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Sterntaler

Astronomie|Physik Erde|Umwelt

Sterntaler
Einst hagelte es Gold und Platin vom Himmel. Die Edelmetalle erreichten die junge Erde mit Meteoriten. Entstanden waren sie jedoch schon viel früher – beim Zusammenprall von Neutronensternen.

Wer sein Erspartes in Gold anlegt, muss tief in die Tasche greifen. Ängste und Spekulationen haben den Preis auf Rekordniveau katapultiert. Doch das vermeintlich krisensichere Edelmetall stammt selbst aus Krisengebieten – und die liegen in den Tiefen des Alls. Astrophysiker haben mit Computersimulationen nun bestätigt: Der gewaltsame Crash zweier Neutronensterne bietet ideale Bedingungen für die Synthese von Gold. Denn bei diesem Prozess spielen sich Kernreaktionen ab, die in großem Stil schwere chemische Elemente erzeugen – das königliche Metall eingeschlossen.

Viele Elemente entstehen durch die Verschmelzung von Atomkernen. Unsere Sonne fusioniert beispielsweise Wasserstoff zu Helium und setzt dabei ständig Energie frei. Massereichere Sterne erzeugen noch schwerere Elemente, bis hin zu Eisen. Die schwersten Elemente bilden sich hingegen durch einen anderen Prozess: indem Neutronen von mittelschweren Kernen eingefangen werden. Eine Spielart dieses Neutroneneinfangs, der schnelle („ rapide“) r-Prozess, war den Astrophysikern bislang rätselhaft. „ Beim r-Prozess sind sehr hohe Neutronendichten erforderlich“, sagt Hans-Thomas Janka vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching. „Wir wussten zwar, dass dieser Prozess für die Entstehung eines Großteils der schwersten Elemente verantwortlich ist, darunter Gold, Platin, Thorium und Uran. Unklar war jedoch, in welchen Himmelsobjekten der r-Prozess abläuft.“

Gold aus heissen Trümmern

Lange tippten die Astronomen dabei auf explodierende Sterne. Doch das Supernova-Szenario konnte die gemessene Verteilung der schweren Elemente im Weltall nicht erklären. Anders die Kollision von Neutronensternen: Ein solcher Crash ist der Schlusspunkt einer Jahrmillionen dauernden Entwicklung, bei der sich die beiden Sternleichen immer weiter annähern (bild der wissenschaft 1/2002, „Gold und Schwarze Löcher“). Die Wissenschaftler kombinierten die Simulation dieses Zusammenstoßes mit Berechnungen der Kernreaktionen von über 5000 Arten von Atomkernen, die bei der Kollision ins All geschleudert werden.

„Durch Gezeiten- und Druckkräfte werden innerhalb von Tausendstel Sekunden nach dem Zusammenprall der Neutronensterne einige Jupitermassen extrem heißer Materie ausgestoßen“, sagt Andreas Bauswein, der die Simulationen am MPI für Astrophysik ausführte. Wenn das heiße Plasma auf unter zehn Milliarden Grad abgekühlt ist, laufen die Kernreaktionen ab, denen der r-Prozess zugrunde liegt. Sie ermöglichen die Bildung sehr schwerer Elemente. Als die Forscher die berechnete Verteilung dieser Elemente mit der geschätzten Zahl der Kollisionen von Neutronensternen kombinierten, stellten sie fest, dass solche Ereignisse tatsächlich die Hauptquellen der schwersten chemischen Elemente im Universum sein müssen.

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Mit den Urkörpern verbacken

Doch wann erzeugten die kosmischen Goldfabriken das irdische Edelmetall? „Der Zeitpunkt lässt sich nur grob angeben“, sagt Janka. „Fest steht, dass es höchstens fünf Milliarden Jahre vor der Geburt unseres Sonnensystems geschehen sein kann. Denn etwa so lange existiert die Milchstraße.“ Unser Gold wäre demnach bis zu zehn Milliarden Jahre alt – doppelt so alt wie die Erde.

Die Gold-Atome irrten durch die Galaxis. Wo sie auf den solaren Nebel trafen, wurden sie mit den ersten Urkörpern verbacken. Als daraus später Erde und Planeten heranwuchsen, war unser Heimatplanet so heiß, dass er von einem tiefen Magma-Ozean bedeckt war. Darin trennten sich die verschieden schweren Bestandteile voneinander: Flüssiges Eisen sank ins Erdzentrum, und geschmolzenes Gestein verblieb in den äußeren Schichten des jungen Planeten. Die „siderophilen“ Elemente – Metalle wie Gold, Osmium und Platin, die sich mit Eisen verbinden können – hätten also in Richtung Erdkern wandern müssen.

