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Heisenberg ausgetrickst

Astronomie|Physik Geschichte|Archäologie

Heisenberg ausgetrickst
Die Objekte der Quantenwelt sind „ verschmiert” und nur ungenau lokalisierbar. Doch australische Physiker haben nun ein Verfahren entwickelt, mit dem sie die Position von Laserstrahlen präzise bestimmen können.

Eine der fundamentalen Eigenschaften der Quantenwelt ist die Unbestimmtheit der Objekte. 1927 formulierte Werner Heisenberg die Folgen in seiner berühmten Unschärferelation. Demnach ist es für gewisse Paare von Messgrößen unmöglich, sie gleichzeitig sehr genau zu bestimmen. Doch nun haben Wissenschaftler ein Schlupfloch in der Unschärferelation gefunden. Dadurch sind genauere Messungen möglich als bislang gedacht. Stürzt damit gar ein Dogma der modernen Physik?

Einem Team um den deutschstämmigen Physiker Hans Bachor von der Australischen National University in Canberra waren schon vor ein paar Jahren Präzisionsmessungen mit Laserstrahlen gelungen. Jetzt haben die Forscher ihr Verfahren auf zwei Laserstrahlen angewandt, die quantenmechanisch miteinander verbunden waren. Eine solche „Verschränkung” lässt sich im Alltag nicht beobachten, es gibt sie nur in der Quantenwelt. Sie zeigt sich darin, dass die Messung eines Zustands von einem Quantenobjekt – etwa einem Photon – ohne Zeitverzögerung den Zustand eines anderen Objekts verändert oder sogar erst bestimmt, ohne dass es zu einem Informationsaustausch zwischen beiden kommt.

In der Regel machen sich die besonderen Eigenschaften der Quantenwelt, beispielsweise die Unschärfe und die Verschränkung, nur bei winzigen Objekten bemerkbar. Denn bei größeren Objekten gehen die Gesetze der Quantenphysik in die Gesetze der klassischen Physik über. Entscheidend bei diesem Übergang sind die vielfältigen Wechselwirkungen eines Quantensystems mit seiner Umgebung. Anders bei Laserstrahlen: Die Photonen, aus denen sie bestehen, beeinflussen sich nicht gegenseitig und interagieren auch kaum mit ihrer Umgebung. „Wir können deshalb alle Eigenschaften eines Laserstrahls mit einer quantenphysikalischen Funktion beschreiben”, erklärt Bachor. „Dadurch haben wir ein verlässliches Bild mit einfachen Regeln. Die wichtigste ist, dass die komplementären Größen des Laserstrahls – also paarweise zusammengehörende Messgrößen wie Ort und Impuls – der Unschärferelation gehorchen müssen. Dadurch entsteht ein Quantenrauschen, das die Messgenauigkeit begrenzt.”

Gequetschtes Licht

Bachors Lösungsansatz: „Wenn wir genauer sein wollen, benötigen wir ‚gequetschtes‘ Licht.” Denn die Unschärferelation besagt zwar, dass das Produkt der beiden Messfehler eines Messgrößenpaares einen bestimmten Wert nicht unterschreiten kann. Daraus folgt jedoch, dass man die Messgenauigkeit einer der beiden Größen durchaus erhöhen kann – wenn auch auf Kosten der anderen, deren Verschmiertheit dadurch noch größer wird.

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Im Normalfall ist keine der beiden Messgrößen im Vorteil und der Messfehler verteilt sich auf beide Größen etwa gleich stark. Es ist aber durchaus möglich, den Fehler förmlich von der einen in die andere Größe „hineinzuquetschen”. Nun haben die australischen Physiker um Bachor gemeinsam mit französischen Kollegen noch eins drauf gesetzt: Sie kombinierten das Quetschen geschickt mit dem „Verschränken” von Laserstrahlen, was die Möglichkeiten des Verfahrens erheblich erweitert.

Die Verschränkung von quantenphysikalischen Zuständen ist die wohl seltsamste und am wenigsten verstandene Eigenschaft der Quantenphysik. Sie wurde von Albert Einstein, der nicht an ihre Existenz glaubte, als „spukhafte Fernwirkung” bezeichnet. Bei der Verschränkung zweier Quantenobjekte werden die Eigenschaften dieses „Zwillingspaars” so miteinander verbunden, dass eine Messung der verschränkten Eigenschaft bei einem der „Brüder” augenblicklich die entsprechende Eigenschaft des anderen auf vorhersagbare Weise verändert – und zwar unabhängig davon, wie weit die beiden voneinander entfernt sind.

Bachors „Brüder” sind zwei Laserstrahlen, und beide werden „ gequetscht”: Bei dem einen ist es die Position, bei dem anderen die Richtung. Das heißt, dass die Position des ersten Strahls mit einer Genauigkeit gemessen werden kann, die unterhalb des Quantenrauschens liegt. Das Gleiche gilt für den zweiten Strahl bei einer Richtungsmessung. Und jetzt kommt der Trick: Die Physiker verschränken die beiden gequetschten Laserstrahlen und machen sie damit zu „Zwillingen”. Das haben zwar auch schon andere Forscher getan, doch dem Team um Bachor ist das zum ersten Mal für die Messgrößen Position und Richtung gelungen. Für die Verschränkung benutzen Bachor und seine Kollegen Strahlteiler. Bereits eine gewöhnliche Fensterscheibe ist ein solcher Strahlteiler: Lichtstrahlen werden daran teils reflektiert, teils durchgelassen. Aus einem Lichtstrahl werden also zwei gemacht.

In Bachors Experiment wird zur Verschränkung der Laserstrahlen freilich kein Fensterglas als Strahlteiler verwendet, sondern dazu dienen spezielle Kristalle. Sie wurden auch beim Quetschen der Laserstrahlen benutzt. Denn sie können die Unschärfe einer Messgröße verstärken und gleichzeitig die Unschärfe der dazu komplementären Messgröße abschwächen. „Damit lässt sich das Quantenrauschen einer der beiden Messgrößen unterdrücken”, erklärt Bachor.

Quantentricks stürzen kein dogma

Das „Quetschen” von Licht gelang erstmals Mitte der 1980er-Jahre und ist seitdem vielfach weiterentwickelt worden, unter anderem von Bachors Gruppe. Nun hat der Physiker mit seinen Kollegen zwei Lichtstrahlen, nämlich die beiden gequetschten Laserstrahlen, in einen Spezialkristall geschickt. Sie wurden darin verschränkt und verließen ihn wieder auf getrennten Wegen. Der Clou dabei war : Die beiden „Zwillingsbrüder” befanden sich nach Verlassen des Strahlteilers in einem gemeinsamen quantenphysikalischen Zustand, der in doppelter Hinsicht gequetscht war: sowohl in der Position als auch in der Richtung.

Das aber heißt, dass beide Messgrößen mit einer Genauigkeit, die unterhalb des Quantenrauschens liegt, bestimmbar sind. Und es kommt noch besser: Position und Richtung der beiden Laserstrahlen hängen jetzt voneinander ab. Man kann beispielsweise die Position des einen Laserstrahls präzise messen und erfährt damit simultan etwas über die Position des anderen – unabhängig davon, wieweit die beiden Strahlen voneinander entfernt sind.

Die Experimente sind ein großer Erfolg in der quantenmechanischen Grundlagenforschung. Bachor nennt auch eine potenzielle Anwendung seines Verfahrens: „Manchmal möchte man mikroskopisch kleine Objekte präzise messen, kann aber an der Messstelle kein Mikroskop unterbringen. Dann kann man das Objekt mit einem Laserstrahl A abtasten, der mit einem Strahl B verschränkt ist. Die Messung kann man nun an Strahl B mit einem einfachen großen Detektor durchführen, ohne Rücksicht auf Platzprobleme nehmen zu müssen. Wegen der Verschränkung kennt man dann auch die Position von Strahl A – und zwar mit einer höheren Genauigkeit, als es die Unschärferelation eigentlich erlaubt.”

Die Trickkiste der Quantenmechaniker ist groß. Die Forscher warten immer wieder mit neuen Überraschungen auf, die zu Einsteins und Heisenbergs Zeiten utopisch erschienen. Doch alle Tricks bleiben im Rahmen der quantenphysikalischen Gesetze – sie sprengen sie nicht. Auch Bachor hat kein Dogma gestürzt, sondern die quantenphysikalischen Einsichten nur tiefer ausgelotet und letztlich bestätigt. ■

von Axel Tillemans

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