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Thermo-Power

Technik|Digitales

Thermo-Power
Neuartige Generatoren könnten dafür sorgen, dass im Alltag weniger Energie vergeudet wird. Während an ihrem Einsatz im Auto noch getüftelt wird, sind sie als Stromquelle von Funksensoren bereits marktreif.

Als der Physiker Wolf Eckhard Müller 1987 seine wissenschaftliche Laufbahn begann, stand er mit seinem Forschungsgebiet – der Thermoelektrik – in Deutschland ziemlich alleine da. Heute ist das anders: So sind etwa im Förderprogramm „ Thermopower“ des Bundesforschungsministeriums 41 Unternehmen und 26 Forschungseinrichtungen aktenkundig, die thermoelektrische Materialien und Generatoren entwickeln. „Unter anderem interessieren sich inzwischen fast alle großen Autohersteller für das Thema“, sagt Müller, der am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln arbeitet.

Rund 60 Prozent der Energie, die ein Verbrennungsmotor aus Kraftstoff gewinnt, geht als Abwärme verloren. Thermoelektrische Generatoren (TEGs) sind prinzipiell in der Lage, diese Wärme in Strom umzuwandeln – Strom, den ansonsten die Lichtmaschine erzeugen muss und den die Bordelektronik benötigt. Beim Autokonzern BMW rechnet man damit, dass durch die TEGs der Spritverbrauch um bis zu fünf Prozent verringert werden kann, was natürlich auch die Kohlendioxid-Emission drückt. Insofern eröffnen die TEGs den Automobilherstellern auch Möglichkeiten, schärfere gesetzliche Vorschriften zur CO2-Emission ihrer Autos zu erfüllen.

Der Aufschwung der Thermoelektrik in den letzten fünf Jahren spiegelt sich in Müllers Arbeitsstätte wieder, dem DLR-Institut für Werkstoff-Forschung. Zu den Labors im alten Gebäudeteil gehört auch ein Raum mit dem zweifelhaften Charme eines Physik-Schullabors der 1970er-Jahre, in dem einige einfache Experimente zur Demonstration des thermoelektrischen Prinzips (siehe Grafik „Strom aus Wärme“, S. 100) aufgebaut sind. An den Wänden hängen bieder gestaltete Poster, die unter anderem darüber informieren, dass thermoelektrische Module schon seit Jahrzehnten in Weltraumsonden zum Einsatz kommen.

Raus aus der Nische

Wenige Schritte weiter beginnt die Jetzt-Zeit: ein neuer Gebäudeteil mit der Forschungsanlage TEG-Line, die Ende 2011 eingeweiht wurde. Auf 400 Quadratmeter Laborfläche stehen hochmoderne Geräte, mit denen thermoelektrische Materialien hergestellt, analysiert und zu Modulen zusammengebaut werden. Weitere Geräte dienen dazu, die Module zu charakterisieren und zu testen. „Lange hat die Thermoelektrik auch innerhalb des DLR ein Nischendasein geführt“, sagt Müller. „Doch nun haben industrielles Interesse und öffentliche Förderung bewirkt, dass allein in unserem Institut über 20 Wissenschaftler und Techniker daran arbeiten und dass in industrienahe Anlagen investiert wird.“

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Die Automobilunternehmen lassen sich derweil nicht gerne in die Karten schauen. Mit Hinweis auf das frühe Stadium der Entwicklungsarbeiten wiegeln Sprecher von Mercedes-Benz und BMW Anfragen zum Thema ab. Die BMW Group hat allerdings schon entsprechende Prototypen-Systeme öffentlich vorgestellt: Integriert in die Abgasanlage, erzeugte das erste System 2008 eine elektrische Leistung von maximal 200 Watt. Und in einer Pressemitteilung vermeldete das Unternehmen, dass die neue Generation von TEGs in der Abgasanlage 600 Watt erzeugen könne. Damit rücke das ursprünglich hochgesteckte Ziel von 1000 Watt „in greifbare Nähe“. Insider meinen allerdings, dass es noch mindestens fünf Jahre dauern wird, bevor ein TEG-System ein Serienfahrzeug bereichert.

Überschüssige Wärme wird nicht nur in Autos frei, sondern auch bei vielen industriellen Prozessen – beispielsweise bei der Stahlherstellung. Dass hier wie dort thermoelektrische Generatoren aktuell noch nicht im Einsatz sind, hat zwei Gründe: Zum einen verwandeln die thermoelektrischen Module nur einen geringen Teil der Abwärme in Strom. Fachleute sprechen von einem zu niedrigen Wirkungsgrad, der selbst bei starken Temperaturunterschieden zwischen der warmen und der kalten Seite der TEGs üblicherweise weniger als zehn Prozent beträgt. Im Auto sind die Verhältnisse dabei noch relativ günstig, da dort auf einer begrenzten Fläche Temperaturunterschiede von mehreren Hundert Grad Celsius auftreten. Der andere Grund: Die TEGs sind zu teuer.

