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Streicheln, Beamen und Verschlüsseln

Astronomie|Physik Technik|Digitales

Streicheln, Beamen und Verschlüsseln
Licht kann vieles erhellen: Es hilft beim Zählen von Atomen genauso wie bei der Suche nach Minen oder bei der abhörsicheren Übertragung von Daten.

Behutsam legt Arnold Nicolaus die silbrig glitzernde Kugel auf eine Halterung aus Kunststoff, die fest mit dem schweren stählernen Labortisch verschraubt ist. Um die Apparatur herum stehen Laser, Kameras, Linsen und Blenden. Nachdem er die Kugel befestigt und ausgerichtet hat, schließt der Physiker die Haube über dem Interferometer. Die Kugel verschwindet in völliger Finsternis. Kein Streulicht von außen soll die Messung stören. Dann schaltet Nicolaus den Laser ein. Es geht los. Sanft tastet das Laserlicht den spiegelnden Ball ab. Reflexionen überlagern sich und erzeugen ein Lichtmuster, das eine Kamera auffängt. Ein Computer berechnet daraus die Gestalt der Kugeloberfläche – bis auf die Größe eines einzelnen Atoms genau. Danach dreht Arnold Nicolaus per Fernsteuerung die Kugel vorsichtig ein wenig und startet den Laser neu.

Die Resultate der aufwendigen Messungen an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig bringen den Physiker Schritt für Schritt näher ans Ziel: Er will zählen, wie viele Atome in der geheimnisvollen Kugel stecken. Dazu muss er deren Volumen präzise vermessen. Und das geht nur mithilfe von Licht – in einer optischen Apparatur, die Nicolaus und sein Team eigens dafür entwickelt und gemeinsam mit Experten der Optik-Unternehmen Carl Zeiss und Jenoptik aufgebaut haben.

leuchtendeR Finger an den Atomen

Wie groß die Herausforderung ist, die die PTB-Forscher mit ihrem leuchtenden Finger bewältigen wollen, macht die schiere Menge an Materiebausteinen deutlich, mit der sie es dabei zu tun haben: Jedes Mikrogramm der Kugel, die aus 99,99 Prozent isotopenreinem Silizium-28 besteht, enthält rund 20 Billiarden Atome. Die Kugel wiegt exakt ein Kilogramm. Und sie soll helfen neu festzuschreiben, wie viel Masse dieses Kilogramm auf die Waage bringt.

Bislang ist das Kilogramm durch einen Zylinder aus Platin und Iridium definiert. Er wird unter drei gläsernen Hauben in einem Tresor am französischen Büro für Maße und Gewichte im Pariser Vorort Sèvres aufbewahrt. Seit 1889 dient der Metallblock als Eichmaß, das festlegt, wie schwer ein Körper mit genau einem Kilogramm Masse ist. Weltweit gibt es ein paar Dutzend identischer Kopien des Pariser Ur-Kilogramms, fünf davon an der PTB. Alle paar Jahrzehnte werden das Original und die Nachbildungen miteinander verglichen. Dabei haben die Hüter des Kilogramms festgestellt, dass das Ur-Kilogramm von Paris allmählich an Masse verliert. Minimal, aber merklich: „Der Verlust beträgt rund fünf Mikrogramm in zehn Jahren“, berichtet Arnold Nicolaus, der an der PTB die Arbeitsgruppe „Forschung und Entwicklung interferentielle Längenmessung“ leitet. Als Grund vermuten die Forscher Wasserstoff, der beim Schmelzen der Legierung in dem Metall eingelagert wurde und nun langsam als Gas aus dem Zylinder austritt.

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Ein Schwund in dieser Größenordnung würde beim Einkauf in der Metzgerei oder beim morgendlichen Tritt auf die Waage nicht auffallen. Doch für die Wissenschaftler ist er ärgerlich. Denn das Kilogramm geht auch in andere physikalische Grundgrößen und Gleichungen für Naturgesetze ein. Daher müssten die Wissenschaftler immer wieder am Wert des Kilogramms nachjustieren, um die Schwindsucht des Pariser Zylinders auszugleichen.

