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Zum 300. Heft: Nur in Nischen macht sich der teure Exot breit

Allgemein

Zum 300. Heft: Nur in Nischen macht sich der teure Exot breit
Gallium-Arsenid sollte ein neuer Star unter den Materialien für die Mikroelektronik werden. Doch für die meisten Anwendungen kommen nach wie vor Halbleiter-Chips aus Silizium zum Einsatz.

„Wenn von Chips die Rede ist, denkt jeder spontan an Silizium. Doch gerade dort, wo es auf extreme Leistungen ankommt, beginnt ein anderer Stoff, das Silizium zu überflügeln: Gallium-Arsenid.“ Das schrieben Hans Stefan Rupprecht und Roland Diehl in dem Beitrag „Gallium-Arsenid: Das Zeitalter der Superchips“ im August 1989, in der 300. Ausgabe von bdw.

„In einigen Bereichen der Halbleiterindustrie kommt Gallium-Arsenid heute tatsächlich zum Einsatz“, sagt Ken David, Leiter der Bauelemente-Forschung beim weltweit größten Chip-Hersteller Intel in Hillsboro im US-Bundesstaat Oregon.

Chips aus dem Verbindungshalbleiter finden sich da, wo es besonders auf Schnelligkeit, Zuverlässigkeit und Sparsamkeit ankommt. Denn darin liegen die Vorzüge des Werkstoffs: In Gallium-Arsenid (GaAs) können sich Elektronen bis zu 20-mal so schnell bewegen wie in Silizium, dem klassischen Ausgangsmaterial für die Fertigung von Mikrochips. Elektronik-Bauteile aus GaAs lassen sich daher sehr viel schneller schalten als entsprechende Komponenten aus Silizium und können in Sende- oder Empfangsgeräten auch hochfrequente elektromagnetische Radar- und Mikrowellen verarbeiten. Zudem erzeugen sie weniger Rauschen als Silizium und verbrauchen weniger Energie. Daher stecken Chips aus GaAs etwa in Mobiltelefonen, Anlagen zur Nachrichtenübertragung und im Abstandsradar von Oberklassefahrzeugen.

„Auch in der Optoelektronik kommt Gallium-Arsenid häufig zum Einsatz“, sagt Ken David. Denn ein weiterer Vorteil dieses Materials ist, dass es – anders als Silizium – elektrischen Strom und Licht direkt ineinander umwandeln kann. Das wiederum ist eine Voraussetzung für den Bau von Geräten zum Senden und Empfangen von Daten, die per Lichtstrahl über Glasfaserkabel transportiert werden.

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In gewöhnlichen Computern dagegen hat GaAs bisher keinen Einzug gehalten – anders als vor 17 Jahren erwartet: „Gerade im Herzen von Superrechnern werden Gallium-Arsenid-Chips den Takt angeben“, war in dem bdw-Beitrag von 1989 zu lesen. Nicht nur dort, sondern auch in leistungsfähigen PCs, so die Prognose, sollte Elektronik aus dem Verbindungshalbleiter künftig ihren Dienst verrichten – ein Irrtum. „Bei Intel setzen wir derzeit für die Massenfertigung kein Gallium-Arsenid ein“, sagt David. „Zwar forschen wir in unseren Labors an der Machbarkeit und Umsetzung neuer Halbleiter aus Verbindungsmaterialien, aber sie sind noch nicht reif für die Serienfertigung.“

Der Grund für die Schwierigkeiten ist die teure Herstellung. Im Gegensatz zu Silizium lassen sich aus GaAs nur recht kleine Einkristalle züchten. Dadurch kann man pro Wafer – einer aus dem Kristall gesägten dünnen Scheibe – nur wenige Chips fertigen. Das treibt die Kosten in die Höhe. Zudem ließen sich für die Herstellung von Silizium etablierte Fertigungsprozesse und -einrichtungen bislang nicht zur Bearbeitung von Gallium-Arsenid nutzen.

Doch inzwischen bewegt sich etwas. Forschern bei Freescale Semiconductor (einst Motorola Halbleiter) gelang es vor Kurzem erstmals, Chips aus GaAs mit der in der Fertigung von Silizium-Chips üblichen MOSFET-Technologie herzustellen. Das verspricht für die Zukunft sinkende Kosten für Chips aus GaAs. Schon vor fünf Jahren hatte Motorola eine neue Technologie vorgestellt, um Silizium und Gallium-Arsenid auf einem Chip miteinander zu verbinden. „Uns gelang es, Transistoren zu bauen, die gegenüber den heute üblichen aus Silizium um 50 Prozent schneller schalten und dennoch nur ein Zehntel so viel Strom brauchen“, berichtet Intel-Forschungsleiter Ken David über einen weiteren Erfolg bei der Nutzung neuer Materialien. Die Basis für diesen Durchbruch bildet jedoch nicht GaAs, sondern das chemisch verwandte Indium-Antimonid (InSb). Eine Anwendung dieses Materials in Produkten erwartet David aber erst in etwa zehn Jahren.

Auf Leistungssteigerungen mussten die PC-Nutzer in den letzten Jahren auch ohne ein Umsatteln der Chiphersteller von Silizium auf andere Werkstoffe nicht verzichten. So hat sich die Taktfrequenz der jeweils neuesten Prozessoren seit 1989 um den Faktor 50 beschleunigt, die Zahl der Transistoren pro Chip stieg sogar auf das 500fache und beträgt etwa beim Itanium-2-Prozessor von Intel rund 600 Millionen.

Der Grund für diesen rasanten Fortschritt liegt in immer ausgefeilteren Technologien für die Fertigung von Silizium-Chips sowie in gezielten Veränderungen des Siliziums selbst. So verwendet Intel seit rund zwei Jahren so genanntes Strained Silicon, bei dem der Abstand der Atome im Kristallgitter durch Spreizen des Materials vergrößert wurde. Das erhöht die Geschwindigkeit der Elektronen im Silizium – und ermöglicht so den Bau schnellerer Prozessoren. Forscher von Infineon Technologies stellten 2003 einen Chip aus Silizium vor, das mit Germanium-Atomen angereichert wurde. Dieser Silizium-Germanium-Chip kann mit Frequenzen von bis zu 110 Gigahertz betrieben und damit beispielsweise zum Senden und Empfangen von Radarwellen verwendet werden – bislang eine Domäne von Gallium-Arsenid.

„Ich bin zuversichtlich, dass wir mit der Siliziumtechnik auch gängige optoelektronische Bauteile realisieren können“, sagt Ken David. Damit ließe sich sogar die Datenübertragung per Licht künftig mit dem altgedienten Silizium bewerkstel- ligen. Der exotische Werkstoff Gallium-Arsenid scheint also auf dem Rückzug zu sein, noch bevor er sich richtig durchgesetzt hat. Ralf Butscher ■

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