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Welt im Wandel

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Welt im Wandel

Die Klimaforschung hat in den letzten beiden Jahrzehnten enorme Fortschritte gemacht.Weil so viele Faktoren des Systems Erde das Klima auf höchst unterschiedlichen Zeit- und Raumskalen beeinflussen – von der Bahn des Globus um die Sonne über die Plattentektonik, die Stärke des Erdmagnetfeldes bis zur modernen Zivilisation der Menschen –, kann die Klimaforschung mit Computermodellen prinzipiell keine Klimavorhersagen erstellen, sondern lediglich Szenarien einer möglichen Entwicklung. Die Ergebnisse sind zwar zuverlässig, aber sie beruhen eben auf vielen Schätzungen und Annahmen. Sie enthalten folglich Unsicherheiten.

Naturwissenschaftler werden niemals sämtliche Wechselwirkungen zwischen den Komponenten des Systems Erde exakt berechnen können. Eine echte Klimavorhersage wird es daher auch in Zukunft nicht geben. Ihre Szenarien können Forscher zwar optimieren und näher an realistischere Zukünfte rücken, wenn sie die verschiedenen Subsysteme des Systems Erde möglichst gut analysieren. Doch die Wechselwirkungen können sie nur verstehen, wenn sie alle Teile des Ganzen – vom Erdkern bis zum All – genau studieren.

Wenn die Politik von Wissenschaftlern fordert, die Grundlagen für ihre Entscheidungen zu liefern, bedeutet dies mit Bezug auf den aktuellen Stand der Klimaforschung, Entscheidungen zu treffen auf Basis unsicheren Wissens. Wer sich in seinen Forderungen auf eine Begrenzung des Temperaturanstiegs auf zwei Grad Celsius beschränkt, täuscht damit eine Sicherheit vor, die es im komplexen System Erde nicht geben kann.

Zudem greift eine solche Forderung zwangsläufig zu kurz in einer Welt, in der es sehr unterschiedliche Länder mit sehr verschiedenen Interessen gibt: Manche tragen viel zum anthropogenen Anteil des aktuellen Klimawandels bei, leiden aber wenig unter veränderten Bedingungen oder profitieren sogar von ihnen. Andere dagegen produzieren kaum Treibhausgase, sehen sich aber mit gravierenden Auswirkungen konfrontiert, die ihnen ein verändertes Klima bringt – gerade im Kontext anderer Entwicklungen, wie Demografie, Urbanisierung, Rohstoffknappheit und verstärkter Globalisierung.

Solche aus Sicht des Menschen negativen Klimaveränderungen – unabhängig ob natürlichen oder anthropogenen Ursprungs – zeigen sich nicht nur als steigende Meeresspiegel oder schmelzende Gletscher, sondern können auch gesellschaftliche Krisen auslösen. Letzteres belegen historische Analysen eindrucksvoll.

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Dürren FÜHREN ZU UNRUHEN

So gibt es eindeutige Indizien für einen Klimawandel, der die Hochkultur der Maya auf der Halbinsel Yukatan im heutigen Mexiko vor 1200 Jahren wohl an ihrem empfindlichsten Punkt traf. Schon seit vielen Jahrzehnten regnete es dort immer weniger, und das Wasser in den Reservoiren reichte zunächst gerade noch, um die Felder zu bewässern. Als eine Dürre etliche Jahre anhielt, verschärfte sich die wirtschaftliche Lage zusehends, und es kam zu großen inneren Unruhen. Schließlich ging die regionale Großmacht unter.

Forscher von der Columbia University in New York haben 2011 untersucht, ob solche Kausalketten heute noch möglich sind. Dazu analysierten sie Zeiten, in denen die Klimaanomalien El Niño und La Niña von der südamerikanischen Pazifikküste ausgehend das Wetter in etlichen Weltregionen verändert haben.

Für Indonesien, Australien, den Regenwald im Amazonasbecken und Teile des südlichen Afrikas bedeutet El Niño außergewöhnliche Trockenheit. Gleichzeitig treten im Golf von Mexiko und im tropischen Nordatlantik weniger Wirbelstürme auf. Bei La Niña sind die Verhältnisse umgekehrt. Zwischen 1950 und 2004 brachen in den von diesen natürlichen Klimaanomalien beeinflussten Regionen in El Niño-Jahren rund doppelt so häufig Unruhen und Bürgerkriege aus wie in La Niña-Perioden. In den nicht von der Klimaanomalie beeinflussten Ländern dagegen blieb die Wahrscheinlichkeit für den Ausbruch innerer Unruhen konstant unterhalb des niedrigen La Niña-Niveaus.

Anscheinend wirken verschiedene Faktoren in den El Niño-Jahren komplex zusammen. Dürreperioden verursachen Missernten. Existieren gleichzeitig gesellschaftliche Spannungen – etwa weil die Unterschiede zwischen Arm und Reich sehr groß sind –, verstärkt der Ernteausfall diese Disparität. Reiche Länder wie Australien greifen den Betroffenen unter die Arme. In armen Ländern wie Peru dagegen kann der Staat nur wenig Hilfe leisten. Dort vernichtete 1982 ein starker El Niño die Ernte im Hochland, was eine Reihe von sozialen Probleme verschärfte und schließlich zu einem Bürgerkrieg führte. Ähnliches geschah 1972 in El Salvador und auf den Philippinen, 1991 in Angola und 1997 in Ruanda und im Kongo.