Das Kilogramm ist die einzige Basiseinheit im Internationalen Einheitensystem (SI), die sich nicht auf feste Naturkonstanten zurückführen lässt. Da liegt es für die Physiker nahe, statt an der Einheit herumzudrehen, eine grundlegende Lösung zu finden. Sie suchen deshalb nach einer neuen Definition des Kilogramms. Und die könnte das Zählen der Atome in der 9,36 Zentimeter großen Silizium-Kugel sein. „Aus der Zahl der Atome lässt sich die Avogadro-Konstante präzise ermitteln und neu definieren“, sagt Nicolaus – und damit auch das Kilogramm. Die Avogadro-Konstante gibt an, wie viele Atome eine bestimmte Menge eines Stoffs, ein „ Mol“, enthält. Um sie zu ermitteln, müssen die Forscher vier Werte bestimmen: die Zahl der Atome pro kristallinem Grundbaustein im Silizium, die Masse eines Mols an Silizium-Atomen, die Masse der ganzen Kugel – und ihr Volumen. Das können die Wissenschaftler errechnen, wenn sie die Topographie der Kugeloberfläche genau kennen. Und die ertasten sie durch das „Streicheln“ mit Laserlicht.

Den Silizium-Kristall für die Kilogramm-Kugel haben Chemiker am Institut für Kristallzüchtung in Berlin-Adlershof gezogen. Zuvor waren Atomphysiker an russischen Forschungsinstituten in St. Petersburg und Nishni Nowgorod gefragt: Sie hatten natürlich vorkommendes Silizium, das unterschiedliche Isotope enthält, in fast reines Silizium-28 verwandelt. Dazu verwendeten sie rund 30 000 Spezialzentrifugen, die bisher zum Aufbereiten von Kernbrennstoff aus Uran dienten und aufwendig auf die Anreicherung von Silizium umgerüstet wurden. Experten in Australien schliffen schließlich den Silizium-Kristall per Hand zu einer fast perfekten Kugel. Den Rest erledigt nun das Licht.

Die Messungen der PTB-Physiker bestätigen, dass die australischen Politeure ganze Arbeit geleistet haben: Der Unterschied zwischen der höchsten Erhebung und der tiefsten Mulde auf der Oberfläche der Kugel beträgt bloß 100 Nanometer. „Auf die Erde übertragen würde diese Höhendifferenz bedeuten, dass der Mount Everest den tiefsten Graben im Ozean nur um rund 14 Meter überragt“, erklärt Arnold Nicolaus. Die Laserapparatur in Braunschweig kann diese winzige Abweichung von der runden Gestalt erkennen. Die Wissenschaftler der PTB sind damit dicht an ihrem Ziel. Schon bei der nächsten Konferenz der internationalen Einheitshüter 2011 könnten ihre Messungen zur neuen Basis für die Definition des Kilogramms gekürt werden. Der schwindsüchtige Massen-Veteran in Paris hätte dann ausgedient.

Kometenhafter Aufstieg

Licht hilft nicht nur beim Vermessen von Oberflächen und Zählen von Atomen. Optische Technologien legen zurzeit einen kometenhaften Aufstieg hin – und erobern viele neue Anwendungen in Technik, Medizin, Industrie, Verkehr und Grundlagenforschung. Licht dient längst nicht mehr nur dazu, das Dunkel zu erhellen. Es fungiert als universelles Werkzeug für fast jeden Zweck – etwa zum Schneiden, Bohren, Putzen, Heizen, Kühlen, Drucken, Heilen und Kommunizieren. Maßgeblich zu diesem Höhenflug beigetragen hat die Erfindung des Lasers – eines Geräts, das Licht mit ganz besonderen Eigenschaften liefert. Vor genau 50 Jahren, im Mai 1960, gelang es dem Physiker Theodore Maiman in einem Labor in Kalifornien zum ersten Mal, Laserlicht zu erzeugen (siehe Kasten linke Seite „Megasprint nach lahmem Start“).

