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Die Sonne macht Dampf

Technik|Digitales

Die Sonne macht Dampf
Das Herz eines künftigen europäisch-afrikanischen Stromverbunds sollen solarthermische Kraftwerke bilden. Deutsche Forscher in Andalusien wollen sie durch trickreiche neue Technologien konkurrenzfähig machen.

Spiegel reiht sich an Spiegel, so weit das Auge reicht. Wer auf der Autovia A-92 im Hinterland der spanischen Costa del Sol von Alméria nach Granada fährt, wird von dem imposanten Anblick neben der Autobahn unweigerlich in den Bann gezogen. Auf der Hochebene von Guadix, am Rand der Sierra Nevada, haben spanische und deutsche Ingenieure das größte Solarwärmekraftwerk Europas errichtet: Die Anlage „Andasol“ ist ein glitzerndes Schaufenster, das Einblick in die mögliche Zukunft der europäischen Energieversorgung gibt. Eine Zukunft, wie sie in der Solarverbundstudie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) so ausgemalt wird (siehe „Power aus dem Süden“ ab S. 96): Etliche Solarkraftwerke fangen in subtropischen Breiten mit Spiegeln das Licht der Sonne ein, verwandeln es in elektrischen Strom, den sie über ein Leitungsnetz nach Deutschland und in andere Regionen Europas bringen.

In 15 bis 20 Jahren könnte es so weit sein, sind die Autoren der DLR-Studie überzeugt. Noch aber sind solche Kraftwerke Raritäten. Umso beeindruckender ist die Anlage auf der Hochebene von Guadix: Andasol-1 nahm im Herbst 2008 den Testbetrieb auf. Auf 200 Hektar Fläche sind rund 15 000 rinnenartige, parabelförmig gewölbte Spiegel in langen, parallelen Reihen angeordnet. Gesamtlänge der „Kollektoren“: über 60 Kilometer. Zusammen recken sie eine gläserne Fläche in der Größe von 100 Fußballfeldern der andalusischen Sonne entgegen.

Aufgabe der Kollektoren ist es, die Sonnenstrahlen zu bündeln und rund 80-fach konzentriert auf eine Röhre entlang der Spiegelachse, das „Absorberrohr“, zu fokussieren. Darin zirkuliert ein Öl, das „Thermoöl“, das durch die konzentrierte Kraft der Solarstrahlung auf rund 400 Grad Celsius erhitzt wird. Über einen Wärmetauscher gibt das Thermoöl die Energie wieder ab, um damit Wasser verdampfen zu lassen. Der Dampf treibt eine Turbine an, die Strom erzeugt. Das Prinzip ist dasselbe wie in einem Kohle-, Öl- oder Kernkraftwerk. Nur der „Brennstoff“ ist ein anderer: Sonnenlicht.

Strom für 200 000 Menschen

Das Kraftwerk ist auf eine mittlere Leistung von 50 Megawatt ausgelegt. Die Strommenge, die die Anlage übers Jahr produziert und ins spanische Netz speist, soll ausreichen, um den Bedarf von bis zu 200 000 Menschen zu decken. Doch damit geben sich die Betreiber nicht zufrieden. Neben dem ersten Kraftwerk montieren Techniker einen Zwilling der Anlage: Andasol-2 soll 2010 mit der Stromproduktion anfangen. Eine dritte Anlage mit einer installierten Leistung von ebenfalls 50 Megawatt soll folgen. Die wichtigsten Komponenten der drei Kraftwerkseinheiten liefern deutsche Unternehmen. Für viele Bauteile haben Forscher und Ingenieure des DLR das entscheidende Know-how beigesteuert. Etwa 50 Kilometer von der Solarfarm bei Guadix entfernt, entwickeln und testen sie neue Technologien zur Nutzung der Sonnenenergie. Die Plataforma Solar de Alméria (PSA) ist das größte Forschungszentrum für Solarenergie in Europa. Die seit 1982 am Rand des Örtchens Tabernas im Hinterland von Alméria betriebene Einrichtung steht unter der Regie der staatlichen spanischen Energieforschungsinstitution CIEMAT. Sie wird auch von Mitarbeitern des DLR genutzt. „Wir entwickeln Verfahren zur Stromerzeugung aus Solarenergie weiter, testen und optimieren sie unter praxisnahen Bedingungen – mit dem Ziel, sie konkurrenzfähig mit fossil betriebenen Kraftwerken zu machen“, sagt Christoph Richter. Der promovierte Chemiker leitet das 15-köpfige Team des DLR an der PSA.

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Rund 100 Projekte in Spanien

Auf die Resultate, die die Forscher auf der Anlage erzielen, schauen Politiker und Energieunternehmen mit wachsender Aufmerksamkeit. Denn die Sonnenenergienutzung in solarthermischen Kraftwerken ist ein zentraler Punkt bei Überlegungen, wie sich die europäische Energieversorgung künftig klimaverträglich, zuverlässig und kostengünstig sicherstellen lässt. In Spanien hat die Solarwärme Hochkonjunktur, seit die Regierung des Königreichs 2004 ein Gesetz zur Förderung dieser Technologie auf den Weg gebracht hat. Derzeit sind auf der Iberischen Halbinsel rund 100 Projekte mit einer Gesamtkapazität von über zwei Gigawatt geplant, in Bau oder bereits fertiggestellt. Auch in anderen Regionen rund ums Mittelmeer wird die thermische Nutzung der Sonnenenergie mit zunehmendem Schwung vorangetrieben, zum Beispiel in Algerien, Ägypten, Marokko, Israel und Griechenland. Nicht zuletzt boomt die Technologie im Südwesten der USA.

Dort stand in den 1980er-Jahren auch ihre Wiege. Als Konsequenz aus der ersten Ölkrise ließ die damalige US-Regierung in der kalifornischen Mojave-Wüste das erste kommerziell betriebene Kraftwerk errichten, das – wie Andasol – auf der Parabolrinnen-Technologie basierte. Das Kraftwerk nahm 1985 die Stromproduktion auf – und speist noch heute Strom ins kalifornische Netz ein. Die Anlage wurde mehrfach erweitert und auf über 350 Megawatt Leistung ausgebaut. Doch dann verpuffte der Elan. Fallende Ölpreise machten solarthermische Kraftwerke lange Zeit uninteressant – zumal die Kosten für den Strom daraus mit anfangs 50 bis 100 Cent pro Kilowattstunde sehr hoch waren. Erst der Höhenflug des Rohölpreises in den letzten Jahren bewirkte, zusammen mit der wachsenden Sorge ums Erdklima, erneut ein Umdenken – die Technologie der Solarwärmekraftwerke ist aus dem Dornröschenschlaf erwacht. Erst im Frühjahr 2007 gingen bei Boulder City im US-Bundesstaat Nevada sowie in Spanien erstmals wieder solarthermische Kraftwerke in Betrieb. Inzwischen ist es den Ingenieuren gelungen, die Kosten der solarthermischen Stromerzeugung deutlich zu senken, etwa durch neue Fertigungstechniken und durch Kollektorspiegel, die das Sonnenlicht effizienter einfangen können. Je nach eingesetzter Technologie, Kraftwerksgröße und Standort lässt sich der Solarwärmestrom heute für 12 bis 20 Cent pro Kilowattstunde produzieren.

