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Auf dem Abstellgleis

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Auf dem Abstellgleis
Bahn-Magnetantrieb: ohne Chancen in den USA

Wer mit dem Zug von San Francisco nach Los Angeles fahren will, kann sich das zeitlich nur im Urlaub leisten: Für die 600 Kilometer muß man zwölf Stunden auf der Küstenroute rechnen und acht Stunden auf der Inlandsroute – die allerdings Buszubringer am Reiseanfang und -ende erfordert.

Der vernachlässigte Zugverkehr soll nun in Schwung gebracht werden. Aber Zukunftstechnologien wie der Magnet-Antrieb – das Funktionsprinzip des deutschen Prestige-Projekts Transrapid – stehen in den USA auf dem Abstellgleis.

An der Ostküste, wo der Zugverkehr schon etwas besser fließt als an der Westküste, läuft das erste Modernisierungsprojekt. Es soll die Reisezeiten Boston-New York und New York-Washington von jeweils 4,5 auf 3 Stunden verkürzen. Die Firma Bombardier baut dafür 18 Züge. Das 150 Jahre alte Schienensystem soll erneuert und zum Teil erstmals elektrifiziert werden.

Das eine Milliarde Dollar teure Projekt wird zu etwa 20 Prozent durch staatliche Zuschüsse subventioniert. „Dies läutet eine neue Ära des Reisens ein, mit fortschrittlichen und umweltfreundlichen Technologien“, schwärmte Vizepräsident Al Gore zum Projektbeginn im letzten Jahr.

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Die Bahn-Renaissance bedeutet eine Bewußtseinsänderung im Land der Autofahrer. Schon 1980 privatisierte die Bundesregierung Teile des fast bankrotten Bahnwesens. Durch Konsolidierung und Modernisierung ist der private Frachtverkehr auf der Schiene heute profitabel. Er transportiert fast so viel wie Lastwagen, Schiffe und Flugzeuge zusammen.

Dagegen schreibt „Amtrak“, die einzige landesweit operierende Personenverkehrsgesellschaft auf der Schiene, trotz Stillegungen und reduziertem Service weiterhin rote Zahlen. Das quasi-staatliche Unternehmen ist weiter auf Subventionen angewiesen.

Die neue Bahn-Initiative soll auch die inländische Industrie ankurbeln und Arbeitsplätze schaffen. Die Firma Bombardier mußte sich allerdings zunächst Know-how und Fertigteile im Ausland einkaufen. Dabei griff die Firma auf das französische TGV-System von GEC Alsthom zurück – nicht auf den teureren deutschen ICE. Der TGV wird mit Neigetechnik ausgestattet und soll ab 1999 als „American Flyer“ den Ostküsten-Korridor entlangrauschen.

An der Westküste, zwischen Seattle an der kanadischen und San Diego an der mexikanischen Grenze, liegen die Metropolen weiter auseinander. Dort hat der Zugverkehr es schwer, mit dem Flugverkehr zu konkurrieren. Werden jedoch Anreise- und Wartezeiten an den Flughäfen einbezogen, könnten schnellere Züge auf einigen Strecken konkurrenzfähig sein. Das befand jedenfalls eine staatliche Kommission, die den Ausbau der Strecke San Francisco-Los Angeles empfahl.

Bezüglich der Zugtechnik ist noch nichts entschieden. Doch den deutschen Exporthoffnungen für den „Transrapid“ verpaßte die Kommission bereits eine kalte Dusche: Elektromagnetischer Antrieb – Magnetic Levitation, kurz „Maglev“ – sei noch zu experimentell.

Nicht einmal Prof. Richard Thornton, Maglev-Experte am Massachusetts Institute of Technology (MIT), kann zur Zeit die Magnetbahn empfehlen: Es gebe kein ausgereiftes amerikanisches System, und der deutsche Transrapid sei schon veraltet und zu teuer. Die MIT-Arbeitsgruppe – die einzige in den USA, die staatliche Förderung für Maglev-Forschung erhält – will ein billigeres System entwickeln. Dazu greift sie gern auf die deutschen Transrapid-Erfahrungen zurück.

Thornton ist davon überzeugt, daß sich durch Leichtbauweise, Hochtemperatur- supraleitende Magneten, neue Steuerelektronik und Motoren die Kosten um die Hälfte senken lassen. Dann erst sei die Ära der neuen Technologie gekommen: „In etwa zehn Jahren dürften hierzulande Magnetbahnen gebaut werden.“

Transrapid: Der elektromagnetisch dahingleitende Schnellzug schwebt zehn Millimeter über einem Hochgleis, in das der Antrieb („Linearmotor“) integriert ist. Er kann 300 bis 500 Kilometer pro Stunde Reisegeschwindigkeit erreichen. Der 1994 von der deutschen Bundesregierung beschlossene Bau einer Strecke zwischen Hamburg und Berlin entwickelte sich zum Zankapfel: Die Magnetbahn werde ebenso zum Milliardengrab, so die Kritiker, wie der Eurotunnel oder der Schnelle Brüter. Die Befürworter des Streckenbaus führen regionale Beschäftigungsimpulse und künftige Exportchancen ins Feld.

Subventionen: Die Bahngesellschaft Amtrak erhält 20 Prozent ihrer jährlichen Betriebskosten aus Washington: 840 Millionen Dollar im Haushaltsjahr 1997 – drei Prozent vom Budget des US-Verkehrsministeriums. Diese Zuwendung liegt deutlich unter den staatlichen Zuschüssen für Autobahnen (20 Milliarden Dollar) und Luftverkehr (8 Milliarden). Weitere 25 Prozent der Amtrak-Betriebskosten zahlen die Bundesstaaten.

TGV ist das Kürzel für den französischen Hochgeschwindigkeitszug „Train à Grande Vitesse“. Er verbindet seit 1981 mit der Spitzengeschwindigkeit von 270 Kilometern pro Stunde die Wirtschaftszentren Paris und Lyon. Das deutsche Pendant dazu, der ICE, ist seit 1991 in Dienst.

Bruni Kobbe

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