Heute hilft das Licht aus Laserlampen etwa, Haut- oder Darmkrebs frühzeitig zu entdecken. Und man kann alte Gemälde schonend damit reinigen. Auch die blitzschnelle Übertragung riesiger Datenmengen via Internet wäre ohne Laserlicht unmöglich. Um Filme, Musikstücke, aktuelle Nachrichten und komplette TV-Programme auf die Reise um den Globus zu schicken, verstaut ein Sender die digitalen Daten in Lichtsignalen und schickt sie durch das Netz von Glasfaserkabeln, das die ganze Welt umspannt. Auf DVD oder Blu-ray Disc lassen sich Texte, Videos und Bilder speichern und wieder auslesen – auch das mithilfe eines Laserstrahls. Schon bald sollen sich auf neuartige Speichermedien sogar noch 100-mal mehr Bytes packen lassen. Und auch das erledigt ein Laser: Er prägt die Daten als dreidimensionales Hologramm auf eine lichtempfindliche Kunststoffschicht. Der US-Konzern General Electrics will einen solchen Holo-Speicher bis 2012 auf den Markt bringen.

Seltsames Doppelleben

Die Vielfalt der Anwendungen basiert nicht zuletzt auf der mysteriösen Doppelnatur des Lichts: Manchmal verhält es sich wie eine elektromagnetische Welle – wie beim Vermessen der Braunschweiger Kilogramm-Kugel, wo Wellen an der Oberfläche des polierten Siliziums reflektiert werden und sich mit dem nicht reflektierten Teil des Lichts überlagern. Manchmal wirkt ein Lichtstrahl wie ein Bündel aus einzelnen Teilchen, die mit rund 300 000 Kilometern pro Sekunde dahinrasen. Die Physiker nennen die unfassbar schnellen und masselosen Lichtpartikel Photonen. Das seltsam zwiespältige Verhalten des Lichts hat Generationen von Wissenschaftlern in den Bann gezogen. Auch Albert Einstein beschäftigte sich mit dem bizarren Wesen des Lichts. Er ging vor allem dem Photoeffekt auf den Grund: Mit Licht lassen sich – unter bestimmten Voraussetzungen – Elektronen aus einem Metall herauslösen. In einem Halbleiter kann man so einen elektrischen Strom hervorzaubern. Darauf beruht beispielsweise die Stromerzeugung aus Sonnenlicht in Solarzellen.

Ob das Licht Elektronen in einem Festkörper losreißen kann, hängt von seiner Wellenlänge ab, was sich nicht durch die Vorstellung von Licht als elektromagnetische Welle deuten lässt. Einstein ersann deshalb eine Erklärung des Photoeffekts, die den auftreffenden Lichtstrahl als Teilchenhagel betrachtet. Damit bereitete er den Weg für die Entwicklung der Quantenmechanik. Erst diese für Laien schwer verständliche physikalische Theorie erhellte das Dunkel um die Doppelnatur des Lichts.

Das Licht ist die Sprache der Quantenwelt. Auch Leuchtdioden lassen sich durch sie verstehen. Die leuchtenden Kristalle verstrahlen ihr Licht dank einer Art von umgekehrtem Photoeffekt: Ein elektrischer Strom, den man durch einen winzigen Halbleiter-Kristall schickt, erzeugt Photonen, die den halbleitenden Krümel zum Leuchten bringen – je nach Material in einer anderen Farbe. Leuchtdioden, kurz LED, sind die neuen Stars unter den Lichtquellen. Sie werden in Zukunft Wohnräume, Bürogebäude, Werbewände und Innenstädte beleuchten, ist Tranc Quoc Khanh überzeugt, der das Fachgebiet Lichttechnik am Institut für Elektromechanische Konstruktionen der Technischen Universität Darmstadt leitet. In Automobilen haben die leuchtenden Zwerge längst Einzug gehalten. „Und seit einigen Jahren stecken sie bei den ersten Fahrzeugen sogar in den Frontscheinwerfern, die große Ansprüche an die Leistungsfähigkeit der Lichtquellen stellen“, sagt Christoph Schiller, ein wissenschaftlicher Mitarbeiter an Khanhs Institut.