„In der Andasol-Anlage rechnet man mit etwa 20 Cent pro Kilowattstunde Strom“, sagt Hans Müller-Steinhagen, Leiter der DLR-Instituts für Technische Thermodynamik in Stuttgart und Köln, dem auch die Forscher des DLR in Alméria angehören. Damit kostet der Solarstrom etwa doppelt so viel wie Windstrom und halb so viel wie Strom aus Photovoltaik-Anlagen. Elektrizität aus Kohle- und Kernkraftwerken ist für rund 4 Cent pro Kilowattstunde zu haben. Robert Pitz-Paal, Leiter der Solarforschung in der Kölner Dependance des DLR-Instituts für Technische Thermodynamik, ist jedoch überzeugt, dass sich in 15 bis 20 Jahren Strom in Solarwärmekraftwerken zu nahezu wettbewerbsfähigen Kosten produzieren lässt. Pitz-Paal geht davon aus, dass die Kosten für Sonnenstrom bis 2025 an günstigen Standorten deutlich unter 10 Cent pro Kilowattstunde sinken – während der Preis für Strom aus konventionellen Kraftwerken deutlich steigen wird. „Die nächsten 20 Jahre sind kritisch“, sagt der Solarforscher. „Nur wenn es gelingt, die Kosten entscheidend zu senken, wird der Hype um die solarthermische Stromererzeugung anhalten.“

Energische Aufholjagd

Die Aufholjagd hat längst begonnen. Der wichtigste Ansatz, um die Kosten für den Solarstrom zu drücken, heißt: Steigern des Wirkungsgrads – des Anteils vom eingefangenen Sonnenlicht, der als Strom die Anlage verlässt. An dieser Stellschraube drehen die Solarforscher mit trickreichen neuen Technologien. „Ein besonders hohes Potenzial, die Effizienz der Kraftwerke zu erhöhen, bietet die Direktverdampfung“, sagt DLR-Teamleiter Richter. Bei diesem Verfahren zirkuliert Wasser statt Öl im Absorberrohr der Parabolrinnen-Anlage. Die durch die rinnenförmigen Spiegel auf das Rohr konzentrierte Sonnenstrahlung verdampft das Wasser. Der Dampf lässt sich nutzen, um die Turbine des Kraftwerks anzutreiben. Wärmetauscher zum Übertragen der Energie vom Öl aufs Wasser sind nicht erforderlich. „Das vereinfacht den Aufbau der Anlage“, sagt Richter, „und verringert die Kosten für Bau und Betrieb.“ Weiterer großer Vorteil des neuen Verfahrens: Während das bisher gebräuchliche Thermoöl maximal 400 Grad Celsius übersteht, lässt sich der Dampf bei 100 Bar Druck bis 550 Grad Celsius aufheizen. „Eine höhere Temperatur bedeutet einen höheren Wirkungsgrad“, erklärt Richter.

Weniger Bauteile, mehr Effizienz – niedrigere Kosten. Die Rechnung scheint einfach. Doch es gibt etliche Herausforderungen, die zu meistern sind, bevor das Verfahren reif ist für den Einsatz in kommerziellen Kraftwerken. „Die Materialien der Anlage müssen den höheren Temperaturen und dem starken Druck standhalten können“, sagt Martin Eickhoff. „Und: Die Probleme durch das gleichzeitige Strömen von flüssigem Wasser und Wasserdampf müssen beherrscht werden, um die Anlage jederzeit sicher betreiben zu können.“ Eickhoff ist als Projektleiter für die Experimente an der weltweit ersten großen Testanlage für die solare Direktverdampfung verantwortlich. Inzwischen haben die Forscher Lösungen für alle kritischen Punkte gefunden. „Nun sind wir so weit, dass sich die Technologie in großen Kraftwerken einsetzen lässt“, freut sich Eickhoff. Die Kosten der Stromerzeugung könnten dadurch um 10 bis 20 Prozent sinken.

Vielleicht wird die Direktverdampfung künftig zusammen mit Fresnelspiegeln zum Einsatz kommen. Sie sind deutlich kleiner als die gebräuchlichen Parabolrinnen-Spiegel und nur leicht gekrümmt. Jeweils mehrere Spiegel dieses Typs ersetzen einen Parabolrinnen-Kollektor. „Wegen ihrer simpleren Gestalt lassen sich Fresnelspiegel billiger herstellen“, erklärt Christoph Richter. Außerdem benötigen sie weniger Fläche. Und sie sind stabiler gegenüber Wind. Daher genügt eine einfachere und preiswertere Konstruktion zum Verankern der Kollektoren. Doch die Solaringenieure haben noch andere Technologien im Visier.

Neben dem Versuchsfeld für Parabolrinnen- und Fresnelspiegel ragt ein 83 Meter hoher Turm in den Himmel – das Wahrzeichen der PSA. Um den Turm herum stehen 300 Spiegel. Jeder dieser „ Heliostaten“ mit je 40 Quadratmeter Spiegelfläche ist so orientiert, dass er das Sonnenlicht auf einen Fleck an der Spitze des Turms fokussiert. „So lässt sich das Sonnenlicht viel stärker bündeln als mit Parabolrinnen-Spiegeln“, sagt Peter Heller, der die Versuche an dieser Anlage betreut. Rund 500-fach verstärkt kommt die Strahlung an der Turmspitze an – und trifft auf einen Empfänger, den „Receiver“, der sich auf über 1000 Grad Celsius erwärmt.

Beim Turm fehlt die Praxis

Die erreichbare hohe Temperatur ist einer der Vorteile, die ein Turmkraftwerk bietet. Denn sie führt zu einer höheren Effizienz. Während Parabolrinnen-Kraftwerke die Energie des Sonnenlichts mit einem Wirkungsgrad von bis zu 22 Prozent in Strom umwandeln, schaffen Turmkraftwerke 28 Prozent. Beim durchschnittlichen, übers Jahr gemittelten Wirkungsgrad beträgt das Verhältnis etwa 15 zu 20 Prozent. „Der höhere Wirkungsgrad bedeutet, dass weniger Kollektoren nötig sind, um dieselbe Menge an Sonnenstrom zu produzieren“, erklärt der Stuttgarter Institutschef Müller-Steinhagen. Das wiederum senkt die Baukosten der Anlage. Allerdings: „Turmkraftwerke sind weniger ausgereift und längst nicht so gründlich in der Praxis getestet wie Anlagen mit Parabolrinnen-Technologie“, sagt Hermann-Josef Wagner, Leiter des Lehrstuhls für Energiesysteme und Energiewirtschaft an der Ruhr-Universität Bochum. Erst im Frühjahr 2007 ging das weltweit erste kommerzielle Turmkraftwerk in Sanlucar de Mayor, rund 25 Kilometer westlich von Sevilla, ans Netz. Dort will der spanische Energiekonzern Abengoa bis 2013 einen gewaltigen Solarkraftwerkspark aus dem Boden stampfen – mit neun Kraftwerken unterschiedlicher Technologie und zusammen 300 Megawatt installierter Leistung.

Auf der PSA experimentieren die Forscher seit den 1980er-Jahren mit Turmkraftwerken. Als Wärmeträger für Turmkraftwerke wird Flüssigsalz, Dampf – wie bei der Anlage in der Nähe von Sevilla – oder Luft eingesetzt. Dieses ungiftige, billige und leicht zu handhabende Gas favorisieren die Forscher des DLR. Gemeinsam mit diversen deutschen Unternehmen haben sie zwei Typen von Strahlungsempfängern für luftbetriebene Turmkraftwerke entwickelt: offene und geschlossene „volumetrische Receiver“.

Der Sonnenturm von Jülich

„Beim offenen Receiver saugt ein Gebläse Luft aus der Umgebung an, die durch eine poröse Keramikstruktur strömt“, erklärt Christoph Richter. Die schwarze Keramik sitzt im Brennpunkt der Heliostaten, wo sie sich durch das konzentrierte Sonnenlicht kräftig erhitzt. Die Wärme gibt sie an die eingesaugte Luft ab, die dann durch einen Wärmetauscher strömt, um Dampf für die Turbine zu generieren. In Jülich haben die Kraftanlagen München und die Stadtwerke Jülich ein Turmkraftwerk mit 1,5 Megawatt Leistung errichtet, in dem ein offener Luftreceiver erstmals außerhalb der PSA getestet werden soll. Beim geschlossenen volumetrischen Receiver befindet sich die Luft in einem plombierten Behälter unter 8 Bar Druck. Der Behälter ist mit einer nach innen gewölbten Quarzscheibe versehen, durch die die Heliostaten das Sonnenlicht ebenfalls auf eine poröse Keramikstruktur fokussieren. Die hinter dem Glas eingeschlossene Luft wird auf rund 1000 Grad Celsius erhitzt und direkt auf eine Gasturbine geleitet.

