Mit einer Hochzeit fängt es an: Régis Boyer erzählt die Geschichte der Vermählung von Björn mit Helga, zweier adliger Wikinger. Dabei macht er dem Leser klar, wie sehr er auf Spekulationen angewiesen ist, wie wenig gesicherte Quellen existieren, die von den „Händlern“ (vikingr) aus Skandinavien Ende des ersten Jahrtausends berichten. Kaum einer der alten Texte darf wörtlich genommen werden. Vom Alltag des einfachen Volkes ist erst recht verschwindend wenig bekannt, denn die Zeitzeugen interessierten sich vor allem für die Umtriebe des Adels.
Trotz aller Unsicherheiten und Fallstricke: Die Wikinger, von denen der Direktor des Instituts für skandinavische Sprachen, Literatur und Kultur der Pariser Sorbonne erzählt, sind nicht nur plündernde und brandschatzende Horden blonder Wilder, wie man die „Piraten des Nordens“ üblicherweise sieht. Wikinger – also Dänen, Norweger, Schweden, später auch Isländer, die auf Seefahrt gingen – haben Kunstwerke geschaffen, hochentwickelte soziale Umgangsformen gepflegt und wundervolle Feste gefeiert.
Sicher: Ihre Lebenseinstellung war sehr pragmatisch. Ihr Ziel hieß schlicht: Wohlstand. Doch dachten und handelten die kühlen Blonden damit nicht erstaunlich modern?
Régis Boyer DIE PIRATEN DES NORDENS Leben und Sterben der Wikinger Klett-Cotta Stuttgart 1997 356 S., DM 38,-
Klaus Jacob