Viel Strom fürs strassenlicht

Ein besonders großes Potenzial für neuartige LED-Leuchten sieht Schiller bei der Straßenbeleuchtung. „Von den über neun Millionen Straßenleuchten in Deutschland ist ein Drittel älter als 30 Jahre“, sagt er. Häufig handelt es sich dabei um Quecksilberdampflampen – eine veraltete und ineffiziente Technologie. Rund 760 Millionen Euro werden in deutschen Städten und Gemeinden pro Jahr für die etwa vier Milliarden Kilowattstunden Strom ausgeben, die Straßenlampen verbrauchen. Davon ließe sich rund die Hälfte sparen – wenn die Kommunen die alten Lampen durch moderne LED-Modelle ersetzen würden, die weit weniger verschwenderisch mit elektrischer Energie umgehen. Vorreiter sind zum Beispiel Düsseldorf, Hannover, Stuttgart und Darmstadt. Dort haben die Stadtväter mehrere Hundert Meter lange Straßenstücke mit LED-Leuchten ausgestattet. Nun sollen weitere Straßenzüge folgen.

Ein neuer Massenmarkt für Leuchtdioden entwickelt sich zurzeit bei Mini-Beamern – winzigen Projektoren, die einfach zu bedienen sind, nicht heiß laufen und extrem lange halten. Die Beamer-Zwerge lassen sich auch in Handys oder Digitalkameras einbauen. Ihr Licht beziehen sie von LEDs, die erst nach einigen 10 000 Betriebsstunden schlapp machen. Weltweiter Marktführer ist Asia Optical aus Taiwan. 2009 verkaufte das Unternehmen rund 100 000 Projektor-Zwerge, die vor allem in Mobiltelefonen stecken. 2010 sollen es schon 8 Millionen sein – ein Sprung auf das 80-Fache in nur zwölf Monaten. Für kräftiges Wachstum soll der Trend zu Filmen im 3D-Format sorgen, der die Menschen seit einigen Monaten scharenweise in die Kinos treibt. Bald sollen auch die Miniatur-Beamer plastische Filme an die Wand werfen können. Asia Optical will noch in diesem Jahr die ersten 3D-tauglichen Geräte präsentieren.

Morsezeichen im Flieger

Hochfliegende Pläne mit LEDs hat auch Harald Haas. Der Ingenieurwissenschaftler der Jacobs University in Bremen hat ein optisches Kommunikationssystem entwickelt, das Daten in der Kabine eines Flugzeugs mithilfe von Leuchtdioden übertragen kann. Statt elektronischer Signale, die durch dicke Kabelbündel fließen, sollen so künftig Informationen an Bord durch „ leuchtende Morsezeichen“ ausgetauscht werden. Das spart Geld und Gewicht, da die schweren Kabelstränge in den Jets deutlich abgespeckt werden können. Es gibt dabei nichts, was die sensible Bordelektronik stören könnte. Das raffinierte Prinzip der Lichtkommunikation: Durch eine veränderliche elektrische Spannung wird die Menge an Photonen, die die LEDs ausspucken, zeitlich moduliert: Wie beim Senden von Morsesignalen schwankt die Helligkeit des Lichts. Die übertragenen Informationen verbergen sich im Wechsel aus Hell und Dunkel, der so schnell vor sich geht, dass er für menschliche Augen unsichtbar ist. „Die Nutzung von Licht zur drahtlosen Datenübertragung kann man als Revolution bezeichnen“, sagt Haas, der viele Anwendungen dafür sieht: zum Beispiel Autos, die über ihre LED-Scheinwerfer Verkehrsinformationen austauschen – etwa Warnungen vor einem Stau oder vor Glatteis. Haas denkt auch an Energiespar-Ampeln, die dafür sorgen, dass die Motoren wartender Fahrzeuge automatisch ab- und wieder angeschaltet werden – auf Kommando durch LED-Blinklicht.