Die Abluft hinter der Gasturbine lässt sich nutzen, um einer zweiten Turbine Dampf zu machen. „Das ermöglicht einen sehr effizienten Betrieb des Solarwärmekraftwerks“, freut sich Richter. Denn kombinierte Gas- und Dampfkraftwerke haben weit höhere Wirkungsgrade als nur mit Dampf betriebene Anlagen. Häufig liefert Erdgas die benötigte Energie. Künftig soll Sonnenstrahlung den fossilen Brennstoff ersetzen. „Durch den Einsatz von Gasturbinen kann man auf Kühlwasser verzichten“, nennt Hans Müller-Steinhagen einen weiteren Vorteil der Technologie. Das in sonnigen und trockenen Regionen kostbare Gut benötigt man bislang in solarthermischen Kraftwerken, um den Dampf wieder zu flüssigem Wasser zu kondensieren. In den nächsten Jahren soll – mit maßgeblicher Beteiligung des DLR – erstmals eine große Gasturbine in ein Solarkraftwerk bei Sevilla eingebaut werden. Die Hälfte der rund 15 Millionen Euro Kosten für die 4,6 Megawatt starke Anlage zahlt die EU. „Die Aussicht, Sonnenenergie in Kombikraftwerken zu nutzen, ist ein wichtiger Schritt, um die solarthermische Stromgewinnung wettbewerbsfähig zu machen“, ist Christoph Richter überzeugt. „Langfristig ist dies das attraktivste Konzept mit dem höchsten Gesamtwirkungsgrad.“

Durch die Einspeisung von solarer Wärme in Gaskraftwerke könnte der Durchbruch für Solarwärmekraftwerke gelingen – das meinen auch Fachleute, die im Auftrag des Baseler Bankhauses Sarasin Chancen und Hemmnisse der solarthermischen Stromerzeugung unter die Lupe nahmen. Der Einsatz von Sonnenwärme in Gas- und Dampfkraftwerken macht es besonders leicht, Solarenergie zunächst parallel zu Energieträgern wie Öl, Gas oder Kohle zu nutzen, schreiben sie in der Studie.

Sanfter Übergang

Dadurch ließe sich ein sanfter und kostengünstiger Übergang von der fossilen in eine regenerative Stromerzeugung schaffen. Bei Sonnenschein hielte Solarenergie die Gas- und Dampfturbinen in Gang. Nachts und bei bewölktem Himmel könnte Erdgas das übernehmen. Um den solaren Anteil an der Stromgewinnung auf 100 Prozent zu erhöhen, lassen sich große thermische Speicher einsetzen. Ihre Aufgabe: die solar erzeugte Wärme zu horten – bis sie gebraucht wird, um die Turbine anzutreiben. So wäre ein Rund-um-die-Uhr-Betrieb des Kraftwerks ausschließlich mit Energie von der Sonne möglich. „Die Möglichkeit zum Speichern der Wärme ist ein entscheidender Pluspunkt der solarthermischen Stromerzeugung, etwa gegenüber Windkraftwerken“, sagt der Bochumer Energieexperte Wagner.

In den neuen solarthermischen Kraftwerken kommen Speichersysteme schon zum Einsatz. So fließt in der Andasol-Anlage ein Teil der Solarwärme zunächst in zwei Tanks mit flüssigem Salz, das den Betrieb auch ohne Sonne acht Stunden lang sichert. Die Salzspeicher sind zwar technisch ausgereift, aber teuer und aufwendig zu betreiben. Daher haben die DLR-Forscher kostengünstigere und einfacher zu handhabende Alternativen entwickelt – etwa einen Speicher aus Beton. Noch mehr Hoffnung setzen sie auf Latentwärmespeicher: Materialien, die beim Aufnehmen oder Abgeben von Wärme ihren Zustand ändern – etwa von fest zu flüssig oder umgekehrt. Solche Werkstoffe können große Wärmemengen fast verlustfrei speichern.

„Speichersysteme sind eine Schlüsseltechnologie, um den Einsatz von Solarwärmekraftwerken rund um die Uhr zu ermöglichen“ , sagt Hermann-Josef Wagner. Damit könnte der Einstieg in eine solare Energiewirtschaft gelingen. Wegen ihrer Ähnlichkeit mit konventionellen Anlagen sind solarthermische Kraftwerke prädestiniert, um als Arbeitspferde bei der Stromerzeugung zu dienen. Doch da sie auf den direkten Anteil der Sonnenstrahlung angewiesen sind, ist die Nutzung dieser Technologie in Deutschland unrentabel. In Mitteleuropa kommt nur etwa die Hälfte des Sonnenlichts direkt am Boden an – der Rest wird gestreut, zum Beispiel an Wolken. In der Sahara beträgt der Streulichtanteil nur 10 bis 20 Prozent. Daher können Solarkraftwerke in Nordafrika fast dreimal so viel Strom erzeugen wie in Deutschland. Solarstrom ließe sich dort – trotz Transportkosten von 1,5 bis 2 Cent pro Kilowattstunde und rund 10 Prozent Verlust – relativ kostengünstig erzeugen und nach Mitteleuropa leiten.

Zurzeit legt die Branche weltweit ein enormes Tempo vor. So hat die chinesische Regierung mit dem Erlanger Unternehmen Solar Millennium ein Rahmenabkommen über den Bau von Parabolrinnen-Kraftwerken unterzeichnet. Umfang: 1000 Megawatt installierte Leistung. Der Bochumer Energieexperte Wagner erkennt „langfristig sehr gute Aussichten“ für die solarthermische Stromerzeugung. „Gerade beginnt eine ernsthafte Diskussion um zusätzlichen Schub auf höchster politischer Ebene“, freut sich DLR-Forscher Richter. Mehrere Pilotprojekte hat die EU mit Fördergeldern unterstützt – ganz im Sinne der Wissenschaftler in der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG): In einer Studie zur künftigen Energieversorgung von Europa schrieben sie den Politikern ins Stammbuch: „Vom physikalisch-technischen Gesichtspunkt aus gibt es keine Zweifel daran, dass solarthermische Kraftwerke im Süden eine der besten Optionen für die Bereitstellung der benötigten großen Mengen CO2-freien Stroms darstellen. Die notwendige Forschung und Entwicklung ist seit etwa 25 Jahren im Gange und hat ein Stadium erreicht, in dem die Markteinführung energisch in Angriff genommen werden sollte.“ Wer sehen will, was die Physiker der DPG meinen, braucht nur auf der Autobahn bei Guadix die glitzernden Wegmarken von Andasol anzuschauen. ■

von Ralf Butscher

Mehr zum Thema

Internet

Homepage der Plataforma Solar de Almeria: www.psa.es

Solarforschung beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt: www.dlr.de/tt/desktopdefault.aspx/ tabid-2881/4337_read-6391

Sonderheft „Energie“ der DLR-Nachrichten: www.dlr.de/desktopdefault.aspx/ tabid-618/1034_read-13481

Infos und Studien zum Desertec-Konzept: www.desertec.org/de

Homepage der Organisation Solar Paces: www.solarpaces.org

Website von Volker Quaschning mit Daten zur Nutzung regenerativer Energiequellen: www.volker-quaschning.de

Lehrstuhl für Energiesysteme und Energiewirtschaft an der Ruhr-Universität Bochum: www.lee.rub.de

„Technologievergleich solarthermischer Stromerzeugung einschließlich global- ökonomischer und ökologischer Betrachtung“ – Diplomarbeit von Benedikt Volker Tressner an der Fachhochschule Köln (pdf): www.gm.fh-koeln.de/~chfranke/ Solarthermische%20Stromerzeugung.pdf

Homepage der Solar Millennium AG: www.solarmillennium.de

Informationen zur Nominierung der Schott-Solar-Forscher Nikolaus Benz und Thomas Kuckelkorn für den Deutschen Zukunftspreis: www.deutscher-zukunftspreis.de/ ?q=nominierte/2008

Infos zu solarthermischen Kraftwerken vom Forschungsverbund Erneuerbare Energien: www.fvee.de/forschung/forschungsthemen/ solarthermische-kraftwerke

Solarturm Jülich – Infos von der FH Aachen: www.fh-aachen.de/solarturm-juelich.html

Komapkt

· Anders als frühere Ideen fußt das neue Konzept auf ausgereiften Technologien.