KANN MAN DAS KLIMA STABILISIEREN?

Der klassische Blick auf das Klima als ein eigenes System, das in der Regel als 30-jähriges Mittel der atmosphärischen Zustandsgrößen dargestellt wird, lässt zwangsläufig die Idee entstehen, man bräuchte nur die passenden Stellschrauben zu drehen und könne damit das Klima stabilisieren.

Aber die Natur geht mit dieser linearen Betrachtungsweise nicht konform. Durch den Temperaturanstieg der letzten 100 Jahre beispielsweise sollte sich das Volumen der Ozeane und Meere ein wenig ausdehnen und die Wasserspiegel sollten steigen. Auch die in den Hochgebirgen schmelzenden Gletscher vergrößern die Wassermengen in den Ozeanen. In der Südsee ist der Meeresspiegel tatsächlich seit 1951 um bis zu zwölf Zentimeter gestiegen.

Wachsende PazifikInseln

Bisher nahm die Forschung an, dass die Inseln im Meer daher langsam untergehen würden. Als Paul Kench von der Universität von Auckland in Neuseeland und Arthur Webb von der Kommission für Angewandte Geowissenschaften in der Hauptstadt der Fidschi-Insel-Republik Suva 2010 jedoch das Schicksal von 27 Pazifik-Inseln genauer untersuchten, erlebten sie eine Überraschung: Die Inseln reagierten ihrerseits auf den Anstieg des Meeresspiegels.

Die Forscher hatten historische Luftbilder der vergangenen 60 Jahre ausgewertet. Da von Neuseeland seit 1951 Flugboote auf der „ Korallenroute“ zu den Fidschi-Inseln und weiter über Samoa, Tahiti und den Cook-Inseln zurück nach Neuseeland flogen und die Fluggesellschaft Air New Zealand dort noch heute landet, gibt es aus dieser Zeit bis heute viele Luftbilder. Anhand dieser Aufnahmen konnte man die Umrisse der jeweiligen Inseln und so auch deren Flächen ermitteln. Tatsächlich schrumpften demnach seit den 1950er-Jahren nur 4 der untersuchten 27 Inseln. Die anderen 23 blieben entweder gleich groß oder wuchsen sogar.

Die Erklärung für diese auf den ersten Blick verblüffende Entwicklung liegt in den Korallenriffen, die um diese Atolle wachsen. Jeder Tropensturm kann über große Wellen und beschleunigte Meeresströmungen Schneisen der Verwüstung in solche Riffe schlagen, auch normale Wellen brechen Teile abgestorbener Korallenstöcke ab. Ein Teil dieses Korallenschutts wird von Wind, Wellen und Strömungen an die Strände geschwemmt und vergrößert so die Inseln.

Im Meer aber wachsen die Korallen weiter und füllen die Lücken auf, die ein Sturm hinterlassen hat. Das Riff liefert so permanent Nachschub für die Sandstrände und die Inseln können wachsen. 1972 traf zum Beispiel der Hurrikan Bebe den Inselstaat Tuvalu im Pazifik. Insgesamt deponierte dieser Wirbelsturm 140 Hektar Korallenschutt an den Stränden der Hauptinsel und vergrößerte deren Fläche um zehn Prozent. Doch das muss nicht so bleiben. Beschleunigt sich zum Beispiel der Anstieg des Meeresspiegels, kann das Wachstum der Korallen möglicherweise nicht mehr mithalten und der Nachschub für das Wachsen der Inseln versiegt.

Computermodelle der Erde

Solche Beispiele zeigen deutlich, dass einfache Klimamodelle nicht ausreichen, um die möglichen Auswirkungen eines Klimawandels zu verstehen. Aus diesem Grund koppeln die Forscher schon längst verschiedene Modelle miteinander, die zum Beispiel das Klima, Änderungen der Vegetation und der Meeresströmungen nachzuvollziehen versuchen. Am Ende wird jedoch kein Weg daran vorbeiführen, Modelle zu entwickeln, die das gesamte System Erde mit all seinen komplizierten Zusammenhängen so gut wie möglich repräsentieren und abbilden.

Schon heute zeigen die Modelle, dass der Klimawandel sich in verschiedenen Regionen völlig unterschiedlich auswirkt. Und das muss keineswegs immer negativ oder sogar katastrophal sein. Die wachsenden Inseln der Südsee zeigen eine solche aus Sicht der Menschen positive Reaktion. Ein weiteres Beispiel könnten schon bald Teile Sibiriens sein: Ähnlich wie eine Erwärmung im Mittelalter die Anbauzonen für Getreide in Mitteleuropa stark vergrößert hat, könnte dort der Klimawandel in Zukunft die Chancen für den Anbau von Getreide verbessern.

Wie in der Vergangenheit, so dürfte auch der aktuelle Klimawandel Gewinner und Verlierer haben. Nach unserem aktuellen Wissensstand sollten sich Länder wie Indien und Mexiko zum Beispiel auf Ernteausfälle einrichten. Während Brasilien nur geringe Änderungen registrieren dürfte, könnten kanadische und US-amerikanische Landwirte sogar mit größeren Ernteerträgen rechnen. ■

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