In Indien sind nach Schätzungen von Wissenschaftlern der kanadischen University of Toronto in den vergangenen 20 Jahren rund zehn Millionen weibliche Föten abgetrieben worden. Die Forscher um Prabhat Jha hatten 134 000 Geburten aus dem Jahr 1997 ausgewertet und festgestellt, dass damals 13,1 Millionen Mädchen geboren worden waren. Nach geschlechtsspezifischen Studien von Geburtenraten in anderen Ländern hätten es jedoch zwischen 13,6 und 13,8 Millionen sein müssen. Dieses Defizit rechnete Jha auf die letzten zwei Jahrzehnte hoch, da ab Mitte der Achtzigerjahre die Geschlechtsbestimmung durch Ultraschall in Indien populär ist. Auffällig ist, dass Ehepaare, deren erstes Kind bereits ein Mädchen war, besonders selten als zweites Kind eine Tochter bekamen. Zwar ist in Indien die Abtreibung nach geschlechtsspezifischen Kriterien seit 1994 verboten, allerdings halten sich viele Ärzte nicht an dieses Gesetz. Söhne sind auf dem Subkontinent immer noch prestigeträchtiger als Töchter.
Jha warnt davor, Jungen zu bevorzugen. In China, wo Jungen ebenfalls begehrter sind, finden inzwischen Millionen Junggesellen durch den Frauenmangel keine Ehefrau mehr. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Männer ohne eine feste sexuelle Beziehung vermehrt Prostituierte aufsuchen, was wiederum die Ausbreitung von Aids begünstige.