· Die Grundpfeiler: zahlreiche Turm- oder Parabolrinnen-Kraftwerke in Nordafrika und verlustarme Übertragungsleitungen.

Kompakt

· Durch eine Erhöhung des Wirkungsgrads bei der Stromerzeugung wollen die Forscher und Ingenieure Bau- und Betriebskosten der Anlagen drücken.

· Rinnen- und Turmkraftwerke konkurrieren bei der solarthermischen Stromerzeugung.

· Die Kombination mit Gaskraftwerken könnte für den Durchbruch sorgen.

Preiswürdig

Der Receiver ist das zentrale Bauteil eines Solarwärmekraftwerks. Auf ihn konzentrieren seine Spiegel das Sonnenlicht – in einem Parabolrinnen-Kraftwerk auf die bis zu 80-fache Intensität. Dabei muss der Receiver enorme Belastungen verkraften. Er muss daher aus sehr widerstandsfähigen Materialien bestehen und extrem stabil verarbeitet sein. Die Energieausbeute der Anlage hängt vor allem davon ab, wie effizient der Receiver die konzentrierte Solarstrahlung in Wärme umwandelt und diese an das Wärmeträgermedium weitergibt.

Für Parabolrinnen-Kraftwerke haben Ingenieure und Materialforscher der Mainzer Firma Schott Solar einen besonders robusten und effizienten Receiver entwickelt: Das Absorberrohr besteht aus einer Außenhülle aus speziellem Glas. Dieses Glas hat dieselben Ausdehnungseigenschaften wie das Metall, aus dem die Röhre in der gläsernen Hülle besteht. In der Röhre zirkuliert das Wärmeträgermedium – ein Thermoöl. Da sich Glas und Metall beim Erhitzen ähnlich stark ausdehnen, entstehen dort, wo beide Werkstoffe aneinandergrenzen, keine großen Spannungen. Das sorgt für eine lange Lebensdauer des Receivers.

Außerdem haben die Schott-Techniker neuartige Übergangselemente entwickelt, die sich besonders platzsparend anbringen lassen – so kann fast die komplette Oberfläche des Receivers zur Absorption der Solarstrahlung genutzt werden. Damit von der auftreffenden Strahlung möglichst wenig verloren geht, ist das gläserne Hüllrohr mit einer Antireflexbeschichtung mit Nano-Partikeln überzogen. An ihrer Entwicklung waren Wissenschaftler der TU Clausthal-Zellerfeld beteiligt. Zusätzlich sorgt eine – zusammen mit dem Freiburger Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme entwickelte – dünne Spezialschicht auf dem metallischen Absorberrohr für einen sehr hohen Wirkungsgrad bei der Energiewandlung.

Wegen der Bedeutung der Innovation hat die Jury des Deutschen Zukunftspreises die Schott-Entwickler Nikolaus Benz und Thomas Kuckelkorn 2008 für diesen renommierten Preis nominiert.

Nützliche Abwärme

Die Effizienz von solarthermischen Kraftwerken lässt sich deutlich erhöhen, indem man die Stromerzeugung in den Anlagen mit einer Nutzung der entstehenden Abwärme verbindet. Die kann zum Beispiel dazu dienen, in einer Meerwasserentsalzungsanlage Trinkwasser zu gewinnen – ein kostbares Gut in den meisten Gebieten der Erde, die sich für das Betreiben von Solarwärmekraftwerken besonders eignen. Alternativ lässt sich die überschüssige Wärme als Prozesswärme für Industriebetriebe oder zur Bereitung von Warmwasser nutzen.

Auch die Jahrzehnte alte Vision der Erzeugung von Wasserstoff – etwa als Treibstoff für künftige Brennstoffzellenfahrzeuge oder als Grundmaterial für die chemische Industrie – rückt einen Schritt näher. Anders als in den erstmals vor über 20 Jahren vorgestellten Plänen wird der Wasserstoff nicht durch eine Elektrolyse von Wasser mithilfe von elektrischem Strom hergestellt, sondern mit Wärme aus einer solarthermischen Anlage. Diese Wärme nutzen zum Beispiel die Forscher des DLR auf der Plataforma Solar de Alméria in dem Projekt Hydrosol 1, um Wassermoleküle thermisch in Sauerstoff und Wasserstoff zu spalten. Dazu erhitzen sie ein Metalloxid durch konzentrierte Sonnenstrahlung auf bis zu 1200 Grad Celsius. Im November 2008 gelang es den Forschern erstmals, Wasserstoff in einer 100-Kilowatt-Anlage ausschließlich durch solare Wärme zu gewinnen – und damit vollkommen CO2-frei.

„aufregende Möglichkeiten in der Sahara“

bild der wissenschaft: Bei der Stromerzeugung mittels solarthermischer Kraftwerke geht die Post ab. Wann machen Sie Ihre Photovoltaik-Forschung dicht, Herr Prof. Weber?

Eicke Weber: Keine Sorge, die Photovoltaik wird auch in 10 bis 20 Jahren nicht nur präsent sein, sondern sogar eine Großindustrie wie heute die Automobilindustrie tragen. Dann werden wir Sonnenstrom für 5 Cent pro Kilowattstunde und weniger herstellen können – und uns fragen, warum wir noch im ersten Jahrzehnt dieses Jahrtausends so viele Hoffnungen auf weiße Elefanten wie die energieaufwendige Kohlenstoff-Abscheidung aus konventionellen Kraftwerken gesetzt haben.

bdw: Kann die Photovoltaik auch mit großen solarthermischen Kraftwerken in der Sahara konkurrieren?

Eicke Weber: Solarthermische Kraftwerke sind eine sehr interessante Energiequelle in sonnenreichen Ländern mit genügend Kühlwasser, da sie ja – ebenso übrigens wie Kernkraftwerke – als thermische Kraftwerke einen Temperaturunterschied brauchen. In der Sahara dagegen sehe ich aufregende Möglichkeiten für die Konzentration von Photovoltaik höchster Effizienz.

bdw: Strom aus Solarthermie lässt sich deutlich kostengünstiger herstellen als via Photovoltaik. Warum wird die großzügige Photovoltaikförderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) nicht gekürzt?

Eicke Weber: Sie haben völlig recht: Im Augenblick ist Photovoltaik zur Stromherstellung in sonnenreichen Ländern deutlich teurer als die Technologie der solarthermischen Kraftwerke. Für Deutschland kommt die Solarthermie aus Mangel an Sonne allerdings nur zur Erzeugung von Warmwasser in Frage. Einen großen Unterschied sehe ich noch beim Kostensenkungspotenzial beider Technologien durch eine künftige Fertigung im großtechnischen Maßstab: Solarthermische Kraftwerke werden bereits heute nur als Großkraftwerke produziert, und ob Parabolspiegel, Glasröhren und Dampfturbinen wirklich noch wesentlich im Preis sinken können, bleibt abzuwarten. Die Photovoltaik dagegen ist eine Halbleitertechnologie, und als solche hat sie noch ungeheure Kostensenkungspotenziale in der Massenproduktion. Der Weg über attraktive Einspeisepreise im EEG wird gerade weltweit als das einzige wirklich funktionierende Programm zur Einführung dieser überaus wichtigen Zukunftstechnologie erkannt und kopiert. Sicher werden wir bald auch entsprechende Nachrichten aus den USA hören.

bdw: Auch in punkto Klimafreundlichkeit erhält die Photovoltaik im Vergleich zur Solarthermie schlechte Noten. Das betrifft die CO2-Emissionen genau wie den hohen Energieverbrauch bei der Herstellung. Unter „sauber“ versteht man etwas anderes.

Eicke Weber: Auch da kann ich Sie beruhigen. Eine Photovoltaik-Anlage heutiger Herstellung verdient sich die zur Erzeugung erforderliche Energie in zwei bis drei Jahren zurück und liefert dann für 20 bis 50 Jahre CO2-freien Strom. Wir haben leider erst seit circa 30 Jahren Photovoltaik-Module aus Silizium in Betrieb, doch sie arbeiten immer noch ganz ausgezeichnet. Weiterhin kann die Energie, die zur Herstellung verwendet wird, sehr leicht aus erneuerbaren Energien gewonnen werden. Schließlich wird sich besonders durch die Einführung von „dirty Si“, also nur wenig gereinigtem Silizium, der Energieaufwand bei der Herstellung deutlich senken lassen.

bdw: Sehen Sie Schwachstellen im Konzept der großtechnischen solarthermischen Stromerzeugung?

