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Lauter Dreiecke

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Lauter Dreiecke
Mathematik mit Zirkel und Lineal. Im alten Ägypten dienten Dreiecke der Landvermessung. Seit Euklid haben Generationen von Schülern Geometrie am Dreieck gelernt. Diese Tradition scheint jetzt durch den Einzug der Comuter verlorenzugehen.

Aufstieg, Fall und mögliche Wiedergeburt der Dreiecksgeometrie“ überschrieb Philip J. Davis seine „Miniaturgeschichte“, die das American Mathematical Monthly 1995 veröffentlichte. Darin wird die bedeutende Rolle der Dreiecksgeometrie in der europäischen Schulbildung hervorgehoben und mit ihrem Schattendasein in der modernen Mathematik verglichen, über das Eric Temple Bell schon 1940 in seinem Buch „The Development of Mathematics“ urteilte: „Die Geometer des 20. Jahrhunderts haben alle diese Schätze schon lange feierlich ins Museum der Geometrie getragen, wo der Staub der Geschichte schnell ihren Glanz trübte.“ Das ist schade, denn Dreiecke sind fast ein Synonym für Schulgeometrie. Drei ungewöhnliche Dreieckssätze werden im folgenden ausgegraben und elementar-geometrisch bewiesen.

Drei Dreiecke am Dreieck: Wie Napoleon Bonaparte zu mathematischen Ehren kam, bleibt Laien wie Historikern ein Rätsel. Aber es leuchtet ein, daß nicht alle mathematischen Lehrsätze nach ihren Urhebern benannt werden können. Bei Leonhard Euler würde eine konsequente Namensgebung zu mehr Eulerschen Sätzen führen, als der Ordnung in der Wissenschaft dienlich wäre.

Napoleons Theorem: Werden auf den Seiten eines Dreiecks gleichseitige Dreiecke errichtet, so bilden ihre Zentren die Ecken eines ebenfalls gleichseitigen Dreiecks.

Zur Erklärung: Das Zentrum gleichseitiger Dreiecke ist sowohl Mittelpunkt des Inkreises und des Umkreises als auch Schwerpunkt und Höhenschnittpunkt des Dreiecks.

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Für einen direkten analytischen Beweis müßte man das Dreieck ABC in die komplexe Zahlenebene legen, in der sich die Drehung einer Strecke um den Winkel a einfach durch den Faktor exp(ia) darstellen läßt (i = €-1). Das Wesen der Geometrie liegt aber in ihrer Anschaulichkeit. Deshalb gebe ich hier Ross Honsbergers schönen Beweis wieder, der auf elementarer Geometrie beruht, wie sie in der Mittelstufe unserer weiterführenden Schulen gelehrt wird. Man braucht dazu die Umkreise um die aufgesetzten Dreiecke mit den Mittelpunkten in P, Q und R. Danach darf man die gleichseitigen Dreiecke vergessen, muß sich nur merken, daß alle Dreiecke mit der Grundseite AB, deren dritte Ecke C‘ auf dem Umkreis liegt, nach dem Peripheriewinkelsatz dort einen Winkel von 60 Grad haben. Entsprechendes gilt für die Ecken A‘ und B‘ auf den beiden anderen Kreisen um die Punkte R und Q. Der „Peripheriewinkelsatz“ sagt aus, daß am Kreis alle Peripheriewinkel über demselben Bogen gleich und gleich dem halben Zentriwinkel sind.

Nun wird, ausgehend von einem beliebigen Punkt A‘ auf dem Kreis um R, ein großes Dreieck gezeichnet, dessen Seiten durch die Ecken A, B und C des gegebenen Dreiecks gehen. Die Ecke B‘ findet man als Schnittpunkt der Gerade durch A‘ und C mit dem Kreis um Q, danach die Ecke C‘ als Schnittpunkt der zwei Geraden, die durch B‘ und A beziehungsweise A‘ und B gehen. Das Dreieck A’B’C‘ hat nach seiner Konstruktion 60-Grad-Winkel bei A‘ und B‘. Da die Winkelsumme im ebenen Dreieck 180 Grad beträgt, hat auch der Winkel bei C‘ 60 Grad, und C‘ liegt daher auf dem Kreis um R. Das Dreieck A’B’C‘ ist also gleichseitig.

Für jede Wahl des Punktes A‘ auf dem Kreis um R liefert die Konstruktion ein gleichseitiges Dreieck A’B’C‘. Fällt man von den Punkten Q und R die Lote auf die Seite A’B‘, deren Fußpunkte L und M die Sehnen A’C beziehungsweise B’C halbieren, erkennt man, daß die Seitenlänge A’B‘ = 2ML im allgemeinen kürzer als 2RQ ist. Entsprechend verfährt man auf den beiden anderen Seiten des Dreiecks. Verschiebt man den Punkt A‘ auf seinem Kreis so lange, bis die Seite A’B‘ ihre größte Länge bekommt, gilt (wegen der Gleichseitigkeit von A’B’C‘) das gleiche auch für die Seiten B’C‘ und C’A‘. Also gilt im Grenzfall A’B‘ = 2RQ = 2QP = 2RP. Das Dreieck PQR ist somit gleichseitig, womit Napoleons Theorem bewiesen ist.

Gedrittelte Winkel: Erstaunlich ist der folgende geometrische Satz, der erst durch Frank Morley im Jahre 1904 entdeckt wurde. Verfolgt man die Geschichte der ebenen Geometrie von Euklid bis in die Neuzeit, wird deutlich, daß sie von Konstruktionen mit Zirkel und Lineal geprägt war, mit denen die Drittelung von Winkeln nicht allgemein möglich ist (siehe „Kabinett“, bild der wissenschaft 2/1994).

