Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Rendezvous am Valentinstag

Astronomie|Physik

Rendezvous am Valentinstag
Am 14. Februar wurde der Komet Tempel 1 zum zweiten Mal von einer Raumsonde inspiziert. Im Fokus der Bordkamera: der Krater, den vor sechs Jahren ein Projektil in seinen Kern rammte.

Das gibt es nicht alle Tage: Planetologen freuen sich zurzeit über brandaktuelle Kometen-Daten. Die NASA hat dazu zwei altgediente Sonden reaktiviert, Stardust und Deep Impact. Die Forscher und Ingenieure können so mehr über die mysteriösen Himmelskörper erfahren, bevor die europäische Sonde Rosetta in drei Jahren ihren Zielkometen Tschurjumow-Gerasimenko erreicht. Dann wird Rosetta erstmals eine sanfte Kometen-Landung versuchen – nach zehn Jahren Marathon-Flug. Die Experten kennen das Risiko. Doch jede zusätzliche Information kann zum Erfolg des Manövers beitragen, und daher sind die neuen NASA-Daten höchst willkommen.

Kometen machen in Sonnennähe mit ihrem auffälligen, Millionen von Kilometern langen Schweif Furore. Er besteht aus Staub und Gas, das aus einem nur wenige Kilometer großen Eis- und Steinbrocken strömt, dem Kometenkern. Der Kern des Kometen Tempel 1 war bereits 2005 im Fadenkreuz der amerikanischen Raumsonde Deep Impact. Sie bombardierte ihn damals mit einem knapp 400 Kilogramm schweren Geschoss (bild der wissenschaft 7/2005, „ Angriff auf Tempel 1″). Der aggressiv anmutende Akt diente einem rein wissenschaftlichen Zweck: Die Forscher wollten wissen, wie ein Kometenkern unter der Oberfläche aussieht.

Nachdem Deep Impact diese Aufgabe erfüllt hatte, programmierten die NASA-Ingenieure ihn auf ein neues Ziel: 103P/Hartley, besser bekannt als Hartley 2. Der erst 1986 entdeckte Komet zieht in 6,46 Jahren seine elliptische Bahn um die Sonne. Schon während des Anflugs im Herbst 2010 bemerkten die NASA-Forscher, dass die Helligkeit von Hartley 2 bisweilen abrupt zunimmt – ein Zeichen für eine plötzliche Änderung der dort ablaufenden Prozesse. Anfang November raste die Raumsonde an dem nur zwei Kilometer langen Kometenkern vorbei. Aus rund 700 Kilometer Distanz erinnert seine Form an eine Erdnuss: ein gestreckter Körper mit einer Taille in der Mitte. Wo die Sonne das Ende des Kometenkerns erwärmt, schießen Fontänen aus Kohlendioxid und Staub ins All. An beiden Enden des Kerns prägen kantige Brocken, groß wie Mehrfamilienhäuser, die Oberfläche.

Flug durchs Schneegestöber

Für Verblüffung sorgten die Bilder der Bordkamera. Sie zeigen ein „Schneegestöber”: zahlreiche glitzernde Brocken, die dicht am Kometen als eine Art Wolke gemächlich über den schwarzen Himmel driften. Sie können die Größe von Fußbällen erreichen. „An manchen Stellen der Oberfläche reißen die Kohlendioxid-Fontänen Wassereis mit und speisen diese Wolke aus Schnee und Eis”, staunt Jessica Sunshine von der University of Maryland. So etwas hatte die Expertin noch bei keinem Kometen zuvor gesehen.

Anzeige

Die Schneebälle, mit der Hartley 2 die NASA-Sonde empfing, bestehen jedoch nicht aus massivem Eis, stellt die Planetengeologin klar, sondern vielmehr aus locker miteinander verbundenen Körnchen, die nur etwa einen Mikrometer groß sind, das entspricht einem Fünfzigstel des Durchmessers eines menschlichen Haares. Das Infrarot-Spektrometer an Bord spürte zudem auf der Oberfläche von Hartley 2 Eispartikel auf, die bloß etwa ein Tausendstel Millimeter groß sind. Die schlanke „Taille” des Kometenkerns erscheint auf den Fotos sehr glatt. Dort prägt Wasser das Geschehen: „Im Untergrund verdampft Wassereis, und der Dampf steigt durch das poröse Material auf. Deshalb sehen wir viel Wasserdampf über dieser Region”, so Jessica Sunshine.

VETERAN IM WELTALL

Die andere Raumsonde mit Anschlussauftrag heißt Stardust. Sie ist mit ihren zwölf Dienstjahren ein Veteran im All (bild der wissenschaft 12/2007, „Das neue Bild der Kometen”). Ihre Mission ist ein Kontrollbesuch bei Tempel 1. Bei dem Vorbeiflug am Valentinstag, dem 14. Februar, ging es den Forschern um die sichtbaren Veränderungen, die sich dort in den sechs Jahren nach der ersten Visite durch Deep Impact abgespielt haben. Denn Kometen sind nicht für die Ewigkeit: Immer wenn sie in Sonnennähe ihren Schweif aus Gas und Staub ausstoßen, verlieren sie Materie.

