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Mit Strom ins Internet

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Mit Strom ins Internet
Energieversorger hoffen auf ein lukratives Geschäft, Funkamateure und Rundfunkanstalten befürchten ein Störfeuer aus dem Stromnetz. Selten ist eine Technologie so zwiespältig aufgenommen worden wie Powerline – das „Internet aus der Steckdose“. Seit kurzem sind die ersten Kunden am Netz.

Der Startschuß war kaum hörbar: Ganze 350 Kunden zählte RWE Powerline, eine Tochter des Energiekonzerns RWE, zwei Wochen nachdem sich in Essen und Mülheim das Tor zum Internet via Stromnetz geöffnet hatte. Mit ähnlich wenigen Powerline-Pionieren brachte auch die MVV Energie in Mannheim Anfang Juli die Technologie ans Netz. Bis Ende des Jahres soll die Zahl der Nutzer jedoch auf 3000 steigen.

Ob Powerline sich gegen andere High Speed-Internetzugänge – wie T-DSL der Deutschen Telekom oder die Fernsehkabelbuchse – wird durchsetzen können, steht in den Sternen. Doch die Vorteile, mit denen Anbieter von Powerline die Technologie anpreisen, klingen verheißungsvoll: eine bis zu 30mal so hohe Geschwindigkeit beim Laden von Daten aus dem World Wide Web als mit ISDN, ein Zugang ins Netz von jeder Steckdose im Haus, eine Standleitung auf die weltweite Datenautobahn, ohne lästige Einwahl ins Telefonnetz – und ohne die Telefon- und Faxleitung zu blockieren.

Nach einem Jahr Testbetrieb hält Klaus Wertel, Pressesprecher der Energie Baden-Württemberg (EnBW) in Karlsruhe, Powerline für „ technisch ausgetestet“. Nun geht es darum auszuloten, wie die Technologie von den Kunden aufgenommen wird. EnBW tut dies in dem ostwürttembergischen Städtchen Ellwangen, wo EnBW-Kunden ab September über die Stromleitung im Internet surfen, Daten und E-Mails empfangen können. „Das Resultat dieses Tests entscheidet darüber, ob wir die Technologie flächendeckend anbieten werden“, sagt Wertel.

Die Akzeptanz dürfte davon abhängen, ob sich Powerline gegenüber der Konkurrenz rechnet. Dafür wiederum ist entscheidend, wie oft und wie intensiv man das Internet nutzt. Denn abgerechnet wird nicht nach der im Web verbrachten Zeit, sondern nach der Menge der übertragenen Daten. So bietet RWE Powerline seinen Kunden mehrere Pakete an, für die neben einer einmaligen Anschlußgebühr und dem Preis der benötigten Modems ein monatlicher Festbetrag für eine maximale Datenmenge bezahlt werden muß. Zum Beispiel müssen die Kunden für die Übertragung von 250 Megabyte – das entspricht etwa 2500 E-Mails mit angehängtem Word-Dokument oder 60 MP3-Musikdateien – monatlich 49 Mark berappen. Jedes weitere Megabyte schlägt dann aber mit saftigen 13,9 Pfennigen zu Buche. MVV Energie bietet 1000 Megabyte für 66,30 Mark, jedes zusätzliche kostet 3,72 Pfennige.

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Die Idee hinter Powerline ist ebenso einfach wie genial: Die vorhandenen Stromleitungen werden genutzt, um Daten zu übertragen. Der Vorteil: Keine neue Infrastruktur muß aufgebaut werden, sondern das Stromnetz muß lediglich mit dem Internet verknüpft, und die Daten müssen für die Übertragung per Stromkabel aufbereitet werden. Dazu verwendet Powerline eine Vielzahl von Frequenzen zwischen einem und 30 Megahertz, auf die die digitalen Signale verteilt werden. Über die Kupferkabel des Stromnetzes gelangen die Daten dann vom Powerline-Netzknoten zu den Nutzern. Mit den derzeit verfügbaren Modems ist eine Übertragungsrate von 2 Megabit pro Sekunde erreichbar – das ist 31mal schneller als die 64 Kilobit pro Sekunde eines ISDN-Anschlusses und immer noch fast dreimal so schnell wie eine Verbindung über T-DSL. Nächstes Jahr sollen neue Modems die Geschwindigkeit auf 10 Megabit pro Sekunde steigern.

Ob ein Internet-Surfer beim Herunterladen von Musik oder Videoclips die volle Geschwindigkeit nutzen kann, hängt davon ab, wie viele andere Powerline-Nutzer in der Nachbarschaft ebenfalls im Web nach Daten fischen. Denn alle an einem Netzknoten hängenden Stromnutzer – in der Regel etwa 100 – teilen sich die Kapazität der Leitungen. „Da aber nur ein Teil der Stromkunden Powerline nutzen wird und man statistisch eine Netzauslastung von 10 bis 15 Prozent erwarten kann, ergibt sich im Schnitt immer noch eine Datenrate von rund 500 bis 800 Kilobit pro Sekunde“, sagt Dirk Alsentzer, Produktmanager bei Power PLUS Communications, einer Tochter von MVV Energie und dem israelischen Technologie-Unternehmen Main.Net.

Neben einem Internetzugang wollen die meisten Anbieter ihren Kunden bald auch die Möglichkeit bieten, über das Stromnetz zu telefonieren. „Spätestens Anfang 2002 werden wir diesen Service zur Verfügung stellen“, sagt Alsentzer. Bei RWE Powerline hat man ähnliche Pläne in der Schublade.

Der Grund, daß das Telefonieren übers Stromnetz erst einige Monate nach dem Internetzugang angeboten wird, liegt bei den bislang benötigten IP-Telefonen, die sich die Powerline-Kunden extra anschaffen müßten – ein teures Vergnügen, das sich wohl kaum jemand leisten würde. „In den nächsten Monaten werden Konverter verfügbar sein, die in das Powerline-Modem integriert werden und es erlauben, ein gewöhnliches Telefon zum Telefonieren über das Stromnetz zu verwenden“, verspricht Alsentzer.

Schon der Startschuß für die Internet-Nutzung via Stromkabel hatte sich verzögert, weil die erforderliche Hardware noch nicht ausgereift war. Erst auf der CeBIT im März präsentierten Hersteller wie die Baseler Firma Ascom erste serienreife technische Lösungen. Ein weiterer Grund für das monatelange Warten auf Powerline waren fehlende gesetzliche Regelungen für die Verwendung der Frequenzen von 1 bis 30 Megahertz.

Diese Frequenzen werden seit langem eifrig genutzt – etwa von Rundfunksendern, die über Kurzwelle ihre Programme in alle Welt verbreiten. Der Schiffsverkehr, militärische Einrichtungen und Sicherheitsdienste wie Polizei und Feuerwehr funken ebenfalls auf Megahertz-Frequenzen. Fluggesellschaften nutzen die Kurzwelle, um Kontakt zu ihren Flugzeugen zu halten. Dieser rege Funkverkehr, fürchten Experten, könnte durch Powerline-Felder erheblich beeinträchtigt werden.

Ein Gesetz, das seit Juli Grenzen für die Störabstrahlung durch elektrische Leitungen vorgibt – und damit den Startschuß für Powerline ermöglichte – stößt nicht nur auf Gegenliebe. Anders als Telefonkabel sind die Stromleitungen nicht gegen hochfrequente elektromagnetische Felder abgeschirmt, kritisiert Karl-Erhard Vögele, Vorsitzender des Deutschen Amateur Radio Clubs (DARC). „Die Leitungen werden so zu Antennen, die diese Frequenzen in den Äther strahlen.“ Die Funkamateure gehören zu den lautstärksten Gegnern der Powerline-Technologie. Auch sie senden und empfangen auf Frequenzen, die für die Datenübertragung genutzt werden dürfen. Die Störungen könnten Funkdienste in ihrer Existenz gefährden, fürchtet Vögele.

Ganz so weit wollen die Rundfunkbetreiber nicht gehen. Trotzdem sind auch die Forscher am Münchner Institut für Rundfunktechnik (IRT), die im Auftrag von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Verträglichkeit von Powerline mit dem Rundfunkempfang untersucht haben, skeptisch: Selbst beim Einhalten der gesetzlichen Grenzwerte sei mit erheblichen Störungen zu rechnen, heißt es in dem Ende Februar vorgelegten Abschlußbericht.

Dirk Alsentzer widerspricht vehement: „Während eines einjährigen Tests in Mannheim wurden keine Probleme mit Funkanwendungen festgestellt.“ Trotzdem könnte die Störfestigkeit über das Schicksal der Powerline-Technologie entscheiden. Denn die Stromkabel strahlen nicht nur Felder nach außen ab. Sie wirken zugleich wie Empfänger für Funksignale aus der Umgebung, und auch ans Stromnetz angeschlossene elektrische Geräte können die Kommunikation beeinträchtigen.

Vom World Wide Web zur Steckdose

Powerline nutzt die „letzte Meile“ des Stromnetzes – den Übertragungsweg zwischen der Ortsnetzstation und den angeschlossenen Häusern. In der Ortsnetzstation wird für Powerline zusätzlich eine Netzwerk-Einheit

angebracht, die das Stromnetz mit dem Telekommunikationsnetz verknüpft – und so einen Zugang zum Internet schafft. Die Daten aus dem Internet speist ein Koppler in das Stromnetz ein und schickt sie mit Frequenzen von mehreren Megahertz in die angeschlossenen Gebäude. Dort empfängt eine Hausanbindung die Signale und schickt sie auf die Leitungen des hausinternen Stromnetzes. An jeder Steckdose können die Internet-Daten dann empfangen werden. Man braucht dazu lediglich ein spezielles Powerline-Modem, das über einen USB-Anschluß mit dem Rechner oder Telefon verbunden wird.

Ralf Butscher

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