Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Wachsen ohne Grenzen

Astronomie|Physik

Wachsen ohne Grenzen

Der Erfinder des Schachspiels war der Legende nach der Inder Sessa Ebn Daher, der das königliche Spiel für den Herrscher Shehram im 3. oder 4. Jahrhundert n.Chr. ersann. Shehram war so begeistert, dass er dem Weisen die Erfüllung eines Wunschs gewährte. Dieser lächelte und bat um nichts weiter als darum, dass ihm auf das erste Feld des Schachbretts ein Weizenkorn gelegt werde, auf das zweite zwei, auf das dritte vier und so fort – immer auf das nächste doppelt so viele wie auf das vorige.

König Shehram soll über diesen scheinbar bescheidenen Wunsch – je nach Überlieferung der Geschichte – verwundert oder ungehalten gewesen sein. Als die Rechenkünstler des Landes nach einer Weile feststellten, dass auf dem Schachbrett insgesamt 18 446 744 073 709 555 615 (18 Trillionen und so weiter) Weizenkörner liegen müssten – ein Vielfaches der damaligen (und auch der heutigen) Jahresproduktion an Weizen weltweit –, gab sich Shehram ein weiteres Mal geschlagen. Wie der Weise Sessa Ebn Daher tatsächlich entlohnt wurde, ist nicht bekannt.

Das Problem, an dem der König Shehram scheiterte, ist das unvorstellbar schnelle exponentielle Wachstum: Auf den Schachfeldern liegen der Reihe nach 1, 2, 4, 8, 16, 32, 64, … Weizenkörner. Mathematisch ausgedrückt liegen auf dem n-ten Feld 2 hoch n minus 1 Weizenkörner. Diese Zahl erhält man, indem man 2 genau (n–1)-mal mit sich selbst multipliziert. Zum Beispiel liegen auf dem vierten Feld 8 Weizenkörner, das ist gleich 2 hoch 3. Auf dem letzten Feld, also dem 64., liegen 2 hoch 63 Weizenkörner. Will man die Weizenkörner auf allen Feldern zusammenzählen, muss man die Summe 1 + 2 + 4 + 8 + … + 263 bilden. Man erhält schließlich 2 hoch 64 minus 1 – und das ergibt die riesige 18-Trillionen-Zahl.

Die Mathematiker sprechen von der „Exponentialfunktion”, die jeder Zahl x die Potenz 2x zuordnet. Während die ersten Schritte harmlos sind, wird die Situation rasch unüberschaubar. Und das gilt nicht nur für den Weizenberg, sondern zum Beispiel auch für das Zellwachstum: Eine Zelle verdoppelt sich nach einer gewissen Zeit. Die beiden neuen Zellen verdoppeln sich nach derselben Zeit. Diese vier Zellen verdoppeln sich wieder, und so weiter. Die Welt gerät nur deswegen nicht aus den Fugen, weil sich die verschiedenen Wachstumsprozesse gegenseitig in Schach halten.

Wenn etwas in jedem Zeitintervall um den gleichen Faktor zunimmt, entsteht exponentielles Wachstum. Es muss sich nicht einmal verdoppeln. Auch kleinste Zuwächse reichen. Ein bekanntes Beispiel: Ein Euro wird an Christi Geburt angelegt zum mickrigen Zinssatz von einem Prozent. Das bedeutet: In jedem Jahr kommt ein Hundertstel dazu. Man denkt zunächst: Das lohnt sich nicht. Aber das Gegenteil ist richtig: Heute wäre aus diesem einen Euro eine halbe Milliarde geworden!

Anzeige

Auch das Wachstum der Weltbevölkerung hat diesen dramatischen Charakter. Wenn man die Zahl der Menschen vom Jahr Null bis heute in ein Koordinatensystem einträgt, erhält man eine Kurve, die sich lange Zeit – bis etwa 1900 – waagerecht an die x-Achse anschmiegt, und dann fast senkrecht nach oben schießt. Inzwischen leben fast sieben Milliarden Menschen auf unserem Planeten.

Noch extremer ist die Zahl des täglichen Zuwachses: Jeden Tag kommt eine Viertelmillion Menschen hinzu. Wohlgemerkt: Das sind nicht die Geburten allein, die Todesfälle sind eingerechnet. Wie drastisch dieses Wachstum ist, zeigt sich, wenn man Naturkatastrophen betrachtet. Große Katastrophen fordern 2000 oder 3000 Tote – in jedem Einzelfall eine Tragödie, aber global gesehen sind diese Verluste in wenigen Minuten aufgeholt. Selbst das verheerende Erdbeben in Haiti mit einer Viertelmillion Toten ist zahlenmäßig innerhalb eines Tages wettgemacht.

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Dossiers
Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Kirsch|lor|beer  〈m. 23; Bot.〉 immergrünes Rosengewächs mit lederartigen Blättern, die gerieben nach bitteren Mandeln riechen: Prunus laurocerasus; Sy Lorbeerkirsche … mehr

Strah|len|pilz  〈m. 1〉 1 〈Med.〉 Angehöriger einer Gruppe von Bakterien, die in langen, verzweigten Fäden wachsen: Actinomycetes 2 pilzförmige Strahlenwolke bei der Explosion von Atombomben, Atompilz … mehr

Ener|gie  〈f. 19〉 1 〈Phys.; Chem.〉 Fähigkeit, Arbeit zu leisten 2 〈allg.〉 Tatkraft, Kraft, Schwung, Nachdruck … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige