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Think, Dolly, Think*

Allgemein

Think, Dolly, Think*
* Drei Anmerkungen zu einem Fall, zu dem scheinbar schon alles gesagt ist

Wo warst Du, Adam? Ein friedvolles Schaf in Schottland scheint die Welt aus den Angeln zu heben: Die Gazetten wetteifern mit den Schlagzeilen, prominente Fernsehjournalisten lernen vor laufender Kamera das Einmaleins der Genetik, sonst ernsthafte Realpolitiker versuchen sich in Utopien mit Frankensteinscher Phantasie. Was ist geschehen, was nicht gestern auch geschah?

Nichts – und dennoch stehen wir offensichtlich an einem entscheidenden Wendepunkt. Es drängen sich Fragen auf, die schon längst hätten gestellt werden können. Der Druck wird größer, endlich auch nach Antworten zu suchen. Festzuhalten bleibt dreierlei:

1. Das geklonte Schaf Dolly ist ein Detailfortschritt der Wissenschaft, kein epochaler Sprung: Geklonte Säugetiere gibt es seit Jahren; die Erbanlagen von Mensch und Tier sind mindestens seit 20 Jahren durch die Reagenzglas-Befruchtung für Manipulationen verfügbar, auch für Eingriffe an der Keimbahn mit Hilfe der Gentechnik. Stück für Stück erweitern die Embryonenforscher ihre Zugriffsmöglichkeiten auf das werdende Leben – immer später nach der Zeugung, immer früher vor dem normalen Geburtstermin. Und sie rücken mit ihren Techniken immer höher in der Hierarchie der Evolution zu den hochentwickelten Tieren – immer näher zum Menschen.

Das Neue beim geklonten Schaf Dolly ist, daß es gelang, nach Belieben das bereits abgeschlossene Entwicklungsprogramm der Natur wieder einzuschalten: Gene von ausdifferenzierten Zellen wieder vollständig zu aktivieren. Das weckt die Horrorvorstellungen von geklonten Einsteins oder Hitlers – denn als sie noch Embryos waren, wußte niemand, was einmal aus ihnen werden würde.

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2. Ende der siebziger Jahre gab es schon einmal ganz ähnliche Schlagzeilen. Damals beschrieb der Amerikaner David Rorvik in seinem Buch „In his Image“ wie sich ein Millionär klonen läßt – und verkaufte sein Werk als Tatsachenbericht. Die Aufregung in den Medien legte sich schnell wieder, als sich herausstellte, daß es sich um Science- fiction handelte. Wer damals bei Wissenschaftlern recherchierte, erfuhr: das von Rorvik kundig beschriebene Klonen von Menschen sei nicht möglich, noch nicht. Doch die Öffentlichkeit überhörte das Wörtchen „noch“. Die wichtigen Diskussionen hätten damals stattfinden können.

3. Niemand will heute Menschen klonen. Und doch wird es eines Tages irgendwo – heimlich oder öffentlich – geschehen, wenn sich jemand davon einen Vorteil verspricht. Das zeigt die Logik der Geschichte.

Ein Tier hat kein Recht auf Individualität – der Mensch aber sehr wohl. Wie aber kann man die Chancen der neuen Entwicklung nutzen und zugleich die Gefahren abwehren, solange es geht? Ethische Fragen sind Fragen an die ganze Gesellschaft, nicht nur an die Forscher. Aber selbst die Wissenschaftler sind heute unsicher, wo das Überschreiten der Grenzen beginnt. Es ist höchste Zeit, die versäumten Diskussionen endlich zu führen, den offenen Dialog. Das gibt den Wissenschaftlern eine Basis für ihr Handeln und der Öffentlichkeit das Vertrauen, daß die Forscher mit ihren mächtigen Werkzeugen verantwortungsvoll umgehen. Ein Moratorium der Forscher, eine Denkpause zum Gespräch, wäre eine gute Basis.

Wir sind an einem Scheideweg. Da lohnt es sich zweimal nachzudenken, statt einen einzigen falschen Schritt zu tun.

Reiner Korbmann

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

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