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Die Hackfleisch-Punkte

Astronomie|Physik

Die Hackfleisch-Punkte

Jedes Frühjahr besuche ich Franco und Luigia in Italien. Wir verstehen uns nicht nur mathematisch, sondern sind auch gute Freunde. Die beiden sind verheiratet und haben zwei Kinder, Diana und Luca. Ich wohne stets bei ihnen, sodass unsere Forschungsarbeit und das Familienleben nahtlos ineinander übergehen.

Die Kinder sind in dem Alter, in dem die Eltern schwierig werden. Diana ist schon fast darüber hinaus, aber ihr Bruder Luca steht erst am Beginn der Pubertät.

Natürlich bekommen die Kinder mit, dass wir Mathematik betreiben. Sie würden gerne wissen, was wir genau machen, aber das ist eine für sie verschlossene Welt.

Beim Mittagessen fing Luca an: „Ihr redet immer von Punkten. Was ist denn überhaupt ein Punkt?“ Luca traf mit Unschuldsmiene, aber instinktsicher mitten ins Schwarze.

Seine Eltern reagierten prompt. Luigia rief: „Iss deine Spaghetti!“, während Franco grinste: „Eigentlich ist das ganz egal.“

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„Wie bitte? Egal?“, fragte Diana empört mit vollem Mund. „Ihr arbeitet den ganzen Tag an Dingen, die euch egal sind?“

„Nein“, widersprach Luigia, „es ist nur egal, was Punkte real sind.“

„Come?“, war die einstimmige Antwort der Kinder – was auf Deutsch etwa „Hä?“ bedeutet.

Franco hob an: „Früher glaubte man, dass die Punkte im Raum zu finden sind. Ein Punkt ist quasi eine Stelle im Raum.“

„Und die Geometrie hatte die Aufgabe, den Raum, also die Menge der Punkte, zu beschreiben“, fiel ihm Luigia ins Wort.

Franco ließ sich nicht beirren: „Bei Euklid, im ersten Mathematikbuch der Welt, das vor über 2000 Jahren geschrieben wurde, steht als erster Satz die Definition eines Punktes.“

Franco wollte eine dramatische Pause einlegen, doch den Kindern war das egal. Sie setzten ungeduldig nach: „Und was ist nun ein Punkt?“

„Ein Punkt ist, was keine Teile hat“, erklärte Franco.

Die Kinder waren enttäuscht: „Du meinst, ein Punkt ist nicht ein Klecks oder ein Kreis oder so was, sondern etwas Winziges?“

„Genau, ein Punkt ist etwas anderes.“

Luigia startete noch einen Versuch: „Denkt mal an ein Schachspiel. Was ist der König?“

„Die größte Figur. Er kann immer nur ein Feld weiterziehen. Und wenn dein König matt ist, hast du verloren“, sagte Diana.

„Sehr gut“, lobte Luigia sie. „Ihr merkt, dass es gar nicht darauf ankommt, woraus die Figur gemacht ist – aus Holz oder Elfenbein oder Plastik –, und ob sie schön oder hässlich ist. Man muss nur die Regeln kennen, wie der König zieht. Wenn man keine Königsfigur hat, kann man auch einfach ein Stück Papier auf das Feld legen und damit spielen. In der Geometrie ist es genauso. Man muss nicht wissen, was ein Punkt oder eine Gerade ist, sondern nur, wie man mit ihnen umgehen kann.“

„Was heißt umgehen?“

„Eine Regel lautet zum Beispiel: ‚Zu je zwei Punkten gibt es eine Gerade.‘ „

Franco hatte eine Idee. Er zeigte auf Lucas Teller: „Man könnte sagen, die Hackfleischbröckchen in deinen Spaghetti bolognese sind die Punkte, und die Spaghetti sind die Geraden. Jetzt müsste man überprüfen, ob je zwei Hackfleischbröckchen durch eine Spaghetti verbunden sind.“ Franco stocherte mit zwei Gabeln auf Lucas Teller herum und arrangierte die Spaghetti, was Luigia mit Stirnrunzeln verfolgte.

Luca, ganz der Sohn seines Vaters, trieb das Spiel auf die Spitze: „Und wenn man die Spaghetti alle richtig kombiniert, gilt für sie dann auch der Satz des Pythagoras?“

„Bravo“, rief Franco, während Luigia „Basta“ sagte, kurz entschlossen aufstand und die Teller abräumte.

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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