Forscher am Fraunhofer Heinrich-Hertz- Institut in Berlin arbeiten derweil zusammen mit Ingenieuren von Siemens daran, die Datenübertragung per Photonen fit für Büro und Wohnzimmer zu machen. Dort sollen codierte Lichtsignale künftig etwa den Fernseher oder Computer mit Daten versorgen. Ein Vorteil: Anders als die heute gebräuchlichen WLAN-Funknetze wäre diese Technologie sicher vor heimlichen Datenräubern. Denn an die Daten kommt nur heran, wer einen Empfänger direkt in den Lichtkegel hält.

geballte Power der Photonen

Den Lichtstrahl, mit dem Ulrich Petschke vom Laser Bearbeitungs- und Beratungszentrum (LBBZ) in Geilenkirchen hantiert, sollte man auf jeden Fall meiden, Denn der Physiker setzt auf die geballte Kraft einer Ladung energiereicher Photonen. Gemeinsam mit Forschern aus mehreren anderen nordrhein-westfälischen Instituten und Unternehmen hat LBBZ-Forscher Petschke ein System entwickelt, um mit Laserlicht Landminen unschädlich zu machen – ohne Risiko für Leib und Leben von Menschen.

Obwohl sie offiziell geächtet sind, liegen weltweit über 100 Millionen solcher Minen in gegenwärtigen oder früheren Kriegsgebieten, schätzen Experten der Vereinten Nationen. Ihr grausamer Zweck: Sie sollen wahllos Menschen treffen und dadurch Angst und Schrecken in der Bevölkerung verbreiten. „Die meisten Minen sind recht simpel gebaut“, sagt Martin Traub vom Fraunhofer-Institut für Lasertechnik in Aachen. „Sie bestehen im Wesentlichen aus einer Kunststoffhülle, die zum Beispiel mit dem Sprengstoff TNT gefüllt ist.“ Die Sprengstoffmenge ist gering. Doch sie genügt, um jedes Jahr rund 25 000 Menschen zu töten oder zu verstümmeln. Auch das Räumen der Minen ist gefährlich. Meist stochern die Minenräumer mit langen Nadeln im Gelände herum, um die explosiven Kapseln aufzuspüren. Das Risiko ist groß, dass dabei eine Mine hochgeht und den Helfer verletzt oder tötet.

Bakterien als Spürnasen

Das von den deutschen Forschern entwickelte neue System soll solche waghalsigen Missionen überflüssig machen. Das Prinzip: Die Personenminen werden nicht per Hand gezündet, sondern durch einen Laserstrahl aus sicherer Entfernung verbrannt. „Dazu sengt ein energiereicher eng fokussierter Laserstrahl ein kleines Loch in die Hülle der Mine, was den Sprengstoff darin Feuer fangen lässt“ , erklärt Traub. Das Abbrennen per Laserbeschuss funktioniert aus bis zu 200 Meter Entfernung. Doch zunächst müssen die Stellen im Gelände ausfindig gemacht werden, an denen Minen liegen. Dafür haben unter anderem Forscher am Aachener Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie (IMA) eine geniale Lösung weiterentwickelt: Bakterien, die empfindlich auf den Sprengstoff in den Minen reagieren, sollen als mikrobiologische Spürhunde dienen. Das Konzept: Vom Flugzeug aus werden kleine, mit den Bakterien gefüllte Kugeln über dem verminten Gebiet verstreut. Am Boden sprechen die Mikroorganismen dann auf geringe Spuren von Gas an, das aus fast allen Minen austritt. Die Folge ist eine biochemische Reaktion, durch die die Bakterien im Licht bestimmter Wellenlänge fluoreszieren. Um ihr schwaches Glimmen sichtbar zum machen, strahlt man die Bakterien-Kügelchen aus der Luft mit Laserlicht spezieller Wellenlänge an. Dort, wo Bakterien sitzen, die an Sprengstoff geschnuppert haben, blinkt es vom Boden zurück. Die so entdeckten Positionen der Minen werden in einer Karte verzeichnet, die beim Beschuss mit dem zerstörerischen Laserstrahl als Zielhilfe dient.

