Dies ist das spannendste Werk über Troja seit Schliemanns Grabungstagebuch. Der Basler Homer-Experte bietet brandaktuelle Erkenntnisse aus allen beteiligten Wissensdisziplinen. Latacz kann dabei aus dem vollen schöpfen, denn die Troja-Forschung hat in den letzten Jahren viele neue Erkenntnisse gewonnen. Das macht den ersten Teil des Buches, schlicht „Troia“ betitelt, zu einer überzeugenden Antwort auf – fast – alle Fragen um die mythische Stadt an den Dardanellen. Schon das ist die Lektüre wert.
Für mich ist die zweite Buchhälfte, „Homer“ überschrieben, der spannendere Teil. Hier ist Latacz auf seinem Felde, der Philologie, und präsentiert seine eigenen Forschungen. Mit großer Geduld führt er den Leser durch die Labyrinthe von Sprachverschiebungen, Versmaßen und Sängertraditionen. Er erläutert, was Homer in der Ilias tatsächlich erzählt – nämlich nicht den Trojanischen Krieg –, er belegt, daß die Ilias-Geschichte älter ist als Homer, und er untermauert, wie die mündliche Überlieferung ein Geschehen über Jahrhunderte tragen kann (was viele für unmöglich hielten).
Mit einem kleinen Konjunktiv kommt Latacz zu dem Ergebnis: Es hat den einen, alles vernichtenden Trojanischen Krieg wohl gegeben. Latacz ist in seiner Beweisführung wissenschaftlich hyperkorrekt, ohne den nicht-wissenschaftlichen Leser zu vergrätzen. Das alles ist verpackt in einer angenehm gepflegten Sprache, die selbst verzwickte Zusammenhänge transparent macht. Ich habe lange kein Buch mit solchem intellektuellem Vergnügen gelesen.
Joachim LataczTROIA UND HOMERKoehler & Amelang, München 2001 304 S., DM 39,80ISBN 3-7338-0229-2
Michael Zick