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DER HERAUSFORDERER VON GREIFSWALD

Astronomie|Physik Technik|Digitales

DER HERAUSFORDERER VON GREIFSWALD
In Mecklenburg-Vorpommern bauen Physiker und Ingenieure an einem eigenwillig anmutenden Gerät. Es könnte einen einfacheren Weg zur Kernfusion bahnen als Anlagen des zurzeit favorisierten ITER-Typs.

„Something forgotten – etwas vergessen?“ In zwei Sprachen fragt das Warnschild, ob man womöglich etwas im Inneren des Riesenapparats liegen gelassen hat. Die Ermahnung hat einen guten Grund: „Wenn unsere Arbeiter ein Werkzeug vergessen, kann es sehr umständlich sein, es wieder zurückzuholen“, sagt Lutz Wegener – und zeigt auf das verwirrende Innenleben seiner Maschine: ein metallener Riesenreifen, in dem man kaum aufrecht stehen kann. Die Wände sind seltsam verbogen, umfasst von wuchtigen, ebenfalls verdrillten Magnetspulen, dazwischen durchziehen Röhren, Kabel und Drähte den Körper, vielfach miteinander verflochten. „Sieht aus wie ein Teller Spaghetti, ist aber alles präzise per Computer entworfen“, bemerkt Wegener. Er arbeitet am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Greifswald und ist Montageleiter von Wendelstein 7-X, dem größten Fusionsexperiment, das je in Deutschland angegangen wurde. Derzeit bauen es die Monteure zusammen – unter Hochdruck und im Schichtbetrieb. Spätestens 2014 soll Wendelstein helfen, eine jahrzehntelange Vision in die Tat umzusetzen: die kontrollierte Verschmelzung von Atomkernen, um in ferner Zukunft im großen Maßstab Strom zu erzeugen.

Der Aufwand ist beträchtlich. Wendelstein wiegt 700 Tonnen – ein hochkomplexes 3D-Puzzle aus weit mehr als 10 000 Teilen. Das Herz der Maschine ist eine reifenförmige Vakuumkammer mit einem Außendurchmesser von 16 Metern. Im fertigen Zustand sollen supraleitende, mit Flüssighelium auf minus 270 Grad Celsius heruntergekühlte Magneten ein Gasgemisch aus Wasserstoff und Deuterium in der Schwebe halten. Gleichzeitig werden starke Mikrowellen und schnelle Teilchenstrahlen das Gasgemisch zu einem Plasma ionisieren und bis auf 100 Millionen Grad heizen. Wendelstein wird zwar kein Fusionsfeuer entfachen, dazu ist er trotz seiner 700 Tonnen zu klein. Aber er soll eine grundlegende Frage beantworten, die die Physiker schon lange beschäftigt: Eignet sich das Konzept des „Stellarators“ ebenso für ein Fusionskraftwerk wie das des „Tokamak“? Letzteres ist das bislang favorisierte Prinzip der Fusionsgemeinde. So ist das internationale Megaexperiment ITER (siehe Kasten „Nagelprobe für die Kernfusion“) als Tokamak ausgelegt: Sein Magnetkäfig hat die Form eines simplen Ringreifens. Wände und Magneten sind glatt und nicht in sich verdreht wie bei einem Stellarator der Marke Wendelstein. Den Namen wählte man in Anspielung auf die frühen Stellaratorexperimente in den USA , die unter der Bezeichnung „ Matterhorn“ liefen. Da die ersten deutschen Stellaratoren in Garching bei München standen, wurde der Name des Berges Wendelstein in den Bayerischen Alpen gewählt. Der Begriff „ Tokamak“ stammt aus dem Russischen. 1952 wurde das Konzept erstmals vorgestellt, unter anderem von dem späteren Friedensnobelpreisträger Andrei Sacharow. Der Name Stellarator entstand mit Blick auf die Kernfusion in Sternen (von lateinisch „ stella“).

DER HANDZAHME STELLARATOR

Trotz seiner aufwendigeren Form könnte ein Stellarator einfacher funktionieren – so das Kalkül. „Ein Tokamak ist schwer zu bändigen“, sagt IPP-Direktor und Wendelstein-Projektleiter Thomas Klinger. „Bei ihm neigt das Plasma zum Ausbüchsen, sodass man das Feld des Magnetkäfigs laufend nachregeln muss.“ Anders beim Stellarator: Seine eigentümlich gedrehten Magneten könnten das Plasma stabiler einschließen. „Im Vergleich zum Tokamak ist ein Stellarator handzahm“, glaubt Klinger. „Bei ihm unternimmt das Plasma keine Ausbruchsversuche, gegen die man dauernd ankämpfen muss.“ Ein weiterer Vorteil: Der Stellarator könnte sich eher für den Dauerbetrieb eignen als ein Tokamak, der konstruktionsbedingt nur im Pulsbetrieb läuft und immer wieder kurz ausgeschaltet werden muss – ein Manko für den Kraftwerksbetrieb.