Schätzungen zufolge soll es dort heute genug Edelmetall geben, um die gesamte Erdoberfläche mit einer vier Meter dicken Schicht zu bedecken. Doch auch in den äußeren Erdschichten kommen die wertvollen Metalle vor, und zwar in einem Übermaß, dass es Geophysikern Kopfzerbrechen bereitet. Britische Forscher haben nun im Wissenschaftsblatt „nature“ Messungen vorgestellt, die das Rätsel lösen könnten.

Das Team um Matthias Willbold von der University of Bristol hatte in Proben des Erdmantels den Gehalt von Wolfram analysiert. Dieses Metall gehört ebenfalls zu den siderophilen Elementen. Anhand des Isotops Wolfram-182 konnten die Forscher nachvollziehen, welche Prozesse sich nach der Bildung des Erdkerns abgespielt haben.

Dabei war ein weiteres Isotop wichtig: das radioaktive Hafnium-182. Anders als Wolfram hat Hafnium keine Affinität zu Eisen. Es blieb deshalb im Erdmantel, als sich der Erdkern bildete. Wie Wolfram vereint Hafnium insgesamt 182 Kernbausteine (Protonen und Neutronen) in seinem Kern. Seine Atomkerne zerfallen mit einer Halbwertszeit von acht Millionen Jahren recht schnell und bilden dabei das stabile Wolfram-182.

Nach rund 50 Millionen Jahren war im Erdmantel das Hafnium größtenteils zerfallen. Zurück blieb dort zunächst ein vergleichsweise hoher Anteil an Wolfram-182.

Die präzisen Messungen der Wolfram-Isotope zeigen nun, dass die Menge von Wolfram-182 in den meisten Gesteinsproben des Erdmantels fast konstant ist. In sehr alten Proben aus Westgrönland fanden die Forscher allerdings leicht erhöhte Werte. Das deutet darauf hin, dass diese Proben aus der Zeit vor der Phase des heftigen Bombardements stammen, dem die junge Erde ausgesetzt war.

Die Konzentration des Wolframs im Erdmantel nahm dabei wieder ab, weil dieses Element in den Meteoriten selten war, die vielen Einschläge seinen Gehalt im Erdmantel also gleichsam verdünnten. Dafür sprechen auch Analysen von Chondriten. Dieser Meteoriten-Typ aus der Urzeit des Sonnensystems besitzt nur geringe Mengen an Wolfram, aber einen hohen Gehalt an edlen Elementen.

Bomben – 500 Millionen Jahre lang

Matthias Willbold und seine Kollegen gehen davon aus, dass der Meteoritenhagel über 500 Millionen Jahre lang andauerte. Während der Mond dabei mit großen Kratern übersät wurde, wuchs die Erde ein letztes Mal: Ihre Masse nahm durch die Meteoriten bis zu ein Prozent zu. Langfristig hat unser Heimatplanet also von dem kosmischen Beschuss profitiert – die Krise hat ihn gleichsam vergoldet. ■

von Thorsten Dambeck

Erde unter Beschuss

In der Geschichte der Erde kam es immer wieder zu heftigen Bombardements. Vor 4,567 Millionen Jahren begann die Entstehung unseres Planeten (1). Er wuchs heran, und der Metallkern bildete sich. Dann traf ein Urplanet die Erde (2), und aus den Trümmern entstand der Mond. Metalle wie Eisen und Gold sanken in den Erdkern, und durch radioaktiven Zerfall sammelte sich das Element Wolfram im Erdmantel an (3). Diese Phase endete vor etwa 4,5 Milliarden Jahren. Rund 500 Millionen Jahre lang hagelten Planetoiden und Kometenkerne nieder und reicherten den Erdmantel mit Edelmetallen an, während sich der Gehalt an Wolfram verringerte (4). Im heutigen Erdmantel ist Wolfram daher „ abgereichert“. Doch in manchen Mantelgesteinen blieb die chemische Zusammensetzung vor dem kosmischen Bombardement erhalten (5).

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