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Solarzellen – lieben wir sie, lieben wir sie nicht?

Allgemein

Solarzellen – lieben wir sie, lieben wir sie nicht?
Bei einem europäisch-japanischen Photovoltaik-Treffen prallten Welten aufeinander. Ein gewaltiges staatliches Förderprogramm soll Japan zur Nummer eins in der Solartechnik machen. Während die Asiaten mit Visionen an die Weltspitze wollen, verfahren die Europäer eher nach dem Motto „ Weiter wie bisher“. Auf einer Konferenz in Berlin taten sich europäische Solarforscher schwer, mit ihren Kollegen aus Fernost ins Gespräch zu kommen.

ehrgeizig

Der Himmel über Berlin war wolkenverhangen und trübe. Doch die Teilnehmer des europäisch-japanischen Symposiums über Solarzellen merkten in ihrem fensterlosen Tagungssaal nichts davon. Die japanischen Photovoltaik-Experten hätten sich von der trüben Stimmung auch kaum anstecken lassen. Denn die Zeiten für ihre Zunft könnten kaum günstiger sein. Schütten doch das japanische Industrieministerium MITI und seine untergeordnete Behörde „New Energy and Industrial Technology Development Organization“ (NEDO) im Moment großzügig Fördermillionen über die Branche aus. Ein NEDO-Vertreter stellte auf der Konferenz die Sonnenoffensive des fernöstlichen Inselstaates vor. Nachdem die Japaner im Gefolge der Ölkrise in den siebziger Jahren das „Sunshine Project“ ins Leben gerufen hatten, läuft seit 1993 das finanziell erheblich besser ausgestattete „New Sunshine Project“. Bis ins Jahr 2010 sollen die Fördergelder sprudeln und stetig steigen.

Allein 1997 hatte das MITI umgerechnet 300 Millionen Mark für den Sonnenstrom eingeplant. 120 Millionen davon flossen in die Forschung. 180 Millionen flossen in die Installation von Photovoltaik-Anlagen. Damit standen im vergangenen Jahr Fördermittel für 9400 Solardächer zur Verfügung. Zum Vergleich: Ein ähnlich angelegtes Programm der Bundesregierung unterstützte zwischen 1990 und 1993 nur etwa 1500 Dächer und lief dann aus. Nach typisch japanischer Art verknüpft das MITI die Vergabe der Gelder mit ehrgeizigen Zielmarken: Die Hersteller sollen die Modulkosten innerhalb von knapp zehn Jahren etwa halbieren, neue Typen von Solarzellen zur Anwendungsreife bringen und die Wirkungsgrade kräftig steigern. Das MITI setzt aber nicht nur den Firmen und Forschern strenge Vorgaben. Mit seinem 17 Jahre laufenden New Sunshine Project hat sich Japan auch auf die Verwirklichung einer solaren Vision festgelegt: Das Land will sich von seiner Primärenergie-Abhängigkeit befreien.

behäbig

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In Europa ist kein Coup zu erwarten

Der Abteilungsleiter „Erneuerbare Energien“ bei der Europäischen Kommission in Brüssel, Dr. Jürgen Greif, konnte der japanischen Vision keine europäische entgegensetzen. Zwar hat auch die EU Programme eingerichtet, die den geförderten Photovoltaik-Unternehmen 50 Prozent ihrer Investitionen erstatten. Aber ein konkretes Projekt zur Installation von Solarzellen fehlt. Greif konnte allenfalls von der Absicht der EU berichten, den Anteil erneuerbarer Energiequellen an der gesamten Stromerzeugung bis zum Jahr 2005 von jetzt sechs auf dann zwölf Prozent zu erhöhen. Dieses Ziel hat die Kommission inzwischen auch in einem Strategie- und Aktionsplan festgeschrieben. Die Finanzierung steht indes noch aus, sie hängt von der Zustimmung der EU-Mitgliedstaaten ab.

Klare Ziele in der Energiepolitik, wie sie das MITI vorgibt, seien in Europa schwer durchzusetzen, meinte Greif am Rande der Konferenz. Selbst wenn die Referenten der Fachabteilungen feste Zahlen in die Entwürfe schrieben, würden diese in den internationalen Entscheidungsgremien meist zu vagen Erklärungen umgestaltet.

Auch auf nationaler Ebene wird die solare Energieversorgung auf kleiner Flamme gefahren. Zwar konnte Thomas Schott, Referent für „Erneuerbare EnergienË im Bundesforschungsministerium dem 120-Millionen-Forschungsetat des MITI für 1997 immerhin 60 Millionen an Fördermitteln seines Hauses entgegenstellen. Doch ein neuerliches Dächer-Programm hält das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie laut Schott für „nicht sinnvoll“. Was es gibt, sind zahlreiche regionale Förderprogramme: Einige Stromversorgungsunternehmen bieten den Betreibern von Solarzellen günstige Einspeisevergütungen an. Außerdem existieren sogenannte Green-Pricing-Modelle, bei denen sich umweltbewußte Kunden freiwillig zur Zahlung höherer Stromkosten verpflichten können. Das überschüssige Geld investieren die Energieunternehmen in Anlagen zur Nutzung regenerativer Energien.

