Spätestens nach 15 Minuten mit diesem Buch wird sich wahrscheinlich jeder nach einem Stück Papier umsehen, aus dem sich eine Tüte falten ließe: eine Schmetterlingstüte, wie sie der deutsche Forschungsreisende Arnold Schultze in den 20er- und 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts benutzte, um seine Sammlung tropischer Falter für den Transport nach Deutschland zu präparieren. Zwar ging der größte Teil dieses entomologischen Schatzes 1939 verloren, als das Schiff, mit dem Schultze aus Südamerika heimfuhr, im Atlantik versenkt wurde. Doch einen Koffer hatte er vorausgeschickt: Die Grafikerin Hanna Zeckau und der Schauspieler Hanns Zischler fanden ihn 2006 im Naturkundemuseum Berlin – mit 18 000(!) getrockneten Schmetterlingen aus dem kolumbianischen Hochland.
Was die beiden mit ihrem Fund anstellten und nach vierjähriger Arbeit präsentieren, ist in jeder Hinsicht sehens- und lesenswert. Da sind die akribisch-schönen Zeichnungen der Falter – aber mindestens ebenso viel Spaß macht es, die Tüten zu studieren, in denen die Insekten steckten: Zeitungen, Rezepte, Telegramme oder herausgerissene Buchseiten ergeben ein buntes Mosaik des frühen 20. Jahrhunderts. Die Tagebücher, Notizen und Aufsätze Schultzes vermitteln lebendig und spannend, was er auf seinen Reisen erlebt hat. Und nicht zuletzt werden auch solche Leser bedient, die gern mit dem Finger auf der Karte historische Expeditionen verfolgen. Jürgen Nakott
Hanna Zeckau, Hanns Zischler DER SCHMETTERLINGSKOFFER Galiani, Berlin 2010 255 S. mit vielen Abb., € 39,95 ISBN 978–3–86971–024–2