Eicke Weber: Der erste Zweifel betrifft das erforderliche Kühlwasser. Es könnte in der Zukunft, die sicher auch durch Wassermangel gekennzeichnet sein wird, noch knapper werden als heute. Das zweite Argument ist die Frage, wo Massenproduktion dieser Kraftwerke noch Kostensenkungen bringen kann. Solarthermie kann heute Strom für rund zwölf Cent pro Kilowattstunde herstellen – etwa halb so teuer wie klassische Photovoltaik in derselben sonnenreichen Gegend –, aber ich sehe photovoltaisch gewonnenen Strom perspektivisch bei fünf Cent pro Kilowattstunde.

bdw: Egal, auf welche Weise man Strom aus Solarenergie erzeugt, noch ist das alles unwirtschaftlich. Kommen wir in den nächsten Jahren von den horrend hohen solaren Stromerzeugungskosten wirklich herunter?

Eicke Weber: Ja, bereits 2013 oder 2014 wird Strom aus Photovoltaik selbst im sonnenarmen Deutschland zum Preis der dann herrschenden Haushalts-Stromkosten hergestellt werden. Besitzer neuer Anlagen werden daher zunächst einmal ihren Eigenbedarf aus ihrer Photovoltaik-Anlage decken und nur den Rest aus dem EEG finanzieren lassen. Daher wird dann auch die zusätzliche Belastung der Volkswirtschaft durch Neuanlagen rasch sinken.

bdw: Welchen Part trauen Sie dem Sonnenstrom in Mitteleuropa und weltweit in 15 bis 20 Jahren zu?

Eicke Weber: In Bayern werden bereits heute 2 Prozent des Stromverbrauchs aus der Photovoltaik gewonnen, bis 2020 erwarten wir für ganz Deutschland über 15 Prozent des Stromverbrauchs aus dieser sicheren heimischen Quelle. Je mehr, je besser, da das unsere Unabhängigkeit von unsicheren ausländischen Versorgern stärkt – ebenso unsere heimische Produktion von Photovoltaik-Anlagen und besonders Maschinen zur Herstellung von Solarzellen, die wir heute als Weltmarktführer überall hin exportieren.

Gut zu wissen: Das Sonnenlicht

Die von der Sonne ausgesandte Strahlung besteht neben sichtbarem Licht aus elektromagnetischen Wellen mit sehr unterschiedlichen Wellenlängen. Da die meisten spektralen Anteile durch die Absorption der Moleküle in der Atmosphäre herausgefiltert werden, kommen auf der Erdoberfläche jedoch vor allem das sichtbare Licht sowie infrarotes Licht an. Das Intensitätsmaximum der Sonnenstrahlung liegt im gelb-grünen Spektralbereich – das entspricht der Wärmestrahlung der Sonnenoberfläche, die rund 60o0 Grad Celsius heiß ist.

Die gesamte auf der Erde ankommende Strahlungsleistung der Sonne bezeichnen Physiker und Meteorologen als Solarkonstante. Ihren Mittelwert hat die Weltorganisation für Meteorologie in Genf auf 1367 Kilowatt pro Quadratmeter ermittelt. Er schwankt um nur wenige Prozent, zum Beispiel durch die veränderliche Zahl der Sonnenflecken und den übers Jahr leicht unterschiedlichen Abstand zwischen Sonne und Erde. Im Verlauf von vielen Millionen Jahren nimmt die Strahlungsleistung der Sonne allmählich zu. Ursache ist die astrophysikalische Entwicklung, die sie wie jeder Stern durchläuft. So ist die Leuchtkraft der Sonne heute um etwa 40 Prozent stärker als kurz nach ihrer Entstehung vor rund 4,6 Milliarden Jahren.

Der Anteil der Sonnenstrahlung, der ungehindert durch Wolken auf der Erdoberfläche ankommt, wird im Fachjargon Direktstrahlung genannt. Licht, das zuvor an Wasser-, Eis- oder Staubteilchen reflektiert wurde, heißt diffuse Strahlung. Beide Anteile zusammen bezeichnen die Meteorologen als Globalstrahlung. Sie hängt stark vom geografischen Ort und von der Jahreszeit ab. Je näher sich ein Ort am Äquator befindet, desto höher steht die Sonne am Himmel – und desto mehr Strahlung kommt pro Flächeneinheit am Boden an. Bei wolkenlosem Himmel beträgt der Wert der Globalstrahlung in Mitteleuropa im Hochsommer im Schnitt rund 900 Watt pro Quadratmeter. Über das gesamte Jahr summiert, erreicht die Globalstrahlung in Deutschland auf jedem Quadratmeter zwischen 900 und 1200 Kilowattstunden. In Spanien werden rund 2000 Kilowattstunden, in der Sahara sogar teils deutlich über 2500 Kilowattstunden pro Jahr und Quadratmeter erreicht.

Der Jahresertrag an Sonnenstrahlung variiert außerdem mit der Höhe über dem Meer – je höher ein Ort liegt, desto mehr Strahlung kommt dort an – und mit der Neigung der Oberfläche. Daher werden Solarkollektoren gekippt und zur Sonne ausgerichtet, damit sie möglichst viel von ihrer Energie einfangen können.

Die Tricks der Sonnenfänger

Parabolrinnen-Kraftwerk

Lang gestreckte, gewölbte Spiegel mit einem parabelförmigen Querschnitt fangen das Sonnenlicht ein. Sie fokussieren das Licht auf ein Absorberrohr, in dem ein flüssiger Wärmeträger strömt – ein Thermoöl oder Wasser, das beim Erhitzen verdampft. Die Rinnen verlaufen in Nord- Süd-Richtung, wobei eine Elektronik sie im Lauf des Tages Schritt für Schritt um ihre Längsachse schwenkt, um der Bewegung der Sonne zu folgen.

Kraftwerk mit Fresnelkollektoren

Die großen parabelförmig gebogenen Spiegel einer Parabolrinnen-Anlage sind durch viele kleinere Spiegel ersetzt, die nur schwach gewölbt sind. Die Anlagen lassen sich daher kostengünstiger herstellen. Allerdings: Da Fresnelkollektoren das Licht im Mittel weniger konzentrieren, haben sie eine geringere Effizienz. Zusätzliche Sekundärspiegel, die mehr reflektiertes Sonnenlicht auf das Absorberrohr fokussieren, sollen dieses Manko zum Teil wieder ausgleichen.

Turmkraftwerk

Das markante Merkmal ist ein hoher Turm im Zentrum der Anlage. An seiner Spitze befindet sich ein Receiver, der das von zahlreichen Spiegeln reflektierte Sonnenlicht auffängt. In dem Receiver erhitzt sich ein Wärmeträger, zum Beispiel Dampf, Flüssigsalz oder Luft. Die Spiegel zum Fokussieren des Sonnenlichts, die Heliostaten, sind um den Turm herum aufgestellt. Jeder einzelne Heliostat wird durch eine zweiachsige Steuerung stets exakt der Sonne nachgeführt.

Dish/Stirling-Anlage

Sie besteht aus nur einem Parabolspiegel und einem separaten Receiver plus Aggregat zur Stromerzeugung – meist ein Stirling-Motor. In diesem Motor wird ein Gas abwechselnd erwärmt und abgekühlt, um einen Generator anzutreiben. Der komplette Hohlspiegel samt Receiver und Aggregat wird der Sonne nachgeführt. Die relativ leistungsschwachen Anlagen eignen sich zur dezentralen Stromversorgung in abgelegenen Regionen.

