab als europäisches Projekt durch. Das Ziel schien jeden Preis zu lohnen: Spacelab sollte ein Kern im wissenschaftlichen Programm der NASA werden, als Vielzweck-Labor im Weltraum, modular an die wechselnden Anforderungen anpassbar, mit Flügen alle zwei Monate, bis hin zur Fabrikation exotischer Materialien im Weltraum. Nicht zuletzt versprach Spacelab den Einsatz deutscher Astronauten. Spacelab schien fast so gut wie eine Mondlandung. Deutschland übernahm finanziell den Löwenanteil, um das Labor parallel zu den französischen Ariane-Plänen zu realisieren.

Doch kaum etwas von den Hoffnungen wurde Wirklichkeit. Statt im Dauereinsatz fand sich Spacelab eher in der Abstellkammer der NASA, gerade 22mal in 16 Jahren wurde das Raumlabor genutzt, zum Teil als unbemannte Instrumentenplattform. Heute sind fast genauso viele deutsche Astronauten mit russischen Raumfahrzeugen geflogen wie mit Spacelab – zu einem Bruchteil der Kosten. Und selbst industriepolitisch hat Spacelab wenig bewirkt: Das Herstellerwerk in Bremen überlebt nur noch mit hohen Subventionen.

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Seien wir großzügig wie der Vater im biblischen Gleichnis, trauern wir nicht um Milliarden, die zum Fenster hinausgeworfen wurden. Spacelab ist Geschichte – vielleicht nicht geeignet für ein Denkmal, aber tauglich für ein Museum. Das Deutsche Museum in München etwa besitzt eine tolle Sammlung von Flugzeug-Prototypen, die alle in Deutschland entwickelt wurden, aber nie in Serie gingen.

Historie? Gerade stehen die Forschungs-politiker in Bonn und in den europäischen Hauptstädten wieder vor teuren Entscheidungen: Es geht um Columbus, das europäische Labor für die bemannte internationale Raumstation – anspruchsvoll, prestigeträchtig, milliardenteuer. Und wieder ist es ein Lieblingsprojekt der Deutschen. Das wissenschaftliche Programm der europäischen Raumfahrtorganisation ESA soll sogar gekürzt werden, um Columbus zu finanzieren.

Mir scheint: Spacelab ist genau zum falschen Zeitpunkt nach Deutschland zurückgekehrt. Oder ist das der wahre Grund, weshalb es hier so kleinmütig von den Raumfahrtexperten empfangen wurde?

Reiner Korbmann

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