Ritterschlag aus Genf

Bei Tests auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz der Bundeswehr im November 2009 hat der Laser-Minenräumer des LBBZ seine Funktionsfähigkeit unter Beweis gestellt. Nun will Ulrich Petsche, der für die Entwicklung verantwortlich ist, dem System zu Einsätzen in der Praxis verhelfen. „Dazu stehen wir mit dem Genfer Internationalen Zentrum für Humanitäre Minenräumung in Kontakt“, berichtet er. „In dessen nächstem Katalog von zertifizierten Technologien wird auch unser LBBZ- System erscheinen“ – eine Art Ritterschlag für die Laser-Methode. Das lässt Petschke hoffen, bald in einem tatsächlich verminten Gelände – etwa im ehemaligen Jugoslawien – seinen Laser auf die gefährlichen Sprengkörper richten zu können.

Weit mehr Gewalt als die leuchtenden Minenzünder aus Nordrhein-Westfalen entwickeln die 192 wuchtigen Laserkanonen, die in einer Halle von der Größe mehrerer Fußballfelder im kalifornischen Städtchen Livermore stehen. Mithilfe dieser stärksten Laseranlage der Welt wollen die Forscher an der National Ignition Facility (NIF) erstmals eine Kernfusion per Laserlicht zünden (bdw 4/2008, „Das Monster von Livermore“). Dazu richten sie die riesigen Laser kranzförmig auf ein kleines Bläschen, das mit Wasserstoff gefüllt ist – und starten die Kanonade. Das Bombardement von wenige Nanosekunden kurzen, extrem intensiven Laserblitzen lässt das Brennstoff-Kügelchen schlagartig implodieren. Dadurch, so das Ziel der Forscher, verschmelzen die Atome des Wasserstoffs zu Helium – ein Prozess, der auch im Inneren der Sonne abläuft und immense Energiemengen freisetzt. Die US-Forscher wollen das künstliche Sonnenfeuer zur Simulation von Atombomben-Explosionen nutzen. Doch es könnte auch die Basis für eine künftige Energiegewinnung in Kernfusionsreaktoren schaffen. Im Sommer 2009 gingen die riesigen Laser von Livermore in Betrieb. Seit Februar 2010 werden sie zunächst mit gedrosselter Leistung getestet. Im Oktober soll genügend Laserpower zur Verfügung stehen, um zum ersten Mal per Licht eine Kernfusionsreaktion zu zünden. ■

von Ralf Butscher

Vom Schlüssel bis zum Scheibenwischer

Licht ist das Lebenselixier des Autos. Das beginnt bei der Fertigung der Einzelteile wie Getriebe, Bremsen, Kraftstofffilter und Ventile, die per Laser geschweißt, gebohrt oder beschichtet werden. Während der Fahrt sorgen in immer mehr Fahrzeugen LEDs für eine sparsame und flexible Beleuchtung, optische Sensoren verbessern die Sicht bei Nacht oder helfen beim Abstandhalten.

Spielen mit Licht und Schatten

Was verbindet das Licht mit der Kunst, Herr Batz?

Das Imaginäre, das Vorstellbare. Licht ist Sprache, genauer: eine Frage. Die Antwort ist das Bild. Lichtgestaltung bewegt sich zwischen dem Sichtbaren und dem Vorstellbaren. Mache ich alles nur sichtbar, hell, wird es banal. Übertreibe ich den Anteil des Vorstellbaren, bleibt nichts oder zu wenig von der Welt sichtbar. Licht ist immer ein reflektiertes Spiel mit dem Schatten, ein Balancieren zwischen Gegensätzen wie An- und Abwesenheit.

Was lässt sich mit Licht vermitteln?

Eine zweite Erzählung, die nur bei Dunkelheit zu haben ist. Licht ist eine Literatur der Nacht, ein Dialog mit Gebäuden, Objekten, Stadträumen, Augenblicken. Im Leuchten zeigt sich gesteigerte Präsenz, lebendige Energie, Vergrößerung der Welt im Bild, gesellschaftliche Verbindung.

Welche Werkzeuge benutzen Sie?

Bei Architektur verwende ich vor allem sparsame Entladungslampen und LEDs, bei temporären Inszenierungen auch Leuchtstofflampen.

Wie viel elektrische Energie ist nötig, um etwa den Reichstag zu illuminieren?

