bild der wissenschaft: Herr Professor Bardenheuer, Sie leiten das Schmerzzentrum an der Universitätsklinik Heidelberg: Was können Menschen tun, die an chronischen Schmerzen leiden, um schnellstmöglich einen kompetenten Arzt zu finden?
Bardenheuer: Viele Haus-, Allgemein- und Fachärzte besitzen ein großes Fachwissen, um Schmerzen zu behandeln. Kommt man als Patient in der Therapie nicht weiter oder hat besondere Fragen, sollte man sich frühzeitig an spezielle Zentren wenden, die an Universitäten und großen Krankenhäusern angesiedelt sind. Dort oder im Internet erfährt man die Adressen von heimatnahen Schmerztherapeuten oder Kliniken, die eine kontinuierliche Betreuung und Beratung gewährleisten. Neben der Ursachenklärung ist es wichtig, die Schmerzen frühzeitig und konsequent zu behandeln. Nur so kann eine Chronifizierung vermieden werden. Es ist mir wichtig zu betonen, dass es heute genügend Medikamente und Behandlungsverfahren gibt, um Schmerzen, insbesondere bei Tumorerkrankungen, adäquat zu lindern.
bdw: Wie sieht eine effiziente Versorgung für Schmerzpatienten aus? Was muss sich im Vergleich zur derzeitigen Situation ändern?
Bardenheuer: Enormen Nachholbedarf haben wir in der Ausbildung von angehenden Ärztinnen und Ärzten aller Fachgebiete. Wir brauchen außerdem interdisziplinär besetzte „Schmerzkonferenzen“, die das kollegiale Gespräch fördern, Therapiekonzepte entwickeln und die Therapie begleiten.
bdw: Die Defizite in der Versorgung von Schmerzpatienten sind seit langem bekannt. Woran liegt es, dass sich bislang noch immer nichts geändert hat?
Bardenheuer: Die konsequente Behandlung von Schmerzen ist noch nicht in dem Maße in das Bewusstsein der Patienten und Ärzte gedrungen, wie es beispielsweise für die Behandlung der Zuckerkrankheit geschehen ist. Da Schmerz das Signal einer gestörten Körperfunktion ist, ist es essenziell, zunächst die Schmerzursache zu ermitteln. Parallel dazu müssen die Schmerzen adäquat behandelt werden, weil sie für den Körper bedeutende Stressfaktoren darstellen und das Potenzial zur Chronifizierung besitzen.
bdw: Wie groß ist die Gefahr, durch massive Schmerzmittel süchtig zu werden?
Bardenheuer: Bei richtiger Anwendung spielt die so oft zitierte Suchtgefahr – die größte Sorge von Patienten – keine Rolle. Wir verfügen heute über das medizinische Wissen, die Medikamente und die optimalen Strategien, um alle Arten von Schmerzen adäquat zu behandeln.
Claudia Eberhard-Metzger