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Tolle Film-Karriere

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Tolle Film-Karriere

MÄRZ 1998 – am Freitag, den 13.: Aus einer Laune entschlossen sich zwei Physiker der Universität Mannheim, Dr. Steffen Noehte und Matthias Gerspach, zu einem ziemlich schrägen Experiment mit einer handelsüblichen Rolle „tesa Multi-Film kristall-klar“. Das übel beleumundete Datum brachte ihnen Glück. Es gelang ihnen, mithilfe eines Lasers auf dem zusammengerollten, zehn Meter langen Klebefilm Daten zu speichern. Eine Überschlagsrechnung ergab: Auf eine Rolle Tesafilm passen theoretisch 15-mal mehr Daten als auf eine CD-ROM.

Die Medien stürzten sich auf die Nachricht, erklärten die „ Tesa-ROM“ gar zum Datenspeicher der Zukunft. Stern-TV und Knoff-hoff-Show demonstrierten die wundersame neue Eigenschaft des Tesafilms, 150000 Leser der Zeitschrift ComputerBILD wählten Noehte 1999 zum Sonderpreis-Sieger des Wettbewerbs „Goldener Computer“.

Aber auch kritische Stimmen gab es zuhauf. Das Nachrichtenmagazin Spiegel hatte von dem Mannheimer Experiment erstmals 1998 in einer April-Ausgabe berichtet – darum glaubten viele, die Redaktion habe sich einen Ulk erlaubt. Noehte erinnert sich an die vorwurfsvolle Aufforderung von einigen Kollegen, er möge diesen Unsinn doch endlich korrigieren: „Du bist doch nicht der Typ, der monatelang einen Aprilscherz aussitzt.“

Erst ab 2000 wurde es ruhig um die mögliche zweite Karriere des Tesafilms als Datenspeicher. Es schien, die Zweifler hätten Recht behalten – bis zum 13. November 2003. Seit diesem Tag können Unternehmen bei der tesa scribos GmbH in Heidelberg – Noehte ist einer der Geschäftsführer – ein komplettes System für Fälschungsschutz und sichere Produktverfolgung erwerben. Noehte hatte seine Forschungsarbeit zunächst im European Media Laboratory Heidelberg vorantreiben können. Für die Kommerzialisierung seiner Technologie wurde dann Ende 2001 tesa scribos gegründet, wo zurzeit rund 40 Mitarbeiter beschäftigt sind.

Im Zentrum der „Holospot“ getauften Technologie: Kleine Punkte aus transparentem Klebefilm, individuell beschrieben mit Mikroschrift oder mit computererzeugten Hologrammen. Bei besonders hohen Sicherheitsanforderungen lassen sich zusätzlich verschlüsselte Informationen auf die Holospots übertragen. Das polymere Material der Klebepunkte erlaubt es, auf einem Feld von nur einem Quadratmillimeter Größe ein Kilobyte Daten zu speichern, was einer knappen Seite Text entspricht. Das reicht vollauf, um vielfältige Echtheitsmerkmale auf kleinstem Raum unterzubringen. Der Fälschungsschutz eines Produkts mit einem Holospot kostet wenige Cent. Gefälschte Waren sind nicht nur oft minderwertig, sondern manchmal sogar für den Verbraucher lebensgefährlich – etwa, wenn es sich um unreine Medikamente oder fehlerhafte Maschinenersatzteile handelt. Jährlich entsteht weltweit durch die Nachahmung von Markenprodukten ein geschätzter Schaden von 250 Milliarden Euro.

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„Der Aufwand, die digitalen Hologramme auf den Holospots nachzumachen, wäre immens. So was lohnt sich für Fälscher nicht“, sagt Reinhart Martin, Pressesprecher der tesa AG. Sie ist zu 75 Prozent an der tesa scribos GmbH beteiligt. Die restlichen 25 Prozent halten die zwei Experimentatoren aus Mannheim und zwei weitere Wissenschaftler.

Auch wenn sich die Entwicklungsaktivitäten der jungen Firma zunächst stark auf die Holospot-Technologie konzentrierten, haben die Lenker von tesa scribos die tesa-ROM als Konkurrenz zur CD und zu anderen optischen Datenträgern nicht aus den Augen verloren. Noehte: „Wir wollen die Arbeit daran schon im nächsten Jahr so weit vorangetrieben haben, dass wir Lizenzen vergeben können.“

Frank Frick

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