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Wer knackt die Weltformel?Europa wird das Heft in die Hand nehmen

Allgemein

Wer knackt die Weltformel?Europa wird das Heft in die Hand nehmen
Die heutigen Beschleuniger und Speicherringe sind teure Großprojekte, ihre Nachfolger politisch nur schwer durchsetzbar. Wo die Reise in Zukunft hingehen könnte, beschreibt Teilchenforscher Prof. Siegfried Bethke.

bild der wissenschaft: Teilchenbeschleuniger werden immer teurer. Welche Ergebnisse erhoffen Sie sich von der nächsten Generation, die diese Ausgaben rechtfertigen können?

Bethke: Es gibt viele grundlegende Fragen, die wir bisher nicht beantworten können. So suchen wir noch immer nach dem Higgs-Teilchen. Außerdem können wir an großen Beschleunigern Bedingungen herstellen, wie sie im sehr frühen Universum geherrscht haben. Damals gab es vielleicht Teilchen, die wir heute nicht mehr kennen, etwa supersymmetrische Spiegelpartner der bekannten Teilchen wie Quarks und Elektronen. Man vermutet, daß sich die supersymmetrische Welt erst bei extrem hohen Energien auftut. Um dort einzudringen, brauchen wir die großen Beschleuniger.

bdw: Wieso plant man in Genf und Hamburg zwei dieser teuren Beschleuniger parallel zueinander? Wäre einer nicht genug?

Bethke: Die beiden ergänzen sich in idealer Weise. Mit dem LHC, wo Protonen zusammenstoßen werden, kann man sehr hohe Energien erzeugen. Er wird eine echte Entdeckungsmaschine sein, an der man neue Teilchen erzeugen kann. Der Nachteil: Man schießt sozusagen Tomaten auf Tomaten – denn Protonen sind keine Elementarteilchen, sondern sie bestehen aus Quarks und Gluonen. Deshalb ist der Zusammenstoß recht unbestimmt. Elektronenbeschleuniger wie TESLA sind im Vergleich dazu Präzisionsmaschinen. Zwar erreicht man nicht die extrem hohen Energien wie beim LHC, aber man kann mit enormer Genauigkeit messen.

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bdw: Gibt es noch andere Anlagen auf der Welt, die in Zukunft eine wichtige Rolle auf diesem Gebiet spielen könnten?

Bethke: Vor kurzem ging das ausgebaute Tevatron am Fermilab bei Chicago in Betrieb. Wenn die Kollegen mit dieser Maschine Glück haben, könnten sie in den kommenden Jahren vielleicht das Higgs-Teilchen finden. Ab 2006 wird aber der europäische LHC in der Physik das Heft in die Hand nehmen.

bdw: Welche Entdeckungen erwarten Sie als erstes vom LHC?

Bethke: Wenn das Higgs-Teilchen existiert, dann werden wir es am LHC garantiert kurz nach dem Einschalten finden.

bdw: Können Sie sich vorstellen, daß es irgendwann eine Maschine geben wird, die Higgs-Teilchen am laufenden Band produziert, ähnlich, wie man es schon mit Antimaterie kann?

Bethke: Eine Higgs-Fabrik? Ja, das könnte man machen. Dazu wäre eine Maschine ideal, die noch weit in der Zukunft liegt, über die aber viele Kollegen schon ganz aufgeregt nachdenken. Man würde in ihr nicht Elektronen und Positronen aufeinanderschießen, sondern Myonen und ihre Antiteilchen. Durch die Kollision von Myonen könnte man das Higgs-Teilchen direkt erzeugen. Wenn man dagegen Elektron und Positron aufeinanderprallen läßt, entsteht dieses so gut wie nie direkt, sondern immer nur auf Umwegen.

bdw: Angenommen, die LHC-Experimente liefern weder Higgs- noch supersymmetrische Teilchen. Was würde das bedeuten?

Bethke: Zugegeben, das wäre eine Katastrophe für die Theoretiker, denn wir hätten kein funktionierendes Modell mehr. Dann müßte man sich viele neue Fragen stellen, zum Beispiel: Warum haben die bisherigen Theorien die Welt so gut beschrieben? Für die Öffentlichkeit sähe das schlecht aus: Man investiert Milliarden, um nichts zu finden. Aber für die Physiker wäre es vielleicht sogar aufregender, wenn man kein Higgs-Teilchen entdecken würde, als wenn man es fände.

bdw: Wäre die Teilchenphysik damit am Ende?

Bethke: Nein. Meines Erachtens wäre TESLA als Präzisionsinstrument hier ein wichtiger Faktor: Mit ihm kann man neue Teilchen, wenn man sie findet, sehr präzise vermessen. Und wenn man sie nicht aufspürt, könnte man herausfinden, warum das so ist. So ist TESLA für alle Szenarien wichtig.

bdw: Was kommt nach LHC und TESLA?

Bethke: Die Astroteilchenphysik ist eine Gangrichtung für die Zukunft. Wir werden Detektoren mit der Technologie und dem Know-how der Teilchenphysik bauen und damit hinaus ins Weltall schauen – etwa in großen Luftschauer-Experimenten –, um kosmische Teilchen zu untersuchen, die eine so hohe Energie besitzen, wie wir sie in keinem Beschleuniger herstellen könnten.

Brigitte Röthlein

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