Der Elektronen-Highway

Bis der Strom aus der Steckdose kommt, hat er einen weiten Weg hinter sich – vielleicht vom Kohlekraftwerk am Rande der Stadt, vielleicht aber auch von einem Kernkraftwerk in Frankreich oder einer Windkraftanlage in Dänemark. Der elektrische Strom sucht sich nach den Kirchhoff’schen Gesetzen immer den Weg des geringsten Widerstandes, die Versorger gewährleisten, dass stets genug Energie im Netz ist. Das geht heute nur noch im internationalen Verbund. In Zeiten des grenzüberschreitenden Stromhandels wächst die Bedeutung der Netze – die dafür nur schlecht gerüstet sind. „Die Stromnetze in Europa sind Eselspfade“ , meint Ralf Christian, Geschäftsführer der Energieverteilnetzsparte bei Siemens. Nur zehn Prozent des Stroms könnten heute über die Grenzen gehandelt werden. Ein Mehrfaches ist nötig, um Strom aus Wind- und Sonnenenergie optimal zu integrieren. Denn „grüner Strom“ wird oft woanders geerntet, als er verbraucht wird, und er schwankt. Das Smart Grid, wie die EU-Kommission das intelligente Netz der Zukunft nennt, soll für den Transport und mithilfe moderner Kommunikationstechnologie für Verlässlichkeit und Effizienz sorgen.

Doch dafür sind erhebliche Anstrengungen nötig. Die deutsche Energieagentur dena geht in ihrer Netzstudie von 2005 davon aus, dass 2015 allein in Deutschland ungefähr 36 Gigawatt maximale Leistung aus Windkraft ins Netz eingespeist werden muss – plus 11,3 Gigawatt aus anderen regenerativen Quellen, wobei immer nur ein Teil der Leistung tatsächlich zur Verfügung steht. In manchen Gegenden von Mecklenburg-Vorpommern stammt schon heute die Hälfte des Stroms aus Windkraft und wird in 110- Kilovolt-Hochspannungsnetze eingespeist, die der Last kaum noch gewachsen sind. Soll die elektrische Energie von der Küste zu den Verbrauchern in den Ballungszentren in Süd- und Westdeutschland kommen, müssen die Netze verstärkt werden, laut dena sind 392 Leitungskilometer betroffen. 850 Kilometer müssten neu gebaut werden.

Autobahnen statt Landstrassen

Doch herkömmliche Wechselspannungsleitungen sind nicht überall erste Wahl. „Die sind wie Landstraßen“, sagt Hans Müller-Steinhagen, Leiter des Stuttgarter DLR-Instituts für Technische Thermodynamik. „Wir brauchen aber mehr Autobahnen.“ Müller-Steinhagen meint damit Leitungen, die große Mengen Energie über weite Distanzen transportieren können. Doch das bringt die bewährte Hochspannungstechnik mit Wechselstrom in die Klemme. Weil sich die Stromrichtung 50-mal in der Sekunde umkehrt, kommt es zu Phasenverschiebungen. Über mehrere Hundert Kilometer können die Wellen von Spannung und Strom so auseinander laufen, dass sie mit entgegengesetzter Phase schwingen – und keine Leistung übertragen, obwohl Strom übers Kabel fließt. Die Alternative: „ Hochspannungs-Gleichstromübertragung“, kurz HGÜ. Die erste HGÜ der Welt nahm der Energietechnik-Konzern ABB 1956 zwischen der schwedischen Insel Gotland und dem Festland in Betrieb. Das Prinzip, Energie mit Gleichstrom zu befördern, ist viel älter: Die erste Freileitung Deutschlands, die 1882 von Miesbach zur Elektroausstellung nach München führte, arbeitete mit Gleichstrom.

Fast eine Million Volt Spannung

Hohe Leistungen erfordern hohe Spannungen. Doppelte Spannung bedeutet halben Strom, die Verluste durch Wärme in den Leitungen sinken gar auf ein Viertel. ABB und Siemens schrauben die Spannung in ihren aktuellen Bauvorhaben in China auf 800 000 Volt hoch. Die Stromventile zum Gleichrichten – sogenannte Thyristoren –, die solche Spannungen und Ströme aushalten, werden heute mit Laserimpulsen gesteuert und arbeiten fast verlustfrei. Moderne Gleichrichter für HGÜ – und die Wechselrichter, die den Gleichstrom am Ende der Leitung wieder in Wechselstrom zerhacken – verkraften riesige Leistungen: 6400 Megawatt, die Leistung von etwa sieben großen Kohlekraftwerken – soll eine HGÜ-Leitung vom Wasserkraftwerk Xiangjiaba nach Shanghai transportieren. ABB will sie 2011 in Betrieb nehmen und liefert sich eine Rekordjagd mit Marktführer Siemens, der ab 2010 satte 5000 Megawatt von Wasserkraftwerken in der chinesischen Provinz Yünnan nach Süden in die Provinz Guangdong schicken will.

Eine Faustregel besagt, dass sich HGÜ – trotz der höheren Kosten durch die zusätzlichen Wechselrichter – an Land ab etwa 500 Kilometer lohnt, unter Wasser schon ab 30 bis 50 Kilometer. Die Einbindung von Solarstrom aus Nordafrika erfordert also zwingend HGÜ. Die Verluste betragen bei HGÜ 3 Prozent pro 1000 Kilometer, auf dem Weg von Nordafrika nach Europa würden also nur 10 bis 15 Prozent der Energie verloren gehen – vernachlässigbar angesichts der viel höheren Energieausbeute in der Sahara. In einer Wechselstrom-Hochspannungsleitung wären die Verluste fünfmal so groß. Für abgelegene Standorte in Deutschland – zum Beispiel Offshore-Windparks in der Nordsee – böte sich eine Gleichstrom-„Standleitung“ an, die mit HGÜ-Technik Strom von der See an die Küste bringt und von dort nonstop nach Süddeutschland. Schon heute sind England und die skandinavischen Länder via HGÜ ans europäische Verbundnetz angeschlossen. ■

Bernd Müller ist ehemaliger bdw-Redakteur und freier Autor für Innovationsthemen in Esslingen.

von Bernd Müller

Der Boom beginnt

Von der grauen Maus zum Star: Diese Traumkarriere steht vermutlich den solarthermischen Kraftwerken bevor. Weltweit wächst seit einigen Jahren das Interesse an der lange vernachlässigten Technologie zur Produktion von elektrischem Strom aus Sonnenlicht. Bei Industrieunternehmen wie Siemens und Schott Solar, die wichtige Bauteile für die Kraftwerke fertigen, stellt man sich auf satte Zuwächse ein. Internationale Studien untermauern diese Einschätzung. So geht das amerikanische Marktforschungsinstitut Emerging Energy Research davon aus, dass sich die weltweit installierte solarthermische Kraftwerksleistung von heute knapp 500 Megawatt bis 2020 auf rund 15 Gigawatt verdreißigfachen wird. Noch mehr Optimismus verbreitet der Dachverband der europäischen solarthermischen Industrie Estela: Dort rechnet man bis 2020 mit 30 Gigawatt allein in Europa. Bis 2030, so die Prognose der Estela, wird sich die Kapazität nochmals verdoppeln. Dann ließen sich vier Prozent des europäischen Strombedarfs aus Solarwärmekraftwerken decken.

Auch ein Stromverbund zwischen Europa und Nordafrika erscheint nun machbar. 2050 könnten 15 Prozent des Strombedarfs in Europa durch Solarwärmekraftwerke im afrikanischen Sonnengürtel gestillt werden, rechnen Experten des DLR in ihrer Solarverbundstudie vor – und das zu Kosten, die kaum höher sein werden als die Preise für Strom aus konventionellen Kraftwerken. Denn sobald der Bau von solarthermischen Kraftwerken richtig in Gang gekommen ist, dürften die Kosten allein durch eine preisgünstige Massenfertigung deutlich sinken. Die meisten der rechts wiedergegebenen Zahlen und Prognosen sind einer Diplomarbeit entnommen, die Benedikt Volker Tressner im August 2007 an der Fachhochschule Köln vorgelegt hat. ■

von Ralf Butscher

Power aus dem Süden

20–20–20 – diese Zahlenkombination bezeichnet nicht etwa die Maße eines magersüchtigen Models. Sie stammt vielmehr aus dem reichen Fundus der Politikerphrasen und steht für das ehrgeizige Klimaziel der Staaten der Europäischen Union: 20 Prozent Energieeinsparung, 20 Prozent Emissionsreduktion und 20 Prozent erneuerbare Energien bis 2020. Förderbanken und Bauherren pflastern jeden Hügel mit Windkraftanlagen und jedes Hausdach mit Photovoltaikmodulen, getreu dem Motto: Kleinvieh macht auch Mist. Leider nicht genug, denn schon heute ist klar, dass die EU-Staaten die Vorgabe von 20 Prozent erneuerbarer Energie kaum erreichen werden. Das hat zwei Gründe: Zum einen wird die klimafreundliche Energie nicht dort geerntet, wo sie in Hülle und Fülle anfällt, nämlich vor den Atlantikküsten (Wind) und in der Wüste Nordafrikas (Sonne). Zum anderen gibt es nicht genug Leitungen, um diesen Strom zu den größten Verbrauchern zu transportieren.

