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Schmerz als unerbetener ständiger

Allgemein

Schmerz als unerbetener ständiger
Eine Migräne-Patientin berichtet von ihrer Marter

Kopfschmerzen waren schon als Kind ihr treuer Begleiter. Doch was Regine Bartenbach-Faul mit 16 Jahren widerfuhr, übertraf alle Schmerzen, die sie jemals zuvor kennen gelernt hatte. Eine „ unbeschreibliche Kombination aus Übelkeit und Schmerz” befiel sie, ein unerträglicher Zustand, den man kaum in Worte fassen könne.

Drei Tage lang raste der Schmerz in ihrem Schädel, immer und immer wieder musste sie sich erbrechen. Sie reagierte übersensibel auf Gerüche, Geräusche und Licht, keinen Schritt wagte sie aus dem Bett ihres abgedunkelten Zimmers. „Ich war nur noch ein wimmerndes Häuflein Elend”, erinnert sich die heute 44-Jährige. Dann war der Anfall vorbei. Doch ein Ende hatten die Qualen nicht. Sie kamen wieder: Erst Monat für Monat, in schlimmen Zeiten Woche für Woche.

„Das ist Migräne”, wusste ihr Vater – ein Arzt – von Anfang an, zumal auch die Mutter unter der Krankheit litt. „Er hat alles für mich getan”, sagt Regine Bartenbach-Faul, „aber wirklich helfen konnte er mir nicht.” Fortan diktierte die Migräne den Rhythmus ihres Lebens. „Man weiß nie, wann der nächste Anfall kommt. Dann ist er da – und das Ewiggleiche beginnt: Man sagt Termine kurzfristig ab, man verschenkt seine Karten für den Theaterabend, man lädt Freunde, die zum Essen kommen sollten, wieder aus.”

Die Krankheit wird zur lebensbestimmenden Macht, der man hilflos ausgeliefert ist. Bis in den Beruf hinein reicht ihr böser Einfluss: „Mein früherer Chef hat mich oft genug nach Hause schicken müssen, weil ich arbeiten gegangen war, obwohl ich es eigentlich vor Schmerzen nicht mehr aushielt und mich ständig erbrechen musste.” Und die Kollegen sagten vorwurfsvoll: „Jetzt hat sie schon wieder ‚ihre Migräne‘.” Sie verstehe den Missmut, meint Regine Bartenbach-Faul. Irgendwann wolle einfach niemand mehr davon hören – man selber ja auch nicht. „Aber dieser sadistische Gnom, der mit Hammer und Meißel hinter meinem linken Auge sitzt und dort ohne Erbarmen wütend zuschlägt, der bleibt trotzdem.”

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Weg war er nur während ihrer Schwangerschaften, allerdings erst, nachdem er sein Opfer zum Abschied noch einmal besonders hartnäckig gequält hatte: „Ich hatte Anfälle, die unvermindert eine Woche lang anhielten. Es war, als stecke mein Kopf in einem Schraubstock, der stetig ein Stückchen enger zugedreht wird.” Die Zeit der Ruhe, sagt die Mutter dreier Kinder, habe jedes Mal so lange angehalten, bis sie aufhörte zu stillen. Dann stellte sich ihr Folterknecht wieder ein. Oft peinigte er sie so brutal, dass sie sich fragte, ob sie so überhaupt noch weiterleben wolle.

Um ihn loszuwerden, habe sie denn auch wirklich alles getan. Sie schluckte Beta-Blocker und Kalzium-Antagonisten, die ihr ein Neurologe in den achtziger Jahren verschrieben hatte. Sie rannte sich die Seele aus dem Leib, weil Sport vorbeugend wirken sollte. Sie probierte aus, was der Volksmund rät – vom Pestwurz bis zum starken Kaffee mit Zitrone. „Manches half, das andere nicht, und wieder anderes nur zu einem bestimmten Zeitpunkt, der abzupassen allerdings schwer ist, weil kein Anfall dem anderen gleicht.”

Regine Bartenbach-Faul ist mit den Jahren zur Spezialistin für Migräne geworden. Wie selbstverständlich referiert die gelernte medizinisch-kaufmännische Assistentin den neuesten Forschungsstand, wonach der Migräne eine lokale Entzündung der Blutgefäße im Gehirn zugrunde liegt. Sie weiß von den „Triggern” – etwa Stress, Hektik, Termindruck, Wetterwechsel oder Hormonveränderun-gen –, die einen Anfall auslösen können. Sie kennt alle alten und neuen Medikamente, und sie hat einen Rat für alle, die sich einen langen Leidensweg ersparen wollen: „ Möglichst schnell einen guten Schmerztherapeuten finden.”

Nach über 20 Jahren chronischer Schmerzen und ziellosen Herumprobierens hat sie per Zufall eine niedergelassene Anästhesistin mit schmerztherapeutischer Zusatzausbildung getroffen. „Das war mein großer Glücksfall”, sagt sie, weil sie jetzt eine verständige und kompetente Ansprechpartnerin in ihrer Nähe hat. Zuvor hatte sie sich oft verlassen und verzweifelt gefühlt, besonders dann, wenn man sie wegen „dem bisschen Kopfschmerz” nicht ernst nahm.

Systematisch habe die Ärztin ihr einen Weg aus dem Tal der Pein gezeigt. Mit einem Schmerztagebuch hat Regine Bartenbach-Faul ihre persönlichen „Trigger” kennen gelernt und kann ihnen nun mit Entspannungsübungen und Akupunktur entgegenwirken. Sie hat erfahren, welche Medikamente sie wann einnehmen muss: „Wenn ich den richtigen Zeitpunkt erwische”, sagt sie, „reicht manchmal ein Aspirin, um zu verhindern, dass sich der Schmerz im Kopf festkrallt.” Ein schlimmer Anfall, der sie für Tage aus dem Leben wirft, bleibt ihr dann erspart.

Es ist ihr klar, dass man ihre Krankheit nicht heilen kann. Migräneattacken hat sie nach wie vor, wenn auch deutlich weniger. Doch der entscheidende Unterschied zu früher ist für sie, dass es ihr gelungen ist, den Spieß umzudrehen: „Heute hat nicht mehr die Krankheit mich im Griff, sondern ich beherrsche die Krankheit. Und damit kann ich gut leben.”

Claudia Eberhard-Metzger

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