Der Satz von Morley lautet: Werden in einem Dreieck (ABC) die drei Winkel gedrittelt, schneiden sich die einer Dreiecksseite benachbarten Paare von Winkeldreiteilern in den Ecken eines gleichseitigen Dreiecks (PQR).

Der elementar-geometrische Beweis des Satzes, den M. T. Naraniengar 1909 als Lösung einer Aufgabe an die Educational Times einsandte, ist noch heute an Klarheit unübertroffen. Naraniengar konstruierte das gleichseitige Dreieck PQR von zwei Ecken A, B des gegebenen Dreiecks aus und wies anschließend nach, daß die von der dritten Ecke C zu den Ecken P und Q führenden Strahlen den Winkel in C dritteln.

Nach der Drittelung der Winkel 3a und 3b in A beziehungsweise B wird zunächst das kleine Dreieck ABD betrachtet. Im Dreieck ABD sind AR und BR Winkelhalbierende, die sich im Punkt R schneiden, dem Mittelpunkt des Inkreises. DR ist daher Winkelhalbierende in D. Die halben Winkel in D nennen wir d.

Zur Konstruktion eines gleichseitigen Dreiecks werden von R aus nach links und rechts von RD unter Winkeln von 30 Grad zwei Strahlen gezogen, die AD und BD in Q beziehungsweise P schneiden. Die Dreiecke RDP und RDQ stimmen in einer Seite (RD) und zwei Winkeln (30 Grad und d) überein und sind daher kongruent oder deckungsgleich. Also sind QR und RP gleich lang. Da sie einen 60-Grad-Winkel einschließen, hat auch QP die gleiche Länge, und das Dreieck PQR ist gleichseitig. Mit dem Ziel, nachzuweisen, daß die Strahlen von C nach Q und P den Winkel 3g im Punkt C dritteln, wird die Strecke AR auf der Dreieckseite AC abgetragen, wobei sich der Punkt F ergibt. Die Dreiecke ARQ und AFQ stimmen in zwei Seiten und dem Winkel a überein und sind daher deckungsgleich. Also haben QF und QR die gleiche Länge. In derselben Weise konstruiert man den Punkt E auf der anderen Seite und zeigt, daß die Strecken PE und PR gleich lang sind. Also gilt: FQ = QP = PE.

Im nächsten Schritt sind einige Winkel zu bestimmen. Die Winkel d und g hängen in einfacher Weise zusammen. Im Dreieck ABC ist die Winkelsumme 3(a+b+g) = 180, im Dreieck ABD aber 2(a+b+d) = 180. (Die Maßangabe „Grad“ wird bei dieser Betrachtung der Übersichtlichkeit halber weggelassen.)

Nach Elimination von a + b findet man d = 30 + g. Durch eine Betrachtung der Winkel, die sich um den Punkt Q gruppieren, läßt sich der Winkel FQP, abgekürzt e, bestimmen: e = 180 – 2g. Dieser Schritt darf den Lesern überlassen bleiben. Da e nur von g abhängt, ist der Winkel QPE ebenfalls e.

Im letzten Schritt werden auf den Strecken FQ, QP und PE die Mittelsenkrechten errichtet, die sich in ein und demselben Punkt M schneiden. Alle vier Punkte F, Q, P und E liegen gleich weit von M entfernt und daher auf einem Kreis um M.

Man kann jetzt leicht einsehen, daß der Zentriwinkel in M über dem gesamten Kreisbogen von F bis E die Größe 6g hat. Da der Winkel in C den halben Wert 3g hat, muß er nach dem Peripheriewinkelsatz auf dem gleichen Kreis liegen. Die Bögen über den Strecken FQ, QP und PE sind gleich lang, also dritteln die Verbindungslinien CQ und CP den Winkel 3g in C. Damit ist der Satz von Morley bewiesen.

Dreigeteilte Dreiecksseiten: Bei diesem Problem drittelt man die Seiten des gegebenen Dreiecks ABC und zeichnet von den drei Eckpunkten aus jeweils eine der zwei Seitendreiteilenden in zyklischer Folge. Den wievielten Teil der Fläche F des Dreiecks ABC bedeckt die Fläche F‘ des inneren Dreiecks PQR?

Am bequemsten ist eine umgekehrte Beweisführung – auch wenn dabei offenbleibt, ob das Ergebnis für beliebige Dreiecke ABC gilt. Man parkettiert die Ebene mit den kleinen Dreiecken und zeichnet das große Dreieck ABC ein, dessen Eckpunkte an Gitterpunkten liegen. Dann zählt man einfach ab: F = 3 Ÿ 1/2 Ÿ 4F‘ + F‘ = 7F‘ oder F’/F = 1/7.

Was kommt wohl für ein Flächenverhältnis heraus, wenn man die Dreiecksseiten in 4, 5, 6, … (allgemein: n) gleichgroße Teile zerlegt und im übrigen genauso verfährt? Klar ist, daß das Flächenverhältnis für n = 2 (Seitenhalbierende) 0 werden muß und 1 für große n. Wie für n = 3 findet man das Ergebnis auch für allgemeines n durch Abzählen: F’/F = (n – 2)2/(n2 – n + l). Man beweist seine Gültigkeit durch „vollständige Induktion“.

Wolfgang Bürger

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