WENIG AUSBEUTE, HOHE KOSTEN

Geringe Energieausbeute einerseits und hohe Investitionskosten andererseits führen dazu, dass Strom aus Abwärme viel mehr kostet als Strom aus anderen Quellen. Damit sich die Thermoelektrik auf breiter Front durchsetzt, müsste sich das ändern. Das Duisburger Acht-Personen-Unternehmen O-Flexx Technologies, finanziert mit Wagniskapital, arbeitet seit 2006 an dieser Vision. „Wir warten dabei nicht auf Materialien mit besseren thermoelektrischen Eigenschaften“, sagt O-Flexx-Geschäftsführer Holger Ulland. „ Stattdessen konzentrieren wir uns darauf, die Wirkungsgrade der etablierten Werkstoffe auf die Ebene der Module herüber zu retten.“ Laut Ulland verfügt das Unternehmen zudem über eine Technologie, mit der sich solche Module kostengünstig auf Anlagen und mit Verfahren produzieren lassen, die in der DVD- und Chip-Industrie ihre Massentauglichkeit bereits bewiesen haben.

Dazu muss man wissen, dass herkömmliche TEGs aus massiven kleinen Quadern halbleitender Materialien bestehen. Diese werden beim Herstellungsprozess durch Löten über Metallbrücken miteinander verbunden. Die so entstandene Anordnung wird durch je eine Keramikplatte an Unter- und Oberseite elektrisch isoliert. In dieser Bauform entsprechen die TEGs den Peltier-Elementen, die den Umkehreffekt von TEGs nutzen: Bei ihnen bringt der Stromfluss eine Temperaturdifferenz hervor, durch die sich beispielsweise CCD-Chips in Kameras oder Infrarotsensoren in Nachtsichtgeräten kühlen lassen.

Prinzipiell geringere Material- und Produktionskosten sowie mehr Bruchsicherheit versprechen TEGs, in denen die Halbleiter als dünne Schichten aufgebracht werden. „Dünn“ heißt dabei im Fall der O-Flexx-Technologie, dass die Schichten 15 bis 70 Mikrometer (Tausendstel Millimeter) dick sind. „Anders als unsere Wettbewerber lassen wir die Wärme nicht durch die Schicht hindurch, sondern entlang der Schicht fließen – über eine Distanz von 200 Mikrometern. Daher muss bei unserer Bauweise auf der kalten Seite des Moduls nicht so viel Wärme aufwendig abgeführt werden“, erläutert Gerhard Span, Entwicklungsleiter von O-Flexx.

Die Entwicklung besonders kleiner thermoelektrischer Generatoren, die sich zudem kostengünstig herstellen lassen, stand auch im Fokus der Doktorarbeit von Wulf Glatz in der Gruppe für Mikro- und Nanosysteme an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich. Seine Thermoelemente können selbst Temperaturunterschiede von nur zehn Grad Celsius zur Stromerzeugung nutzen. Sie sind äußerst dünn und flexibel und lassen sich daher auch auf gekrümmten Oberflächen anbringen. 2009 wurde Glatz für seine Mini-Thermo-Generatoren mit dem „ swisselectric research award“ ausgezeichnet. Um seine Entwicklung zu vermarkten, gründete er 2009 das Unternehmen greenTEG.

fehlende Förderung Als Manko

Dass sich mit der Thermopower-Technologie bald Strom ins Netz einspeisen lässt, der mit den Netzstrompreisen konkurrieren kann, glaubt aber selbst O-Flexx-Geschäftsführer Ulland nicht. Er weist auf die fehlende Einspeisevergütung hin, die andere klimafreundliche Energietechniologien erhalten. Und er sagt: „ Zunächst einmal müssen wir aus unseren Prototypen Produkte entwickeln, auf deren Basis wir uns dann Nischenmärkten annähern können.“ So kooperiert die Duisburger Firma O-Flexx mit einem Stahlindustrie-Anlagenhersteller und beschäftigt sich mit dem Einsatz von TEGs in Blockheizkraftwerken.

Doch vielleicht liegt die Bestimmung der Thermoelektrik ganz woanders. „Mit ihr lässt sich Abwärme fast direkt in Information umwandeln, die helfen kann, in Haushalten, Büros und Industrie viel Energie zu sparen“, sagt Burkhard Habbe. Was der Leiter Geschäftsentwicklung bei Micropelt meint: Ein einziger, ein Quadratzentimeter großer Thermoelektrik-Chip der Freiburger Firma erzeugt aus Abwärme genügend Strom, um damit einen Funksensor oder einen funkgesteuerten Regler zu betreiben.

Zusammengeschaltet zu einem wartungsarmen, preiswerten und jederzeit nachrüstbaren Netzwerk, könnten die Sensoren etwa die Raumtemperaturen und die Einstellung der Heizungsventile in einem Gebäude in kurzen Zeitabständen messen und die erhaltene Information an eine zentrale Steuereinheit der Heizungsanlage melden. Die könnte dann nicht nur dafür sorgen, dass die Ventile automatisch nachgeregelt werden, sondern auch die Vorlauftemperatur des Heizkessels anpassen.

Tatsächlich hat die Firma Precision Motors Deutsche Minebea in Villingen-Schwenningen bereits den Prototypen eines Heizkörperventils vorgeführt, das den nötigen Strom aus Thermoelektrik-Chips von Micropelt bezieht. „Mit Heizungssystemen, die auf energieautarken Sensoren und Aktoren beruhen, lässt sich der Energieverbrauch von Privathaushalten um mindestens 30 Prozent senken“, sagt Arne Feldmeier, Geschäftsführer von iEXERGY in Münster. Dabei beruft er sich auf Simulationen, die sein Unternehmen zusammen mit der Fachhochschule Münster erstellt hat.

Schlauer Topfdeckel

Auch der Energieverbrauch beim Kochen lässt sich stark reduzieren – durch einen Sensor, der im Topfdeckel steckt und mithilfe eines TEG-Chips arbeitet. Der Sensor übermittelt akustische Daten und die Temperatur an den Herd, der die Wärmeabgabe auf „genug zum Weiterkochen“ verringert, sobald der Sensor die Flüssigkeit im Topf sieden hört. Unabhängige Tests haben bei einem System-Prototypen der schweizerischen Firma MSX Technology bestätigt, dass sich auf diese Weise beim Kochen rund 50 Prozent Energie sparen lässt.

Mit Blick auf solche Anwendungen hat Micropelt, eine Ausgründung von Infineon Technologies in München, 2011 eine Großserienfertigung für Dünnschicht-Thermoelektrik-Module in Halle eröffnet, und wird sie der Nachfrage entsprechend auf eine Kapazität von fünf Millionen Einheiten hochfahren.

Mit dieser acht Millionen Euro teuren Produktionsstätte will man ein Henne-Ei-Problem lösen: Um preiswert zu sein, muss man große Stückzahlen fertigen – und um genügend Aufträge für eine Massenfertigung zu bekommen, muss man preiswert produzieren können. Micropelt bietet zwei serienreife TEG-Module für 40 und 60 Euro als Muster an, bei Großaufträgen können die Preise nach Firmenangaben bis unter 5 Euro sinken.

Micropelt-Manager Habbe ist zuversichtlich, dass sein Arbeitgeber am Markt erfolgreich sein wird: „Zwei technologische Entwicklungen haben sich einander soweit angenähert, dass ein Durchbruch möglich wurde: Der Energiebedarf der Mikroelektronik sinkt immer weiter – und die neuen Mikro-TEGs liefern dazu genau die passende Leistung.“

TEGs gehören neben Solarzellen und piezoelektrischen Generatoren zu den Technologien, die etwa Sensoren in die Lage versetzen, die benötigte Energie aus ihrer Umgebung zu ernten. Die Szenarien reichen von batterielosen Sensornetzen, die Flugzeugwände laufend auf Schäden überprüfen, bis hin zu solchen, die über die Körperwärme die Körperfunktionen von Menschen überwachen, die gesundheitlich gefährdet sind. ■

FRANK FRICK, Technik- und Wissenschaftsjournalist aus Bornheim, wäre froh, wenn Sensoren seiner Familie beim Energiesparen helfen würden.

von Frank Frick

Ohne Titel

Strom aus Wärme

Thermoelektrische Generatoren beruhen auf einem Effekt, den der Physiker Thomas Johann Seebeck bereits 1821 entdeckt hat: Befestigt man die beiden Kontaktstellen zweier elektrischer Leiter oder Halbleiter auf Elementen unterschiedlicher Temperatur, so entsteht eine elektrische Spannung, die von der Temperaturdifferenz abhängt. Kommerzielle thermoelektrische Generatoren bestehen aus Thermopaaren von je einem n-dotierten (Elektronenleiter, n-Typ) und einem p-dotierten Halbleiter (Lochleiter, p-Typ). Aufgrund des Seebeck-Effekts werden durch das Temperaturgefälle in dem n-dotierten Schenkel die negativ geladenen Elektronen und im p-dotierten Schenkel die positiven Ladungen in Richtung der kalten Seite des Moduls getrieben, wodurch zwischen den beiden Schenkeln eine elektrische Spannung entsteht. Tatsächlich müssen zahlreiche Thermopaare elektrisch in Reihe geschaltet werden, damit die elektrische Spannung für eine praktische Nutzung ausreicht.

Mehr zum Thema

Internet

„Stille Reserve“; Beitrag über thermoelektrische Energiewandler (DLR-Nachrichten Bd. 120, Sonderheft Energie, 2008): www.dlr.de/Portaldata/1/Resources/ kommunikation/publikationen/ 120_nachrichten/ 20_Strom_aus_Abwaerme.pdf

„Thermoelektrische Multitalente“; Beitrag aus Physik Journal 6 (2007): www.physnet.uni-hamburg.de/institute/IAP/Group_K/___publications/ Thermoelektrische_Multitalente.pdf

Kompakt

· Thermoelemente (TEGs) erzeugen aus Temperaturunterschieden Strom.

· Automobile könnten dadurch bis zu 5 Prozent Sprit sparen.

· Clever eingesetzt reduzieren TEGs den Energiebedarf eines Haushalts um 30 Prozent.

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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