Wegen des Einsatzes unter anderem von LEDs: kaum mehr, als eine Waschmaschine mit Schleudergang benötigt.

Wie wichtig sind neue Lichtquellen?

Neue Lichtquellen wie LED und OLED werden unsere Städte verändern. Allerdings werden bereits vorhandene Leuchtmittel wie die Entladungslampen weiterhin Bestand haben.

Bei welchem Objekt würden Sie am liebsten Ihre Licht-Akzente setzen?

Zum einen reizen mich die zahllosen Tunnel und Unterführungen, die urbane „Unorte“ geworden sind, um sie dem öffentlichen Alltagsleben wiederzugeben. Zum anderen Brücken: wegen der Nähe des Wassers, und weil Licht selbst eine Brücke ist – schwerelos und schön.

Kompakt

· Das Kilogramm soll neu definiert werden. Ein wichtiger Helfer dabei ist Laserlicht.

· Leuchtdioden revolutionieren die Beleuchtung von Autos, Straßen, Wohn- und Geschäftsgebäuden.

· Mit Laserstrahlen wollen deutsche Forscher Minen gefahrlos entschärfen.

Die Scharfe Lupe an der Elbe

Von „Licht“ sprechen Physiker meist nur bei elektromagnetischen Wellen, die eine Wellenlänge zwischen 380 und 780 Nanometern haben. Das ist der kleine Ausschnitt des elektromagnetischen Spektrums, den die menschlichen Augen wahrnehmen können. Die Macht der Photonen, der Lichtteilchen, reicht aber wesentlich weiter. So erfolgt die Übertragung von Daten oder Telefongesprächen über Glasfaserkabel mit infrarotem Licht. Das hat ähnliche Eigenschaften wie das sichtbare Licht, aber eine größere Wellenlänge – und ist damit für die menschlichen Augen unsichtbar. Auf der anderen Seite der Wellenlängenskala schließt sich ultraviolettes (UV-)Licht ans „ normale“ Licht an. Wegen seiner kleineren Wellenlänge sind seine Partikel energiereicher als die Photonen des Lichts. Das nutzt man beispielsweise, um Trinkwasser zu desinfizieren. In einem Strahl von UV-Licht gehen die meisten Bakterien und Keime im Wasser zugrunde.

Noch mehr Energie steckt im Röntgenlicht, mit dem man in den menschlichen Körper und in viele Werkstoffe hineinleuchten kann. Da Röntgenlicht eine kurze Wellenlänge von wenigen Nanometern hat, eignet es sich vorzüglich, um winzige Strukturen wie mit einem Mikroskop unter die Lupe zu nehmen. Das nutzen Forscher am Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg. Sie haben im November 2009 eine riesige neue Röntgenlampe namens „Petra III“ in Betrieb genommen, die intensive Röntgenstrahlen erzeugt. Damit wollen die DESY-Wissenschaftler etwa die Strukturen von neuartigen Nanomaterialien und von Bio-Molekülen ins Visier nehmen, die sich für neue Medikamente eignen könnten.

Doch Petra III ist erst der Anfang. Nicht weit entfernt von dieser Anlage begannen im Januar 2009 die Bauarbeiten für ein noch viel größeres und leistungsfähigeres Röntgen-Mikroskop: XFEL. Das Kürzel bedeutet „X-Ray Free Electron Laser“ und steht für eine internationale Forschungsmaschine der Superlative. Ab 2014 soll sie in einem 3,4 Kilometer langen Tunnel zwischen dem DESY- Gelände in Hamburg-Bahrenfeld und Schenefeld in Schleswig-Holstein extrem energiereiches Röntgen-Laserlicht erzeugen. Damit wollen Forscher aus aller Welt chemische Reaktionen live „filmen“, die Faltung von Eiweiß-Molekülen beobachten und die extremen Verhältnisse nachbilden und untersuchen, denen Materie im Inneren von Planeten ausgesetzt ist.

