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Pulsare – Leuchtfeuer im All

Allgemein

Pulsare – Leuchtfeuer im All
Auf der Jagd nach blinkenden Sternenleichen. Für die Astronomen liegt in den Pulsaren der Schlüssel zu vielen Geheimnissen des Alls, auch zu den Planeten um fremde Sterne.

Über 100 Millionen Neutronensterne vermuten die Astronomen allein in unserer Milchstraße – doch nur die wenigsten dieser Sternleichen lassen sich als Pulsare von der Erde aus beobachten. Mit dem Radioteleskop des Parkes-Observatoriums in Australien fahndet zur Zeit ein internationales Team von Himmelsforschern systematisch nach den exotischen Objekten – mehrere Hundert haben sie bereits aufgespürt. Ende letzten Jahres konnten die an dem Projekt beteiligten Radioastronomen aus Australien, England, Italien und den USA die Entdeckung des 1000sten Pulsars melden. Über 200 davon gehen auf das Konto ihrer eigenen Beobachtungen seit über einem Jahr an der 64 Meter großen Parkes-Antenne. Die Forscher setzen bei ihrer Suche nach den Sternleichen ein neues Zusatzgerät ein, den “Multibeam Receiver” (Mehrstrahl-Empfänger). Während sich normalerweise mit einer Antenne stets nur ein schmaler Streifen – etwa von halber Vollmondbreite – am Himmel absuchen läßt, kann der Multibeam Receiver 13 Streifen auf einen Schlag vermessen und analysieren – und entsprechend mehr Pulsare aufspüren. “Es ist, als würde ein Dutzend Radioteleskope gleichzeitig beobachten”, begeistert sich einer der beteiligten Forscher, der englische Astronom Andrew Lyne. So kommen die Wissenschaftler auf etwa einen Pulsar pro Stunde Beobachtungszeit. Bis Mitte dieses Jahres hatten sie die Liste der bekannten Pulsare schon um weitere 600 verlängert. Neutronensterne sind Reste von Sternenexplosionen. In ihnen ist die Materie so dicht gepackt wie in den Kernen der Atome. Schon vor über 60 Jahren äußerten die beiden Astronomen Walter Baade und Fritz Zwicky die Vermutung, es könne Sterne geben, die nur aus Neutronen bestehen. “Bei allem Vorbehalt”, schrieben sie 1934 in einem Fachaufsatz, “bevorzugen wir die Ansicht, daß eine Supernova den Übergang von einem gewöhnlichen Stern zu einem Neutronenstern darstellt.”

Wenn unsere Sonne in rund fünf Milliarden Jahren ihren Vorrat an Kernbrennstoff verbraucht hat und das Fusionsfeuer in ihrem Inneren erlischt, wird sie – nach kurzem Aufblähen zu einem roten Riesenstern – in sich zusammensacken und als “Weißer Zwerg” langsam auskühlen. Große Sterne, deren Masse die der Sonne um mehr als das Achtfache übertrifft, machen mehr Aufhebens: Sie hauchen ihr Leben in einer gewaltigen Explosion aus – in einer “Supernova”, bei der ein großer Teil ihrer Materie ins All hinausgeschleudert wird. Der innere Kern des Sterns bricht dabei zusammen: Je nach Masse bildet sich entweder ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch. Neutronensterne haben einen Durchmesser von nur wenigen Kilometern, und in ihrem Inneren herrscht ein gewaltiger Druck: Die Elektronen werden förmlich in die Protonen hineingepreßt, die sich dadurch nahezu vollständig in Neutronen verwandeln. Ein Stück der konzentrierten Neutronen-Materie von der Größe eines Zuckerwürfels würde 100 Millionen Tonnen wiegen! Über 30 Jahre lang blieben Neutronensterne ein Steckenpferd der Theoretiker – niemand rechnete damit, daß sich diese dunklen, kalten Objekte tatsächlich beobachten ließen. Das änderte sich 1967: Anthony Hewish und seine Mitarbeiterin Jocelyn Bell am Mullard Radio Astronomy Observatory der Universität Cambridge stießen auf eine seltsame pulsierende Radioquelle. Alle 1,337 Sekunden schickte sie einen Strahlungsblitz zur Erde. Die beiden Forscher waren zunächst ratlos. Sie dachten sogar an Signale außerirdischer Intelligenzen, weil die kosmischen Pulse mit verblüffender Regelmäßigkeit ankamen. Innerhalb weniger Monate hektischer Forschungsaktivität kam jedoch des Rätsels Lösung ans Licht: Hewish und Bell hatten erstmalig die Strahlung eines Neutronensterns aufgespürt.