Wie bringt man Erzeuger und Verbraucher zusammen? In den 1980er-Jahren entwickelt und in den 1990er-Jahren fast vergessen, erlebt ein Konzept seine Renaissance, das diesen Spagat schaffen soll: Kraftwerke in Nordafrika, so die Vorstellung, verwandeln Sonnenenergie in Strom, der nach Mitteleuropa exportiert wird. Die Idee klingt bestechend: Ein Quadratkilometer Wüste liefert pro Jahr 250 Gigawattstunden Energie und spart 200 000 Tonnen CO2-Emission. Nur 0,3 Prozent der Wüstenfläche Nordafrikas und des Nahen Ostens wären nötig, um die Anrainerstaaten selbst sowie Europa komplett mit Sonnenstrom zu beliefern. Ein Prozent – eine Fläche von 500 mal 500 Kilometern – könnte die ganze Welt versorgen.

Solide Technik statt Hirngespinst

Die Idee vom Strom aus der Sahara wurde lange belächelt – zu Recht. Ursprünglich sollte er mit Photovoltaik erzeugt werden, also durch Umwandlung von Licht in Strom mittels Halbleitermaterialien. Das ist ineffizient und teuer. Der Strom wäre dann unter horrenden Verlusten zu Wasserstoff verflüssigt und in großen Tankschiffen nach Europa transportiert worden. An die Stelle dieses Hirngespinstes ist die Solarthermie getreten. Dabei bündeln Tausende von beweglichen Spiegeln das Sonnenlicht auf einen Turm, in dem Wasser zu Dampf erhitzt wird und damit eine Dampfturbine antreibt. Alternativ zirkuliert die Flüssigkeit durch dünne Rohre im Fokus von Parabolspiegeln.

Beide Varianten sind robust und mittlerweile vielfach erprobt – wie in der amerikanischen Mojave-Wüste, wo neun solarthermische Kraftwerke mit rund 900 000 Spiegeln eine Spitzenleistung von 354 Megawatt und jährlich 800 Megawattstunden elektrische Energie, aber kein CO2 erzeugen. Transportieren will man den Strom auch nicht verlustreich über den Umweg Wasserstoff, sondern über Hochspannungs-Gleichstromleitungen (siehe S. 100 „Der Elektronen-Highway“). Auch die sind ausgereift und teils seit Jahrzehnten im Einsatz.

Dass die Solarthermie wieder en vogue ist, verdankt sie der „ Trans-Mediterranean Renewable Energy Cooperation“, kurz TREC – gegründet 2003 vom Club of Rome. Die Wissenschaftler in dieser internationalen Organisation und einige Politiker haben ein umfassendes Energiekonzept für Europa, Nordafrika und den Nahen Osten erarbeitet. Der Charme ihres „Desertec“ genannten Konzepts besteht darin, dass jeder das bekommt, was er braucht: Europa sauberen Strom, Nordafrika Energie zur Meerwasserentsalzung und der Nahe Osten wirtschaftliche Alternativen zur Ölförderung. Und das Weltklima würde durch über 80 Prozent weniger Kohlendioxid-Emission geschont.

Pionier in Sachen Solarthermie ist die Stuttgarter Dependance des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Dessen Forscher haben viele Pilotanlagen mit errichtet, etwa in der südostspanischen Provinz Alméria, und das wissenschaftliche Fundament zu Desertec gelegt. In einer Studie haben die Experten des DLR ein Szenario durchgerechnet, in dem der Sonnenstrom aus der Wüste bis 2050 eine zentrale Rolle spielen soll. Sie gehen von einem weiteren Anstieg des Stromhungers aus und fordern, dass die Spitzenlast jederzeit – wie heute – mit einer Reserve von 25 Prozent gedeckt wird. Dafür gibt es nur zwei realistische Optionen: die Verdopplung der Kapazitäten bei Kohle-, Öl- und Gaskraftwerken und damit der CO2-Emission, oder die Nutzung der Solarthermie.

Verlässlicher als Kohlemeiler

Im DLR-Szenario dreht sich das Einsatzprofil der Kraftwerke um. Gaskraftwerke werden weiter zum Abdecken von Bedarfsspitzen benötigt. Die Grundlast dagegen bedienen solarthermische Kraftwerke und Offshore-Windanlagen im Atlantik – also ausgerechnet die Erzeuger, denen immer mangelnde Verlässlichkeit vorgeworfen wird. Doch dieses Vorurteil lässt sich nicht halten. 50 Kilometer vor der Atlantikküste weht der Wind so konstant, dass der Strom wie aus einem Kernkraftwerk fließt. Und bei im Schnitt 360 Sonnentagen im Jahr liefert ein Solarkraftwerk in der Sahara verlässlicher Strom als ein Kohlemeiler, der regelmäßig zum Warten heruntergefahren wird. Der Sonnenstrom fließt sogar nachts, weil sich die Wärme speichern und noch bis zum Morgengrauen zurückgewinnen lässt. Die Betreiber der Solarkraftwerke in Spanien geben heute schon auf Basis der Wettervorhersage 30 Stunden im Voraus bekannt, wie viel Strom sie wann liefern können. Damit sind solarthermische Kraftwerke die einzige regenerative Energiequelle, die sogar Regelenergie ins Netz speisen kann – den besonders teuren Saft, der bei Bedarfsspitzen das Netz stabilisiert.

Hans Müller-Steinhagen, Leiter des DLR-Instituts für Technische Thermodynamik in Stuttgart und Vater des Solarplans, betont, dass der saubere Solarstrom nicht nur Europa zugute kommen würde. Vielmehr erhielten die Staaten in Nordafrika und im Mittleren Osten, die bis 2050 ihren Energiebedarf verdreifachen werden, erstmals eine flächendeckende verlässliche Stromversorgung. 68 Prozent der Solarenergie aus der Wüste sollen in den Erzeugerländern bleiben, 13 Prozent der Meerwasserentsalzung oder Gewinnung von Kälte oder Dampf in der Industrie dienen. Nur 19 Prozent werden laut dem Konzept nach Europa exportiert.

Soweit die Theorie. „Leider fehlt der politische Wille, dies umzusetzen“, kritisiert Ralf Christian, Geschäftsführer der Energieverteilnetzsparte bei Siemens. Schon innerhalb Deutschlands regiert das provinzielle Scheuklappendenken. Diese Einstellung ist für den Ausbau der regenerativen Energien fatal. „ Ohne Fortschritte bei den Netzen lassen sich immer weniger dezentrale Einspeiser koordinieren und die 20–20–20-Ziele werden nicht erreicht“, warnt Werner Brinker, Vorstandsvorsitzender des Oldenburger Energieversorgers EWE. Dabei wird, laut einer Studie der Unternehmensberatung Roland Berger, die Umwelttechnologie bis 2020 den Maschinenbau und die Automobilindustrie als Leitbranchen ablösen. Ein Grund für die Zurückhaltung der Politiker ist die Furcht, dass Europa von einer Abhängigkeit in die nächste gerät. Statt am Tropf von russischen Gaslieferungen und Ölimporten aus dem Nahen Osten zu hängen, wäre man bei der Solarthermie vom Wohlwollen von Ländern wie Libyen oder Sudan abhängig – nicht gerade Staaten, die durch besonders freundschaftliche Kontakte zu Europa auffallen. Doch TREC geht davon aus, dass die Solarthermie die Beziehungen zu diesen Staaten stabilisieren wird. Schließlich sei die Abhängigkeit beidseitig, denn in den Erzeugerländern hängen Arbeitsplätze und Wasserversorgung vom Stromexport ab. Unter dem Strich würde sich die Abhängigkeit Europas von Energieimporten von heute rund 50 Prozent auf 32 Prozent 2050 verringern.