Wo Japan mit einem klaren staatlichen Programm in die solare Zukunft strebt, setzt Deutschland auf ein Gemisch aus regionalen Maßnahmen, Fördergeldern aus dem Bundesforschungsministerium und EU-Mitteln. Zusätzlich unterstützt das BMBF die Ansiedlung neuer Solarmodulfabriken in Deutschland (siehe Kasten: „Die Hoffnung kehrt zurück“). Das reicht, um wenigstens in Europa Spitze zu sein: Rund 80 Prozent aller europäischen Solarmodule werden in Deutschland gefertigt.

Nach Angaben des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) hat sich die deutsche Stromleistung aus Photovoltaik-Anlagen von 1995 bis Ende 1997 auf 33 Megawatt annähernd verdoppelt.

innovativ

Reines Silizium wird knapp

Bis zum Jahr 2010 sollen in Japan nach dem Willen des MITI Solarzellen installiert werden, die eine Leistung von 4600 Megawatt erbringen. Ein ehrgeiziges Vorhaben: 1995 hatten die Japaner erst 35 Megawatt in Betrieb. In zwei Jahren sollen es bereits 400 Megawatt sein.

„Allein mit herkömmlichen Siliziumzellen ist das nicht zu schaffen“, prophezeit Richard Einzinger. Der Grund dafür ist Materialknappheit. Silizium gibt es zwar im wahrsten Sinne des Wortes wie Sand am Meer. Aber für die Herstellung von Solarzellen aus kristallinem Silizium, die den Löwenanteil aller installierten Module stellen, muß das Silizium besonders rein sein. Die Solarfirmen kaufen deshalb bei Chip-Herstellern deren hochwertige Siliziumabfälle. Nur so lassen sich die Modulkosten überhaupt in vertretbarer Höhe halten.

Für die MITI-Pläne reicht der Chip-Ausschuß nie und nimmer. Das New-Sunshine-Project hat deshalb einen weltweiten Wettbewerb um neuartige Typen von Solarmodulen ausgelöst. „Es hat der Dünnschichtzellen-Forschung einen ungeheuren Auftrieb verliehen“, konstatiert Richard Einzinger von Siemens Solar.

Während herkömmliche Module aus kristallinem Silizium mit mehreren hundert Mikrometer Dicke relativ viel Material benötigen, begnügen sich die Dünnschichtzellen mit wenigen Mikrometern.

Besonders hoch im Kurs stehen Basismaterialien wie Kupferindiumdiselenid (CIS), Kadmiumtellurid (CdTe) oder amorphes Silizium. Einige Forscher wollen sogar kristallines Silizium in Dünnschichtzellen nutzen. Andere wiederum bemühen sich, mehrere dieser Typen zu Tandem- oder Tripelzellen übereinanderzuschichten, um so den Wirkungsgrad zu erhöhen.

Mit Ausnahme von Modulen aus amorphem Silizium sind die meisten dieser Entwicklungen noch Jahre von der Anwendungsreife entfernt. Immerhin kündigte Timothy Bruton von BP Solar auf dem Berliner Symposium an, sein Unternehmen wolle 1998 die Fertigung von Kadmiumtellurid-Zellen aufnehmen.

Noch ist unklar, welche Solarzellentypen in Zukunft das Rennen machen werden. Eines scheint aber heute schon sicher: Die Japaner werden zu den Gewinnern gehören. Auf dem Berliner Kongreß wurde deutlich, daß hinter jeder neuen Photovoltaik-Technik ein japanisches Großunternehmen steht. Riesenmischkonzerne wie Sanyo, Fuji, Canon, Hitachi, Sharp oder Matsushita engagieren sich im solaren Wettlauf.

Die deutsche Photovoltaik-Forschung kann sich zwar in der Weltspitze halten: In öffentlichen Einrichtungen wie dem Forschungszentrum Jülich, dem Berliner Hahn-Meitner-Institut oder dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg arbeiten Wissenschaftler an verschiedenen Solarzellentypen. Doch bisher stehen nur zwei große Industriepartner bereit, um aus Laborentwicklungen marktfähige Produkte zu machen: Siemens Solar ist durch den Zukauf von Produktionsstätten in den USA immerhin der größte Solarzellenproduzent der Welt. Und auch die Angewandte Solarenergie (ASE) zählt zur Top Ten der Photovoltaik-Branche. Das Unternehmen mit Stammsitz im bayerischen Alzenau gehört je zur Hälfte dem Stromversorger RWE und Daimler Benz.

