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Wenn es im Meer zischt und brodelt

Allgemein

Wenn es im Meer zischt und brodelt
Mit Bohrungen und seismischen Messungen kommen Forscher der Entstehung des Methanhydrats auf die Spur.

Das brennende Eis im Meeresboden ist immer für eine Schlagzeile gut: Methanhydrat, eine Verbindung aus Wasser und dem Treibhausgas Methan, gilt als Klimagefahr, potentielle Rohstoffquelle und Auslöser von Unterwasser Erdrutschen (bild der wissenschaft 6/2002, „Poseidons gefährliche Gase“). Unklar blieb allerdings, wie konzentriert das Hydrat im Meeresboden vorkommt und ob es in der so genannten Stabilitätszone gleichmäßig verteilt ist. In dieser oft mehrere hundert Meter dicken Schicht des Meeresbodens liegen Druck und Temperatur in dem Bereich, in dem das Hydrat stabil ist.

„Die Methanhydrat-Vorkommen sind sehr heterogen und dynamisch“ , fasst Gerhard Bohrmann, Professor an der Universität Bremen, neue Untersuchungen mit Hilfe verbesserter Messmethoden zusammen. Im vergangenen Sommer hatte der Geophysiker gemeinsam mit Kollegen den Hydratrücken untersucht – ein Unterwassergebirge vor der Küste Oregons. Vom Forschungsschiff „Joides Resolution“ aus bohrten die Wissenschaftler die Hydratschicht an neun Stellen an. Die Bohrkerne wurden dabei erstmals in speziellen Druckkammern gefördert, um die physikalischen Eigenschaften des Hydrats unter Originalbedingungen zu messen.

Bohrmann und seine Kollegen stellten fest, dass sich die Gashydrate sehr ungleichmäßig im Meeresboden verteilen: In den gewöhnlich zehn Meter langen Bohrkern-Stücken waren meist zwei bis vier Schichten, in denen das Hydrat die Poren wie ein feines Netz durchsetzte, während die Schichten dazwischen frei von Hydrat waren. Bei zwei Bohrungen stießen die Forscher auf grobkörnige Schichten, in denen Hydrat massiv die Klüfte ausfüllte. Ein Horizont aus grober Vulkanasche wurde bei drei Bohrungen durchstoßen. Die Forscher vermuten, dass entlang dieser Ascheschicht Methan und andere Gase zum südlichen Gipfel des Hydratrückens geleitet werden. Die obersten 60 Meter des Meeresbodens enthalten dort große Mengen festes Hydrat. An einigen Stellen ist der Meeresboden völlig „trocken“: Das gesamte Wasser in den Poren des Sediments ist als Hydrat gebunden. Deshalb fanden die Geophysiker innerhalb der Stabilitätszone, in der das Methan eigentlich sofort zu Hydrat gefrieren sollte, auch freies Methangas.

Dass der Gastransport eine große Rolle bei der Verteilung des Hydrats spielt, postuliert auch Warren Wood vom US Naval Research Laboratory. Mit hoch auflösenden seismischen Messungen vor Vancouver Island haben er und seine Kollegen zahlreiche kaminförmige Schlote innerhalb der Gashydratzone aufgespürt. Die Forscher halten die Schlote aufgrund von Modellrechnungen für Kanäle, durch die freies Methangas zusammen mit warmen Flüssigkeiten in die 200 Meter dicke gefrorene Schicht steigt.

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Die Geophysikerin Nina Kukowski vom Geoforschungszentrum Potsdam hat ebenfalls den Flüssigkeitstransport in der Gashydratzone modelliert. Sie ist davon überzeugt, dass im Meeresboden zirkulierendes Wasser die Hydratvorkommen ständig verändert. Was die neuen Erkenntnisse für die Stabilität des Gashydrats bedeuten, ist noch unklar. „Die Untergrenze der Hydratzone wird durch die Existenz der Kamine teilweise nach oben verschoben“, erläutert Ingo Pecher vom Institute for Geological and Nuclear Sciences in Neuseeland.

Geringe Druck- oder Temperaturänderungen genügen, um das Hydrat in der Nähe der Grenzschicht zu zersetzen. Je mehr Hydrat sich am Rande des Stabilitätsbereiches befindet, desto größer ist die Gefahr, dass sich – etwa nach einer Erwärmung des Bodenwassers – im Meeresboden größere Gasmengen ansammeln, die sich plötzlich einen Weg nach oben sprengen. Pecher hält es allerdings auch für möglich, dass – umgekehrt – die Gaskamine den Meeresboden stabilisieren könnten, indem sie aufgelöstes Methangas wie Überdruckventile ablassen. Dann wäre die Gefahr nicht so groß, dass schmelzendes Hydrat weite Teile eines Kontinentalhangs ins Rutschen bringt.

Ute Kehse

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