Terroristen – kein Problem

Um auf Nummer Sicher zu gehen, sieht das Desertec-Konzept vor, dass nicht wenige große Solarkraftwerke gebaut werden, sondern viele kleinere mit 50 bis 200 Megawatt an 20 Standorten, die über mehrere Stromtrassen ganz Nordafrika von Marokko bis Saudi-Arabien abdecken und so das Risiko verteilen. „Energie ist das unverzichtbare Fundament für eine sozio-ökonomische Entwicklung und zugleich eine der wesentlichen Zutaten des Rezepts für den Frieden“, schwärmt Prinz Hassan Ibn Talal von Jordanien, der Präsident des Club of Rome. Die Terrorgefahr hält der Prinz für beherrschbar. Das sehen auch die Regierungschefs der 44 Mitgliedsländer der Mittelmeerunion so, die im Sommer 2008 gegründet wurde. Eines der vereinbarten Projekte ist ein Solarplan für die Anrainerstaaten des Mittelmeers.

400 Milliarden Euro bis 2050

Eine wichtige Zutat im hoheitlichen Rezept ist Geld. 400 Milliarden Euro Gesamtinvestitionskosten bis 2050 veranschlagt das DLR für den Aufbau einer Infrastruktur, die etwa 100 Gigawatt – die Leistung von 100 Großkraftwerken – für den Export nach Europa bereitstellen würde. 350 Milliarden entfielen auf die Kraftwerke, 50 Milliarden auf die Leitungen. Die horrende Summe schrumpft angesichts der Tatsache, dass ohnehin größere Investitionen nötig sind, weil in den nächsten 20 Jahren fast der komplette Kraftwerkspark in Europa erneuert werden muss. Und die Internationale Energieagentur in Paris rechnet in den europäischen OECD-Staaten mit notwendigen Investitionen von 580 Milliarden Euro allein für die Netze.

Hans Müller-Steinhagen rät zu einer staatlichen Anschubfinanzierung in einstelliger Milliardenhöhe und zum Bau von drei Vorzeigeprojekten: ein Solarkraftwerk mit kombinierter Wasserversorgung für die Gaza-Region, errichtet auf ägyptischem Boden, eine Meerwasserentsalzungsanlage am Roten Meer und ein Nord-Süd-Stromnetz zwischen Nordafrika und Europa.

Das DLR-Szenario ist eine Beschreibung, wie die Zukunft aussehen könnte, aber keine Garantie, dass es so kommen wird. Vielmehr gibt das Szenario Auskunft, was geschehen müsste, um das Ziel zu erreichen. Klar ist: Nur wenn die Politik mit Verträgen die Basis legt, wird der Strom aus der Wüste im nächsten Jahrzehnt fließen. „Das wäre ein Beitrag zur Völkerverständigung“ , findet Rolf Linkohr, Leiter des Centre for European Energy Strategy in Brüssel und ehemaliger Abgeordneter des Europaparlaments. „Das römische Imperium überlebte auch nur so lange wegen seiner guten Infrastruktur.“ ■

von Bernd Müller

sonnenstrom aus der sahara

Visionäre träumten schon in den 1980er-Jahren von einer neuen Form der Stromversorgung: Riesige Solaranlagen in der Sahara sollten die Energie des Sonnenlichts anzapfen, speichern und den Verbrauchern in Europa zur Verfügung stellen. Das Manko war der Preis. Nun wagen Forscher einen neuen Anlauf. Kraftwerke, die das Sonnenlicht – zu erschwinglichen Kosten – über eine konventionelle Turbine in Elektrizität verwandeln, könnten das verwegene Konzept doch noch Realität werden lassen.

Seite 84

Deutsche Forscher arbeiten im sonnigen Süden Spaniens daran, die solarthermischen Kraftwerke konkurrenzfähig zu Kohle-, Gas- und Atommeilern zu machen.

Seite 94

Nach einem langen Dornröschenschlaf erwacht das Interesse am thermisch erzeugten Sonnenstrom.

Seite 96

Einer alten Idee wird neues Leben eingehaucht: solarer Strom für Deutschland aus dem Wüstengürtel Nordafrikas.

Seite 100

Die Umsetzung des Konzepts steht und fällt mit einem potenten Verbundnetz, basierend auf Gleichspannung.

Die sonnigsten Flecken der Erde

Nicht jede Region auf dem Globus eignet sich für solarthermische Kraftwerke. Da diese Anlagen – anders als Solarzellen – ausschließlich den direkten Anteil der Sonnenstrahlung in Wärme für die Stromerzeugung verwandeln können, lohnt sich ihr Bau vor allem in den Wüstengebieten Afrikas, Australiens, im Südwesten der USA und in einigen Regionen Südamerikas. Dort scheint die Sonne die meiste Zeit des Jahres weitgehend ungetrübt durch Wolken, die einen großen Teil des Sonnenlichts streuen – und damit für solarthermische Kraftwerke unbrauchbar machen. In Europa kommen für einen rentablen Betrieb nur Spanien, Griechenland, Süditalien sowie der äußerste Süden Frankreichs in Betracht.

Verzögerter Raketenstart

Die ersten solarthermischen Kraftwerke gingen Mitte der 1980er-Jahre in der kalifornischen Mojave-Wüste in Betrieb. Ihre installierte Leistung von 354 Megawatt blieb viele Jahre der einzige Beitrag zur Stromerzeugung durch Solarthermie. Erst 2007 gingen nach der langen Pause wieder die ersten neuen Kraftwerke in Betrieb: in Spanien und Nevada (USA). Seither geht es Schlag auf Schlag. So produzieren inzwischen die ersten Solarkraftwerke in Spanien elektrischen Strom. Etliche weitere Anlagen sind weltweit im Bau oder geplant. Nach Schätzung des DLR wird die installierte Leistung bis 2030 auf über 40 000 Megawatt wachsen – hauptsächlich durch Projekte in Europa.

Kosten im Sinkflug

In den nächsten 20 Jahren wird Solarstrom voraussichtlich erheblich billiger werden. Experten erwarten, dass die Kosten für die Erzeugung einer Kilowattstunde Strom in solarthermischen Kraftwerken in Südspanien oder Nordafrika von 12 bis 20 auf deutlich unter 10 Cent sinken werden. Strom aus Photovoltaik-Anlagen, der heute noch wesentlich teurer ist, dürfte sich dann zu ähnlichen Kosten produzieren lassen. Eine Verteuerung von Kohle, Öl und Gas sowie der Zertifikate für den Ausstoß von CO2 werden wohl dafür sorgen, dass der Preis für konventionell er- zeugten Strom gleichzeitig steigt.

Druckluft macht den Stich

Die Kosten für die Stromgewinnung in solarthermischen Anlagen unterscheiden sich je nach Technologie. Am preisgünstigsten lässt sich Elektrizität mit Turmkraftwerken erzeugen, bei denen Luft unter Druck erhitzt wird. Mit den höchsten Kosten muss man bei Anlagen rechnen, die nach dem Dish/Stirling-Prinzip arbeiten. Wegen der intensive- ren Strahlung lässt sich Solarstrom in Marokko deutlich günstiger erzeugen als in Spanien. Die Zahlen beziehen sich auf 2005.

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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Epi|lep|ti|ker  〈m. 3; Med.〉 jmd., der an Epilepsie leidet, Fallsüchtiger

Tes|ta|tor  〈m. 23〉 1 jmd., der ein Testament macht od. gemacht hat 2 jmd., der ein Testat gibt od. gegeben hat … mehr

Flüs|ter|brem|se  〈f. 19; Eisenb.〉 Bremssohle aus einem elastischem Material (einem Verbundwerkstoff), die bei Güterwagen im Schienenverkehr aus Gründen des Lärmschutzes verwendet wird, um das Schienengeräusch deutlich zu verringern

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