Siemens treibt langfristig die Forschung an Solarzellen aus Kupferindiumdiselenid (CIS) voran. „Wir können uns nur auf eine Technologie konzentrieren“, sagte Einzinger – fast entschuldigend – auf dem Symposium in Berlin. Auch ASE hat sich auf eine Richtung festgelegt: Mit verbesserten Siliziummodulen will sie im internationalen Wettbewerb des nächsten Jahrtausends bestehen.

zugeknöpft

Eine offene Diskussion findet nicht statt

Die Konferenz sollte beide Technikkulturen miteinander ins Gespräch bringen und ein Forum zur Anbahnung europäisch-japanischer Kooperationen sein. Das Vorhaben mißlang gründlich.

Schon auf der Pressekonferenz zum Symposium deutete sich an, daß es zu einem echten Austausch mit den Wissenschaftlern und Firmenvertretern aus Fernost nicht kommen würde. Viel mehr, als daß das New Sunshine Project „very ambitous“ – sehr ehrgeizig – sei, ließen sich Prof. Makato Konagai vom Tokyo Institute of Technology und sein Kollege Prof. Masayoshi Umeno, Vizepräsident des Nagoya Institute of Technology nicht entlocken. Dabei blieb unklar, ob die knappen Aussagen an mangelnden Englischkenntnissen der beiden Forscher lagen oder ob sie sich von den direkten Fragen der deutschen Journalisten brüskiert fühlten.

Nicht viel besser als den Pressevertretern ging es den europäischen Wissenschaftlern. Meist erhielten sie nur in ein höfliches Lächeln gekleidete ausweichende Antworten. In einer Podiumsdiskussion am Ende des ersten Tages redeten hauptsächlich die Europäer. Die Japaner machten auf Anfrage ein paar kurze, meist nichtssagende Bemerkungen. Eine Diskussion zwischen den Technikkulturen kam nicht einmal im Ansatz zustande. Als die Rede auf Möglichkeiten verstärkter Kooperationen zwischen Europa und Japan kam, herrschte Ratlosigkeit. Kazutada Kobayashi von Canon Europa flüchtete in Allgemeinplätze: „Beide Partner müssen von einer Zusammenarbeit profitieren.“ BR-Solar-Experte Timothy Bruton stellte resigniert fest: „Was wir anzubieten haben, wollen die Japaner oft nicht – und umgekehrt.“

Allein der Siemens-Vertreter Richard Einzinger verwies auf die langjährige erfolgreiche Zusammenarbeit mit der japanischen Firma Showa Shell. „Alles dauert etwas länger, als wir das gewohnt sind“, erinnerte sich Einzinger an das Prozedere von Vertragsverhandlungen. Die Japaner hätten jeden Schritt genau abgewogen. „Aber dann stehen sie auch dazu – viele Jahre.“ Japan hat seine staatliche Förderung für Photovoltaik in den beiden letzten Jahren erheblich gesteigert. Deutschland stagniert dagegen auf mittlerem Niveau. Ein Grund für die Anstrengung der Ostasiaten ist die totale Importabhängigkeit von Primärenergieträgern wie Öl, Erdgas, Uran.

Die Hoffnung kehrt zurück

Ende 1995 verlies der letzte große Solarmodul-Hersteller Deutschland. Nachdem die ASE ihre Produktion (zwei Megawatt jährlich) von Wedel in die USA verlagert hatte, wurden in der Bundesrepublik nur noch Spezialaufträge abgearbeitet. Siemens Solar, der zweite große deutsche Photovoltaik- Produzent, hatte sich durch den Kauf der US-Firma Arco Solar schon davor für den Standort USA entschieden.

Doch im vergangenen November kam überraschend Wind in die deutsche Photovoltaik-Szene: Zwei neue Fabriken sollen demnächst die Serienproduktion von Standard-Silizium-Solarzellen aufnehmen:

In Gelsenkirchen baut die Deutsche Shell AG zusammen mit Pilkington Solar International eine Anlage, die ihre Produktion 1999 aufnehmen und jährlich Zellen mit einer Leistung von 25 Megawatt produzieren soll. Im bayerischen Alzenau entsteht eine weitere Großanlage. Der Hersteller ASE errichtet bis Ende 1998 am Stammsitz eine 13-Megawatt-Produktion, die bei Bedarf auf 25 Megawatt ausgeweitet werden kann.

In beiden Fällen übernimmt das Bonner Forschungsministerium 22 Prozent der Investitionskosten, 28 Prozent kommen vom zuständigen Bundesland. Auf den Hersteller entfallen daher lediglich 50 Prozent der Investitionen.

Als drittes Unternehmen will die in Frankfurt beheimatete Antec Solar bis 2000 eine 10-Megawatt-Anlage errichten. Dort sollen Dünnschicht-Solarzellen aus Kadmiumtellurid produziert werden. Als möglicher Standort wird der Raum Erfurt genannt.

Frank Fleschner

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