Plomben aus Photonen

Es geht um viel Geld. Nach Schätzungen des FBI werden allein Unternehmen in den USA pro Jahr durch Computerkriminelle um rund 70 Milliarden Dollar erleichtert. Deshalb ringen Forscher um Methoden, die etwa Banktransaktionen zuverlässig sichern können. „ Die einzige Möglichkeit dazu bietet die Quantenkryptographie“, meint Dieter Bimberg, Leiter des Instituts für Festkörperphysik der Technischen Universität Berlin. Um diese Technologie zu realisieren, setzt er auf die Hilfe einzelner Lichtteilchen, der Photonen. Sie dienen als Schlüssel, mit dem codierte Daten vom Empfänger gelesen werden können.

Bislang wird der Code auf konventionelle Weise mit vielen Photonen übertragen, etwa per Internet. Einige dieser Photonen können abgezweigt werden, wodurch Spionen Tür und Tor geöffnet sind. „Bei der Quantenkryptographie dagegen steckt der Schlüssel in den quantenmechanischen Eigenschaften der Photonen“, erklärt Bimberg. Und die lassen sich nicht unbemerkt ausspähen. Den Berliner Physikern gelang es, einzelne Photonen zu generieren, die polarisiert sind, also in einer bestimmten Richtung schwingen. Versucht ein Lauscher den Code eines Schlüssels zu knacken, zerstört er unweigerlich die Polarisation – und sein Eingriff wird sofort bemerkt.

Um die Photonen für einen Quantenkryptographen zu erzeugen, verwendet Bimberg „Quantenpunkte“ – nur wenige Nanometer kleine Strukturen aus einem Halbleiter. „Sie sind so winzig, dass sie ähnliche physikalische Eigenschaften haben wie ein einzelnes Atom“ , sagt Bimberg. Daher können sie, wie ein Atom, tröpfchenweise einzelne Lichtteilchen aussenden. In wenigen Jahren, ist der Physiker überzeugt, wird diese Technologie bei Banken und Versicherungen Einzug halten – zur Freude des FBI.

Megasprint nach lahmem Start – 50 Jahre Laser

Am 16. Mai 1960 zündete der US-Physiker Theodore Maiman den ersten Laserblitz. Es war ihm gelungen, das einige Jahre zuvor von seinem Landsmann und Fachkollegen Charles Townes entwickelte Verfahren für Mikrowellen – „Maser“ – auf sichtbares Licht zu übertragen. Das Wort „Laser“ ist ein Akronym und heißt ins Deutsche übersetzt: Lichtverstärkung durch stimulierte Emission von Strahlung. Maimans Erfindung sorgte für Goldgräberstimmung: Licht war zum Werkzeug geworden. Doch die Ernüchterung folgte bald, weil es nicht gelang, den Laser ohne viel Aufwand in bestehende Konzepte zu integrieren. Mitte der 1960er-Jahre sprach man deshalb noch von einer „Technologie auf der Suche nach einer Anwendung“. Zwar experimentierten die Forscher bald nach der Erfindung damit, die neuartige Lichtquelle etwa zur Augenbehandlung und in der Chirurgie einzusetzen, doch die Ergebnisse waren zunächst enttäuschend. Erst nachdem man immer speziellere Laser entwickelt und neue Anwendungen für deren Licht ersonnen hatte, begann tatsächlich „der Siegeszug des Lichts“. Es ist erstaunlich, wo heute überall ein Laser seinen Dienst tut – etwa im CD-Spieler, bei der Müllsortierung und in der Laserharfe, die bei den Konzerten des französischen Musikers Jean Michel Jarre erklingt. mv

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Pflug|schar|bein  〈n. 11; Anat.〉 Schädelknochen, der wie eine Pflugschar auf dem Boden der Nasenhöhle steht u. das Knorpelgerüst der Nase stützt: Vomer

Kin|der|psy|cho|lo|gie  〈f. 19; unz.〉 Teil der Psychologie, Wissenschaft von der seel. Entwicklung der Kinder u. ihrem Verhalten

Ter|ra|ri|um  〈n.; –s, –ri|en〉 Behälter zur Pflege u. Zucht von Lurchen u. Kriechtieren [nlat. <lat. terra … mehr

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