Außerdem sollte Stardust den Krater inspizieren, den das 400-Kilogramm-Projektil seinerzeit gerissen hat. Damals gab es kein brauchbares Foto von der Narbe in Tempels Kern. Unerwartet viel aufgewirbelter Staub hatte der Bordkamera die Sicht versperrt. Pech auch für die Rosetta-Mission, da die Gestalt des frischen Kraters Aufschluss über die Verhältnisse am Boden des Kometenkerns geben sollte – die große Unbekannte bei Rosettas Lande-Experiment. Nun setzten die Experten auf Stardust.

Die Missionsplaner passten einen günstigen Moment ab, damit der Krater genau im Sichtfeld der Bordkamera war, als die Sonde Tempels Kern passierte. Dafür war es wichtig, die Rotationsbewegung des Kometenkerns genau zu kennen. Mehrere Jahre lang hatten Sternwarten immer wieder ihre besten Teleskope auf den Kometen gerichtet. Auch das Hubble-Observatorium im Erdorbit hatte ihn beobachtet. „Aus dem Lichtwechsel des Kometen lässt sich die Drehung des Kerns um seine Achse ermitteln. Die Messungen ergaben, dass eine komplette Rotation rund 41 Stunden dauert”, fasst Hermann Böhnhardt vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung das Ergebnis zusammen.

Allerdings können die vom Kern ausgestoßenen Schweifgase die Kerndrehung ändern – ähnlich wie bei einem Raketenmotor. Der komplizierte Effekt wurde nun durch eine Kombination aus Beobachtungen und Modellrechnungen verifiziert. Die Wissenschaftler waren erleichter, als kurz vor dem Rendezvous klar wurde, dass die Geometrie des Anflugs gut gewählt war. So konnte man sicher sein, dass Stardust den Krater ablichten würde” , erklärt Böhnhardt. „Das Profil eines Kraters gibt generell Auskunft über die Festigkeit der Kometenoberfläche”, sagt Jay Melosh, Krater-Experte von der Purdue University im US-Bundesstaat Indiana. Größe und Tiefe sind dabei die entscheidenden Parameter.

GROUND ZERO von TEMPEL 1

Doch wer einen klar erkennbaren Krater erwartet hatte, wurde von den neuen Fotos von Tempel 1 enttäuscht: Am „Ground Zero”, wie das US-Magazin „Sky and Telescope” schrieb, waren nur vage Veränderungen zu sehen. Doch die geschulten Augen der Planetologen erkannten eine kreisähnliche Struktur von etwa 150 Meter Durchmesser. In der Mitte scheint sich darin ein kleiner Hügel zu erheben. Melosh stellt sich die Kometenoberfläche als Gemisch puderartiger und stark poröser Materie vor: eine Mixtur aus Wassereis, Silikaten und Kohlenwasserstoffen. „Momentan sieht es so aus, als wäre durch den Einschlag das umliegende Material verflüssigt worden”, meint Melosh. Der ursprünglich tiefe Krater scheint sich durch zurückfließendes Materie zum Teil wieder gefüllt zu haben. Melosh hofft, mehr durch eine genaue Bildauswertung zu erfahren.

Für Rosetta lautet die zentrale Frage: Kann die Kometenoberfläche überhaupt den 100 Kilogramm schweren Lander tragen? „Ich mache mir da keine Sorgen”, sagt Melosh und verweist auf die geringe Schwerkraft. Auf einem Kometenkern ist sie nur etwa ein Hunderttausendstel so groß wie auf der Erde. Immerhin hält die Oberfläche von Tempel 1 das Gewicht von mehreren zehn Meter hohen Steilklippen aus, wie Fotos zeigen. Ob aber auch Rosettas Zielkomet Tschurjumow-Gerasimenko so tragfähig ist, muss sich erst noch herausstellen. Die Landung ist im November 2014 geplant. ■

von Thorsten Dambeck

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Dossiers
Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Lan|de|ma|nö|ver  〈[–vr] n. 13; Flugw.〉 das Aufsetzen (eines Luftfahrzeugs) auf den Boden

♦ Hy|dro|zo|on  〈n.; –s, –zo|en; Zool.〉 zu den Nesseltieren gehöriger Wasserbewohner: Hydrozoa [<grch. hydor … mehr

Ok|ka|si|o|na|lis|mus  〈m.; –; unz.; Philos.〉 philosophische Lehre, die Leib u. Seele als Zweiheit betrachtet, die Wechselwirkung beider verwirft u. ihre Übereinstimmung auf Gott zurückführt, der bei ”Gelegenheit“ von körperlichen Bewegungen seelische Reaktionen auslöst u. umgekehrt bei ”Gelegenheit“ von Willensakten Bewegungen erzeugt

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige