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Was die Zukunft bringen soll

Allgemein

Was die Zukunft bringen soll
Der aktuelle Delphi-Report schärft die Konturen des 21. Jahrhunderts. Viereinhalb Jahre nach dem ersten deutschen Delphi-Bericht haben Forscher eine aktuelle Analyse möglicher künftiger Entwicklungen in Wissenschaft und Technik vorgelegt. Eines von vielen brisanten Ergebnissen: Energie aus Fusionsreaktoren wird es auch in den nächsten 30 Jahren nicht geben.

2013 Tokio, ein ganz normaler Nachmittag im März 2013. In der Zentrale der “Modern Japan News”, einer der größten Tageszeitungen des Landes, herrscht das übliche geschäftige Treiben. Doch plötzlich, kurz vor 14 Uhr, bricht das Chaos los: Ein schweres Erdbeben hat den Nordosten Japans erschüttert, melden die Nachrichtenagenturen. Schnell steht fest: Obwohl die Erdstöße mehrere Ortschaften verwüstet haben, kamen nur wenige Menschen zu Schaden. Die Schlagzeile in der Bildschirmausgabe des Blattes lautet deshalb wenige Stunden später: “Frühwarnsystem hat sich glänzend bewährt”. Denn bereits am Abend zuvor waren nach einer Warnung des Japanischen Erdbebendienstes mehrere tausend Bewohner nicht erdbebensicher gebauter Häuser evakuiert worden.

Auch in Deutschland ist das Erdbeben in Japan am folgenden Morgen das Top-Thema. Ausführlich wird in der elektronischen Morgenzeitung beschrieben, wie das Warnsystem funktioniert, dem Hunderte von Menschen ihr Leben verdanken: Verstreut über das ganze Land haben japanische Wissenschaftler bereits im Jahr 2009 hochempfindliche Seismometer, Neigungsmesser und Apparate zur präzisen Messung tektonischer Verwerfungen in Bohrlöchern versenkt. Kleinste Erschütterungen und Verschiebungen im Untergrund, die auf ein bevorstehendes Beben hindeuten, lassen sich damit nachweisen.

Im April 2012 wurde dieses unterirdische Meßnetz durch ein satellitengestütztes Laserradar-System ergänzt, das die Erdoberfläche vom Weltraum aus optisch abtastet und Bewegungen der Erdkruste von weniger als einem Zentimeter feststellen kann.

Einen Tag vor den Erdstößen schlugen beide Warnsysteme Alarm – rechtzeitig, um die Bevölkerung vor der drohenden Naturkatastrophe zu warnen. Nicht nur das Epizentrum wurde im voraus am richtigen Ort lokalisiert, auch die Magnitude des Bebens wurde auf 0,5 Einheiten auf der Richterskala genau vorhergesagt.

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1998 Daß es nach dem Jahr 2010 ein zuverlässiges und präzises Warnsystem für Erdbeben geben wird, davon sind die Experten, die an der zweiten deutschen Delphi-Studie teilgenommen haben, überzeugt. Deren Ergebnisse wurden soeben präsentiert. Wie schon der erste Delphi-Report (bild der wissenschaft 2/1995: “Zeugen der Zukunft”), wurde sie vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie in Auftrag gegeben und am Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe koordiniert und ausgewertet.

Über 2000 Experten aus Industrie, Hochschulen, Forschungsinstituten und anderen Einrichtungen – mehr als doppelt so viele wie bei der ersten Studie vor viereinhalb Jahren – beteiligten sich an der Umfrage. Sie erhielten Listen mit Thesen zu möglichen künftigen Entwicklungen in ihrem Fachgebiet.

In den insgesamt 1070 Thesen wurden konkrete Zukunftsvisionen beschrieben wie “Transparente Solarzellen auf der Basis von polymeren/nanoskaligen anorganischen Materialien werden großflächig als Fensterglas eingesetzt” oder “Die Mechanismen der Formung von neuronalen Netzen werden auf molekularer Ebene aufgeklärt”.

Die Fachleute wurden gebeten, zu beurteilen, wie bedeutsam die Visionen für die Erweiterung des menschlichen Wissens, die wirtschaftliche sowie die gesellschaftliche Entwicklung, die Lösung ökologischer Probleme und für Arbeit und Beschäftigung sind – ein wichtiger neuer Aspekt der Umfrage im Vergleich zur ersten Delphi-Studie, bei der lediglich pauschal nach der Wichtigkeit der Thesen gefragt worden war.

Darüber hinaus sollten die Experten einschätzen, ob und wann die Visionen eine Chance auf Realisierung haben. In einer zweiten Runde bekamen sie dann die Thesen erneut vorgelegt – zusammen mit den Ergebnissen der ersten Fragerunde. So hatten die Forscher Gelegenheit, die eigene Meinung mit dem Urteil ihrer Fachkollegen zu vergleichen, sie noch einmal zu überdenken und gegebenenfalls zu revidieren.

Aus den Einschätzungen aller Experten zeichneten die Wissenschaftler am ISI ein umfassendes aktualisiertes Bild von den heute absehbaren zukünftigen Trends in Wissenschaft und Technik, das bis über das Jahr 2025 hinausreicht. Dieser Blick in die Zukunft zeigt nicht nur den zeitlichen Rahmen für die Verwirklichung vieler aktueller Forschungsziele. Er offenbart auch, wodurch sich Hemmnisse beseitigen lassen, zum Beispiel durch eine intensive internationale Kooperation, eine verstärkte staatliche Förderung oder veränderte gesetzliche Rahmenbedingungen – ein neuer Aspekt bei der zweiten Delphi-Befragung, ebenso wie die Frage, welche Folgeprobleme für Umwelt, Gesellschaft oder Sicherheit mit einzelnen Visionen verbunden sein werden. Zudem zeigt die Befragung erstmals, welche Bedeutung die erwarteten Innovationen für Wirtschaft, Gesellschaft, Umwelt und Arbeit haben.

Besonders interessant ist, wie die Forscher in Deutschland ihre Position im internationalen Vergleich einschätzen. Für weltweit führend, so stellte sich heraus, halten sie den Forschungs- und Entwicklungsstand in Deutschland bei vielen Themen in den Bereichen “Umwelt und Natur”, “Mobilität und Transport” und bei “Energie und erschöpflichen Rohstoffen”.

Bei “Information, Kommunikation und Wissen” sowie bei “Dienstleistungen und Konsum” sehen sie dagegen einen deutlichen Nachholbedarf gegenüber der Konkurrenz aus Japan und den USA – allerdings keine neue Erkenntnis.

Neu bei der zweiten Delphi-Studie ist die Frage nach der Bedeutung von “Megatrends” – globalen gesellschaftlichen, politischen oder wirtschaftlichen Entwicklungstendenzen, die über allen Bereichen von Wissenschaft und Technik stehen und die in den kommenden Jahrzehnten die Entwicklung und praktische Anwendung von Innovationen maßgeblich beeinflussen könnten. Insgesamt 19 Megatrends schlugen die ISI-Wissenschaftler den Experten vor und fragten, welchen davon sie zustimmen und welche sie für besonders wichtig für die technologische Entwicklung halten.

Eine “weltweite Verknappung an fossilen Brennstoffen, die eine Reduzierung des Energieverbrauchs der privaten Haushalte erzwingt”, dürfte nach Ansicht der Fachleute sehr große Auswirkungen auf Forschung und Entwicklung haben. Allerdings rechnet nur jeder zweite mit diesem Trend – und wenn, dann erst in rund 20 Jahren. Daß Deutschland, nach dem Jahr 2005, “wieder ein international sehr attraktiver Investitionsstandort sein wird”, davon ist die große Mehrheit der Delphi-Experten überzeugt – allerdings nur, wenn zuvor grundlegende Reformen durchgesetzt werden. Dagegen wird schon in nächster Zukunft “der technische Fortschritt und die globale Umverteilung der Arbeitsplätze die durchschnittliche Arbeitslosenquote in den meisten entwickelten Industrieländern dauerhaft steigern”, glauben drei Viertel der Fachleute. Als nahezu sicher gilt zudem, daß nach dem Jahr 2010 “geringe Geburtenziffern und die ständige Erhöhung der Lebenserwartung in den Industrieländern zu einem Anteil von mehr als einem Drittel der über 60jährigen an der Gesamtbevölkerung führen” werden.

Andere mögliche Megatrends werden eher skeptisch beurteilt. So glaubt kaum einer der Experten, daß in den nächsten 30 Jahren “eine Weltregierung für die wirksame Eindämmung kriegerischer Konflikte sorgt” oder daß “die Klimaentwicklung zu einer Entvölkerung großer Gebiete führt”.

Unabhängig von solchen übergeordneten Trends: Welche Fortschritte in Wissenschaft und Technik sind in den kommenden 15 Jahren zu erwarten? Und wie werden sie das Leben der Menschen verändern? Weitgehend einig sind sich die Experten darin, daß sich die Informations- und Kommunikationstechnik weiter rasant entwickeln und bis zum Jahr 2013 in zahlreiche neue Bereiche des Alltags vorgedrungen sein wird. So werden in “intelligenten Häusern” Computer die Regie führen und Heizung, Klimatisierung und Beleuchtung selbständig überwachen und steuern. Multimedia und Virtuelle Realität werden Einzug in zahlreiche Wohnstuben gehalten haben und es zum Beispiel ermöglichen, Reisen anderer und Sportwettkämpfe hautnah zu erleben, davon sind die Experten überzeugt.

An vernetzten Computern werden in den meisten Haushalten nicht nur die Post elektronisch via E-Mail verschickt und Bankgeschäfte online abgewickelt. Auch viele Einkäufe lassen sich in Ruhe zu Hause am PC erledigen: in “elektronischen Supermärkten”, die rund um die Uhr geöffnet haben. Abgerechnet wird mit digitalem Geld. Fast alle Delphi-Experten halten diese Vision noch vor dem Jahr 2010 für realistisch.

Negative Auswirkungen auf die sozialen Kontakte befürchten die Forscher durch eine zunehmende Tendenz zur “Telearbeit”, die sie für die kommenden 15 Jahre ausgemacht haben. Zahlreiche Büroangestellte werden dann ihre Arbeit am heimischen PC erledigen und sich nur gelegentlich im Büro sehen lassen. Riesige Flachbildschirme in Wandgröße könnten den räumlich voneinander getrennten Mitarbeitern den Eindruck vermitteln, gemeinsam in einem “virtuellen Büro” zu arbeiten. Voraussetzung dafür ist die Möglichkeit zur “Multimedia-Kommunikation”, deren Grundlage ein sicheres und leistungsfähiges Internet der zweiten Generation liefern wird. Eine Breitbandverkabelung schafft die notwendige technische Infrastruktur.

In der Medizin erwarten die Experten zahlreiche entscheidende Fortschritte: Eine Therapie von bislang unheilbaren Krankheiten wie Krebs und Aids soll möglich sein, ein wirksamer Impfstoff gegen das HI-Virus soll in den gefährdeten Ländern der Dritten Welt eingesetzt werden. Menschen mit Diabetes könnte ein Insulinpräparat Erleichterung verschaffen, das nicht mehr gespritzt werden muß, sondern als Tropfen oder Tabletten eingenommen werden kann. Bei Knochenbrüchen werden vermutlich biologisch verträgliche und abbaubare Kunststoffe mit heilender Wirkung zum Einsatz kommen, mit denen der Knochen direkt an der Bruchstelle fixiert wird.

Sehr kontrovers sehen die Experten den Einsatz von Robotern in der Medizin. Diese könnten im Jahr 2013 in vielen Kliniken und Pflegeheimen das Personal bei der Versorgung kranker, alter und behinderter Menschen unterstützen. Auch auf dem Operationstisch könnte dann ein Roboter mit Skalpell und Zange hantieren – ferngelenkt von einem Chirurgen an einem “Virtual Reality”-Monitor.

Kräftigen Aufwind prophezeien die Forscher der Gentechnik. Zunächst dürfte sie vor allem zur Produktion von Impfstoffen und Arzneimitteln für die Tiermedizin, später auch für Medikamente zur Behandlung von Menschen eingesetzt werden. Aber auch in den Supermarktregalen sollen sich nach der Jahrtausendwende immer häufiger gentechnisch produzierte Nahrungsmittel finden.

Trotz vieler Vorbehalte der Bevölkerung: Aufhalten lassen wird sich diese Entwicklung nach Ansicht der Delphi-Experten kaum. Im Gegenteil: Der Anteil ganz oder teilweise mit Hilfe der Gentechnik hergestellter Lebensmittel am Gesamtumsatz der großen Handelsketten könnte in 15 Jahren bei über 30 Prozent liegen – vorausgesetzt, die Produkte werden eindeutig gekennzeichnet und die Verbraucher umfassend aufgeklärt. Um den Stand der deutschen Forschung auf diesem wirtschaftlich wichtigen Gebiet zu stärken, fordern viele Experten Änderungen der gesetzlichen Vorschriften.

Wie sicher aber spiegeln die Visionen des Delphi-Berichts die tatsächliche Zukunft wider? Das Ziel der Umfrage, betonen die Forscher am ISI, ist es nicht, prophetische Vorhersagen zu machen – ähnlich dem Orakel im antiken griechischen Delphi, das der Methode ihren Namen gab.

Wissenschaftler und Politiker hoffen vielmehr, damit frühzeitig technologische Trends zu erkennen, denen für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung, das soziale Zusammenleben und die Bewahrung einer intakten Umwelt in Zukunft eine besonders große Bedeutung zukommen wird. Nur mit diesem Wissen läßt sich sinnvoll entscheiden, welche aussichtsreichen Entwicklungen stärker gefördert und welche anderen Trends gebremst werden sollten.

Vor allem Visionen, mit deren Realisierung die Experten erst sehr spät oder überhaupt nicht rechnen, lassen sich noch stark beeinflussen. Prognosen für die fernere Zukunft sind daher natürlich sehr unsicher. Trotzdem: Wie könnte die Welt im Jahr 2025 aussehen?

Bestattungen im Weltall könnten in Mode sein, Raumstationen im erdnahen Orbit ein zwar teures aber beliebtes Ziel für Kurzreisen darstellen, das erste bemannte Raumschiff zum Mars unterwegs sein. An speziellen Leasingstellen werden vielleicht flexibel verwendbare, frei programmierbare Roboter zum Ausleihen bereitstehen, die im Haushalt, im Garten oder bei der Krankenpflege helfen. Durch Fortschritte in der Materialforschung könnten Autos und Maschinen mit chemisch aktiven Substanzen beschichtet werden, die sich zur Stromgewinnung, Wärmespeicherung oder Beleuchtung nutzen lassen oder dazu dienen, Schadstoffe in der Luft unschädlich zu machen – eine für den Schutz der Umwelt wichtige Innovation.

Das Immunsystem könnte von den Medizinern so gut verstanden sein, daß sich Allergien vollständig heilen lassen. Elektrische Leitungen lassen sich möglicherweise an Nerven- und Gehirnzellen koppeln und so für künstliche Augen einsetzen. Viele Experten halten es sogar für realistisch, daß es noch vor dem Jahr 2025 möglich sein wird, lebende Organismen in eine Art Winterschlaf zu versetzen, um sie über längere Zeit zu konservieren – ein Weg, den eigenen Körper tiefgekühlt in die Zukunft zu retten?

Eine Reihe anderer Visionen verweist der neue Delphi-Report dagegen für die nächsten 30 Jahre ins Reich der Utopie. Dazu zählen Computer, die mit elektrischen und elektromagnetischen Verfahren in das Gedächtnis “blicken” und im Gehirn gespeicherte Informationen erfassen können. Rund die Hälfte der Experten hält dies für unmöglich. Daß sich eine Substanz finden läßt, die bei normaler Umgebungstemperatur supraleitend ist, wird ebenfalls von vielen bezweifelt. Auch technische Systeme, die sich nach dem Vorbild lebender Organismen selbst reproduzieren können, wird es wohl im Jahr 2025 nicht geben.

Weit in die ferne Zukunft verschieben fast alle Energiefachleute die Kernfusion als neue, unerschöpfliche Energiequelle. Mit dem Bau funktionsfähiger, sicherer Fusionsreaktoren rechnen die meisten erst nach dem Jahr 2025. Mehr als ein Viertel der Experten meint sogar: Einen solchen Reaktor wird es niemals geben.

Vergleich mit Delphi I: Schwindender Optimismus?

Als Dr. Hariolf Grupp und seine Mitarbeiter am Karlsruher Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI) vor fünf Jahren die erste Delphi-Befragung unter deutschen Forschern in Angriff nahmen, betraten sie bis dahin unbekanntes Terrain in der europäischen Forschungslandschaft. Sie orientierten sich deshalb stark am Vorbild Japan, wo seit 1971 regelmäßig und sehr erfolgreich mit Delphi- Studien künftige Trends in Wissenschaft und Technik ergründet werden. Daher wurden die japanischen Thesen komplett in der ersten deutschen Delphi-Umfrage übernommen.

Dagegen sind die meisten der 1070 Thesen der zweiten Delphi-Befragung von deutschen Wissenschaftlern ausgearbeitet und speziell auf die Forschungsschwerpunkte in Deutschland und Europa zugeschnitten worden. Etwa 100 Thesen aus der ersten Umfrage überstanden die Überarbeitung und fanden sich auch auf den neuen Fragebögen, 200 weitere Thesen wurden bei der zweiten Umfrage ähnlich formuliert. Die Auswertung zeigt, daß viele Experten ihre Einschätzung bei der ersten Befragung heute für zu optimistisch halten: Im Mittel hat sich der Zeitraum der erwarteten Realisierung um mehr als fünf Jahre – also etwa um den Zeitraum, der seit der ersten Delphi-Befragung vergangen ist – weiter in die Zukunft verschoben. “Dies liegt vor allem daran, daß es sich bei den in beiden Umfragen identischen Thesen weitgehend um sehr fern in der Zukunft liegende Entwicklungen handelt”, meint die Japanologin Kerstin Cuhls, am ISI für Koordination und Auswertung der Delphi-Umfrage zuständig.

Nur bei wenigen Visionen blieben die Fachleute bei der bisherigen Einschätzung des Zeitraums einer Verwirklichung, zum Beispiel bei den Thesen: “Es werden wirksame Methoden zur Kultivierung funktionsfähiger Ökosysteme in ehemaligen tropischen Regenwaldgebieten entwickelt.” (Delphi I: 2017, Delphi II: 2016) “Hochfrequenz-Breitbandverstärker in Halbleitertechnik im Frequenzbereich über 1000 Gigahertz finden praktische Verwendung.” (Delphi I: 2009, Delphi II: 2009) “Die Mechanismen der kreativen Leistung des Menschen werden soweit aufgeklärt, daß ihre Nutzung in der Informatik möglich wird.” (Delphi I: 2019, Delphi II: 2021) Gegenüber den Resultaten der ersten Delphi-Studie deutlich weiter in die Zukunft schoben die befragten Experten dagegen viele Innovationen im Energiebereich, beispielsweise bei der Photovoltaik und der Wasserstofftechnologie:

“Mehrschicht-Solarzellen, die einen Wirkungsgrad der Energie von mehr als 50 Prozent erreichen, werden in der Praxis verwendet.” (Delphi I: 2008, Delphi II: 2020) “Großflächige Dünnfilmsolarzellen mit einem Wirkungsgrad von über 20 Prozent finden praktische Anwendung.” (Delphi I: 2004, Delphi II: 2013) “Ein Heiz- und Kühlsystem mit einer Wärmepumpe auf der Basis der Nutzung von Solarenergie wird praktisch angewendet.” (Delphi I: 1999, Delphi II: 2011) “Solarkraftwerke mit übergroßen Solarzell-Paneelen werden im Weltraum errichtet, deren gewonnene Energie in Form von Mikrowellen auf die Erde übertragen wird.” (Delphi I: 2014, Delphi II: 2025) “Wasserstoffautos mit Ottomotoren sind weit verbreitet.” (Delphi I: 2014, Delphi II: 2023)

Während das Interesse an Wasserstoff als sauberer Energieträger der Zukunft allgemein etwas abgeflaut oder zumindest stark umstritten ist, halten die Experten die Weiterentwicklung der Photovoltaik auch in Zukunft für ausgesprochen wichtig für Wirtschaft und Umwelt. Neben technischen Schwierigkeiten beklagen sie jedoch eine unzureichende finanzielle Förderung der Solarenergie-Forschung durch den Staat.

Viele ehrgeizige Projekte aus den Bereichen “Bauen und Wohnen” und “Raumfahrt” werden von den Experten der zweiten deutschen Delphi-Umfrage hierzulande für unnötig gehalten. Sie räumen ihnen daher auch kaum noch Chancen auf eine rasche Verwirklichung ein:

“Fortschritte in der Wasserbau-Technik ermöglichen den Bau auf dem Meer schwimmender Städte.” (Delphi I: 2012, Delphi II: 2023) “Bautechniken für Wolkenkratzer (etwa 1000 Meter hoch) werden in Deutschland eingesetzt.” (Delphi I: 2004, Delphi II: 2020) “Multiple-Rendezvous-Forschungssonden werden in den interplanetaren Weltraum und zu den Kleinplaneten entsandt.” (Delphi I: 2004, Delphi II: 2015) “Auf dem Mond wird eine ständig bemannte Station aufgebaut, in der Aktivitäten wie Bodenanalysen des Mondes, wissenschaftliche Beobachtungen vom Mond aus oder die Entwicklung von Technologie zur Mond-Ressourcennutzung durchgeführt werden.” (Delphi I: 2014, Delphi II: 2026)

Für besonders aufschlußreich halten die Wissenschaftler am ISI die Frage, welche großen Themenfelder in den letzten Jahren in den Augen der Experten an Bedeutung gewonnen oder verloren haben. Vor allem die Informations- und Kommunikationstechnik und ihre Anwendungen im Bildungsbereich – so fanden sie heraus – sind seit der ersten Delphi-Umfrage wichtiger geworden. Dagegen schätzen die Delphi-Experten den Stellenwert der Umwelt- und Ressourcenproblematik verglichen mit anderen Themenbereichen heute nicht mehr so hoch ein wie noch 1993.

Einige der in der ersten Delphi-Studie zur Diskussion gestellten Zukunftsvisionen sind mittlerweile Realität. So trafen die Delphi-Experten mit ihrer Prognose, daß das Satelliten-Navigationssystem GPS für topographische Messungen eingesetzt wird und die Präzision von Höhenmessungen deutlich verbessert, voll ins Schwarze.

Ralf Butscher

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