Die pulsierende Radiostrahlung wird durch einen Effekt verursacht, den die Theoretiker bis zur Entdeckung des ersten Pulsars übersehen hatten: die stark gebündelte Aussendung von Strahlung durch elektrisch geladene Teilchen, die mit nahezu Lichtgeschwindigkeit durch das Magnetfeld des Neutronensterns rasen. Beim Kollaps eines Sterns wird sein magnetisches Feld enorm komprimiert und dadurch verstärkt – die Feldstärke übertrifft die des irdischen Magnetfelds um das Billionenfache. Außerdem beschleunigt sich die Eigendrehung des Sterns beim Zusammenbruch – wie bei einer Eiskunstläuferin, die bei einer Pirouette ihre Arme anzieht. Neutronensterne drehen sich in jeder Sekunde mehrmals um ihre Achse. Da das Magnetfeld (im Bild oben durch den hellen Strahl angedeutet) jedoch schräg zur Rotationsachse steht, dreht sich das entlang der magnetischen Achse ausgesendete Strahlenbündel des Neutronensterns wie das Signalfeuer eines Leuchtturms – und nur wenn unser Sonnensystem zufällig in der richtigen Richtung liegt, werden die Radio-Antennen regelmäßig von diesem Funkfeuer getroffen: Der Neutronenstern wird als Pulsar sichtbar. Die Lebensdauer der kosmischen Leuchttürme ist nach astronomischen Maßstäben kurz: Nach rund 20 Millionen Jahren hat die Rotation soweit abgenommen und ist das Magnetfeld so schwach geworden, daß der Pulsar verstummt. Rund 200000 Pulsare, so schätzen die Fachleute, gibt es in unserer Galaxis, die meisten davon können jedoch nicht beobachtet werden, weil sie entweder zu weit entfernt sind oder weil ihre Strahlenkegel an der Erde vorbeilaufen.

In den Jahrzehnten seit ihrer Entdeckung waren die Pulsare für viele Überraschungen gut. Da gibt es welche, die im Sekundentakt Röntgenblitze emittieren, andere, die mit bis zu 1000 Umdrehungen pro Sekunde rotieren, und schließlich gar Pulsare mit Planeten. Viele Sterne sind Mitglieder von Doppelstern-Systemen, und so erstaunt es nicht, daß auch ihre “Leichen” häufig in Begleitung eines weiteren Sterns sind. In solchen Fällen kann der Neutronenstern seinem Partner Materie entreißen, und wenn dieses Gas entlang der Feldlinien auf die magnetischen Pole des Neutronensterns herabfällt, bilden sich dort 100 Millionen Grad heiße “Hotspots”. Diese heißen Zonen senden Röntgenstrahlung aus, die durch die rasche Rotation wiederum gepulst die irdischen Beobachter erreicht. Die einfallende Materie kann außerdem die Rotation des Neutronensterns beschleunigen – vermutlich entstehen gerade so die Millisekunden-Pulsare, die sich hundertmal schneller als normale Pulsare drehen. Eine der größten Überraschungen der Pulsarforschung war zweifellos, als Alexander Wolszczan von der Pennsylvania State University 1991 behauptete, er habe einen Planeten bei dem Pulsar PSR 1257+12 nachgewiesen. Normalerweise treffen die Pulse der Neutronensterne mit der Genauigkeit eines Uhrwerks auf der Erde ein, doch bei PSR 1257+12 stieß Wolszczan auf eine Schwankung des Pulsar-Timings mit einer Periode von 25,3 Tagen. Der Astronom erklärte diese Oszillation mit der Schwerkraftwirkung eines Planeten auf den Pulsar, die durch den Doppler-Effekt die Pulse des Neutronensterns mal verlangsamt, mal beschleunigt. Zunächst waren die Beobachtungen Wolszczans heftig umstritten – ihm wurde vorgehalten, die Schwankungen seien lediglich eine Art kosmischer Fata Morgana, hervorgerufen durch Schwankungen im Sonnenwind -, doch inzwischen sprechen neuere Daten für drei oder gar vier Planeten bei PSR 1257+12. Und auch bei einem anderen Pulsar, PSR 1620-26, wurden ähnliche, auf einen Planeten deutende Schwankungen nachgewiesen. Es ist den Astronomen bislang völlig schleierhaft, wie Planeten den kataklysmischen Todeskampf ihres Zentralgestirns überstehen können. Vielleicht handelt es sich aber auch um Gebilde, die erst nach der Explosion des Sterns, vielleicht aus seinen Trümmern, entstanden sind. Das Rätsel der Pulsar-Planeten und die vielen anderen Geheimnisse der kompakten Schwergewichtler lassen sich nur lösen, wenn die Astronomen eine große Zahl von Pulsaren in allen Stadien ihrer Entwicklung beobachten können. Eine gezielte Suche nach Pulsaren, wie sie am Parkes Observatorium betrieben wird, ist daher für die Erforschung der exotischen Objekte von immenser Bedeutung. Darüber hinaus setzen die Pulsar-Sucher auf einen ganz besonderen Fang: “Wir hoffen einen Pulsar zu finden, der um ein Schwarzes Loch kreist”, erklärt der australische Radioastronom Dick Manchester: “Die Theorie sagt voraus, daß im Mittel jeder 1000ste Neutronenstern Mitglied eines solchen exotischen Paares ist.” Die Chancen stehen also gut. Die extreme Anziehungskraft eines Schwarzen Lochs verzerrt in seiner Umgebung den Raum und die Zeit. Mit den regelmäßigen Radiopulsen eines Neutronensterns könnten die Astronomen erstmals diese Verzerrungen durchleuchten und so die Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie Albert Einsteins praktisch vor Ort überprüfen.

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