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Überraschend alte Gewächse

Erde|Umwelt

Überraschend alte Gewächse
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52 Millionen Jahre altes Physalis-Fossil neben einem getrockneten modernen Vertreter der Gattung (Fotos: Peter Wilf/ Penn State)
Kartoffeln, Tomaten, Paprika sind nicht nur seit Tausenden von Jahren wichtige Nahrungspflanzen des Menschen, sie gehören auch alle zur großen Familie der Nachtschattengewächse. Ein Fossilfund in Patagonien belegt nun, dass diese Pflanzenfamilie weitaus älter ist als bisher angenommen. Demnach existieren die Solanaceen bereits seit mindestens 52 Millionen Jahren, wahrscheinlich aber schon bedeutend länger. Ihre ersten Vertreter könnten sogar schon auf dem Urkontinent Gondwana gewachsen sein.

„Die Familie der Nachtschattengewächse ist von außerordentlicher wirtschaftlicher und kultureller Bedeutung“, betonen Peter Wilf von der Pennsylvania State University und seine Kollegen. Denn zu den rund 2500 Arten umfassenden Solanaceen gehören so wichtige Nutzpflanzen wie Kartoffeln, Tabak, Tomaten, Auberginen oder Paprika. Gleichzeitig sind viele Nachtschattengewächse wegen ihres Alkaloidgehalts wertvolle Lieferanten für Rausch- und Arzneimittel, darunter die Schwarze Tollkirsche, das Bilsenkraut oder die Alraune. Doch so verbreitet wie diese Gewächse heute sind, so rar sind ihre Fossilien: „Es gibt bisher keine eindeutigen Funde von fossilen Blüten, Früchten oder Blättern der Solanaceen“, erklären die Forscher. Nur einige fossile Samen sind bekannt, die aber zu wenig Details bieten, um sie näher zu bestimmen. Wann diese Pflanzenfamilie daher entstand, blieb bislang ein Rätsel. Zwar deuten genetische Studien auf ein Alter zwischen 30 und 50 Millionen Jahren hin, fossile Belege dafür fehlten jedoch.

Einzigartiger Fund

Ein neuer Fossilfund hat dies nun geändert. Bei Ausgrabungen an der Laguna del Hunco in Patagonien stießen Forscher auf zwei ungewöhnlich gut erhaltene Überreste von frühen Physalis-Pflanzen – auch sie sind ein Mitglied der Nachtschatten-Familie. Die zarten Relikte im Gestein stammen von zwei Früchten der auch als Blasenkirschen bekannten Pflanzen. Typisch für sie ist ein fünfteiliger, laternenartig aufgeblasener Kelch aus den umgewandelten Kelchblättern der Physalisblüte. Wie die Forscher berichten, sind selbst diese zarten, dünnen Fruchthüllen in den beiden Fossilien noch zu erkennen. „Diese Fossilen sind einzigartig, weil diese papierähnlichen Hüllen nur sehr selten erhalten bleiben“, sagt Wilf. „Diese erstaunlichen Physalis-Exemplare sind zudem die einzigen beiden Fossilien in der gesamten Familie der Nachtschattengewächse, die genügend Informationen erhalten haben, um einer Gattung zugeordnet zu werden.“

Das Spannende jedoch ist nicht nur der gute Erhaltungszustand, sondern auch das Alter dieser Physalis-Fossilien: Datierungen des umgebenden Gesteins ergaben, dass diese Früchte vor rund 52 Millionen Jahren reiften, herabfielen und dann konserviert wurden. „Damit sind diese Fossilien beträchtlich älter als bisher für die ältesten Nachtschattengewächse angenommen“, sagen die Forscher. Hinzu kommt, dass die Physalisverwandten innerhalb der Solanaceen eine spät entwickelte, abgeleitete Gruppe sind. „Physalis sitzt nahe den Spitzen des evolutionären Stammbaums der Nachtschattengewächse“, erklärt Wilf. „Die Solanaceen als Ganzes müssen daher entgegen den Annahmen, sogar noch weit älter sein als die 52 Millionen Jahre.“

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So entwickelten sich die Nachtschattengewächse (Video: Science/AAAS)

Die neuentdeckten Fossilien werfen auch ein neues Licht auf die Herkunft und geografische Ausbreitung der Nachtschattengewächse. Schon länger vermuten Botaniker, dass diese Pflanzenfamilie sich einst auf den Überresten des alten Südkontinents Gondwana entwickelte. Denn ihre größte Verbreitung haben die Solanaceen-Arten in Südamerika und Australien – zwei aus Gondwana entstandenen Kontinenten. Der alte Südkontinent vereinte einst die Landmassen Afrikas, Südamerikas, Australiens, Indiens und der Antarktis in sich. Vor rund 180 Millionen Jahren begannen sich zuerst Südamerika und Afrika vom Rest Gondwanas zu trennen, dann brachen nach und nach auch die restlichen Landmassen auseinander. „Die abgeleitete Position der Physalisfossilien im Solanaceen-Stammbaum spricht dafür, dass sich die Nachtschattengewächse möglicherweise sogar schon lange vor dem endgültigen Auseinanderbrechen von Gondwana entwickelten“, mutmaßen die Forscher. „Das wiederum hat weitreichende Implikationen für unser Verständnis der Diversifikation dieser Familie.“ Wilf und seine Kollegen hoffen nun, in Patagonien und anderen weit südlich gelegenen Gebieten vielleicht noch weitere Fossilien von urzeitlichen Nachtschattengewächsen zu entdecken.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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