Wer auf das vermeintlich verlorengegangene Wissen der „weisen Frauen“, Rezepte für Liebestränke oder Abtreibungsmittel zum Selberbrauen hofft, wird enttäuscht sein. Statt dessen erwartet den Leser ein wissenschaftlich fundiertes, gleichwohl an ein breites Publikum gerichtetes Buch über Frauenheilkunde im Mittelalter. Auf der Basis vieler, oft bisher unbekannter Texte der Zeit zu Schwangerschaft, Geburt, Gynäkologie, zu Empfängnisverhütung und Sexualität zeichnet Kruse ein bewegendes Bild vom Alltagsleben der Frauen. Umfangreiche Auszüge aus Traktaten und zeitgenössischen Rezeptsamm-lungen – die freilich oft so absurd sind, daß niemand heute auf die Idee käme, sie auszuprobieren – geben dem Buch ein besonderes Flair. Trotz vieler magischer Vorstellungen in der Heilkunde, die sich zum Teil bis heute gehalten haben, waren die mittelalterlichen Kenntnisse und Möglichkeiten überraschend weit entwickelt. Frauenmedizin war in erster Linie die Sache von Hebammen – die keineswegs, entgegen landläufiger Meinung, mit Hexen gleichgesetzt wurden. Daß man im Mittelalter Kontrazeptiva kannte und benutzte, belegen viele Texte. Freilich: Ihre Wirksamkeit ist nicht belegt. Kruses Buch könnte nicht zuletzt die moderne Diskussion über ganzheitliche Medizin auf ein sachliches Fundament stellen. Prof. Michael Dallapiazza
Britta-Juliane Kruse DIE ARZNEI IST GOLDES WERT Mittelalterliche Frauenrezepte Walter de Gruyter 1999 414 S., DM 58,–
Michael Dallapiazza / Britta-Juliane Kruse