Wendelstein, das weltweit größte und modernste Experiment seiner Art, soll zeigen, ob der Stellarator die erhofften Vorteile tatsächlich bringt. Aber: Konstruktion und Bau der Maschine sind schwierig. „Bei einem Tokamak reicht im Prinzip ein Rechenschieber, um die Abmessungen der Magneten zu berechnen“, sagt IPP-Theoretiker Per Helander. „Beim Stellarator brauchten wir dafür moderne Supercomputer, weshalb die Planungen erst in den 1980er- und 1990er-Jahren möglich waren.“ Jahrelang simulierten Großrechner die Flugbahnen unzähliger Plasmateilchen und spielten immer neue Konfigurationen durch. „Das Optimum war gefunden, als bei den Simulationen nur noch wenige Teilchen aus dem Magnetkäfig entkamen und das Plasma gleichzeitig stabil blieb“ , erläutert Helander. „Damit hatten wir das beste Design für die Magneten.“ Das Ergebnis: Der Käfig für Wendelstein besteht aus 70 ringförmigen Spulen von seltsamer Gestalt: Die meisten sind so in sich verdreht, als wären sie bei einem Sturz von der Laderampe unwiederbringlich verbeult und eingedellt worden.

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Heikler noch als ihr Design war die Fertigung der supraleitenden Magneten. „Die Industrie hat so etwas zum ersten Mal gebaut. Und man kennt das vom Kochen: Beim ersten Mal geht’s oft schief“, verrät Klinger. Ein Teil der Magneten erwies sich bei den Tests als unbrauchbar und musste aufwendig repariert werden. Die Folge: Statt wie ursprünglich geplant im vergangenen Jahr wird Wendelstein nun erst in drei Jahren in Betrieb gehen und rund 130 Millionen Euro teurer werden als vorgesehen (aktueller Kostenrahmen: 430 Millionen Euro). „Doch nun läuft alles nach Plan“, freut sich Klinger. „2014 wird hier der letzte Bolzen festgezogen.“

Auch die Heizung, die das Wasserstoffgas auf 100 Millionen Grad bringen soll, ist dann fertig. IPP-Physiker Volker Erckmann zeigt auf eine übermannshohe graue Metalltonne im Keller der Nebenhalle, sicher verschlossen in einer Art Gefängniszelle: „Ein Mikrowellensender. In ihm zwingt ein starker Magnet Elektronen auf eine Spiralbahn: Die kreisenden Elektronen senden starke Mikrowellen aus.“ Entwickelt wurde die Mikrowelle am Karlsruher Institut für Technologie. Zum 80 Meter entfernten Stellarator gelangen die armdicken Strahlen durch einen Betonkanal. „Durch so einen Mikrowellenstrahl sollte man tunlichst nicht laufen“, warnt Erckmann. „Mit seiner Leistung von einem Megawatt ist diese Mikrowelle 1000 Mal stärker als die in der Küche. Ein Ochse wäre innerhalb einer Minute durchgebraten.“ Insgesamt zehn dieser Riesen-Mikrowellen stehen in Greifswald.

DIAMANT IM GEWICHT DES KRONSCHATZES

Die Herausforderung bestand darin, sie nicht nur über Sekunden strahlen zu lassen, sondern eine halbe Stunde lang. Gleich mehrere Tricks haben das möglich gemacht: So entwickelten die Forscher als „Hülle“ für die kreiselnden Elektronen einen luftleer gepumpten Kupferzylinder, der trotz der gewaltigen Mikrowellenleistung nicht schmilzt. Wichtig sind auch die vakuumdichten Fenster, durch die die Strahlung den tonnenförmigen Sender verlässt. „Das einzig mögliche Material war Diamant, und zwar in Form DVD-großer Scheiben“, erklärt Erckmann. „Die Diamantindustrie hat zuerst abgewinkt. Doch dann konnten wir sie dazu bewegen, das zu entwickeln.“ Eine Scheibe ist 360 Karat schwer, insgesamt brauchen die IPP-Physiker 20 davon. „Das Diamantgewicht entspricht dem des britischen Kronschatzes“, meint Erckmann mit sichtlichem Stolz. Die Mega- Mikrowelle ist nicht die einzige Heizquelle. Zusätzlich sollen starke UKW-Radiosender ins Plasma funken. Zudem werden kleine Beschleuniger Teilchensalven in die Kammer schießen und dem heißen Gasgemisch einen weiteren Kick geben.

20 Jahre sollen die Experimente dauern, drei Ziele haben sich die Forscher dabei gesteckt. Erstens: „Manche Fachleute glauben, man könne so eine Maschine gar nicht bauen, sie sei viel zu kompliziert“, sagt Thomas Klinger. „Ihnen werden wir beweisen, dass das sehr wohl möglich ist.“ Das zweite Ziel wollen die IPP-Physiker in der ersten Betriebsphase bis 2017 meistern: „Wir wollen zeigen, dass Wendelstein einem Tokamak gleicher Größe mindestens ebenbürtig ist.“ Dazu müsste der Greifswalder Stellarator ein ultradünnes Plasma bei 100 Millionen Grad einige Sekunden lang einschließen können. „Wenn wir das schaffen, ist der Stellarator zurück im Geschäft und wird als ernsthafte Option diskutiert“, hofft Klinger. Das größte Ziel aber ist der Dauerbetrieb – eine Novität für ein großes Fusionsexperiment. Ihn werden die Fachleute frühestens ab 2019 erreichen können, nach einem größeren Umbau von Wendelstein. „Erst dann ziehen wir die richtigen Reifen auf“, sagt Klinger. Insbesondere werden die Forscher den „Divertor“ ersetzen – eine Art Staubsauger für Verunreinigungen im Plasma, die es abkühlen könnten. Da er laufend von heißem Gas bombardiert wird, muss der Divertor von allen Bauteilen am meisten aushalten. Das zunächst eingebaute Modell besitzt Kohlenstoff-Kacheln als Prallplatten. Um die Belastbarkeit zu erhöhen, soll ab 2017 eine Wasserkühlung eingesetzt werden. „Eine echte Neuentwicklung“, betont Klinger. „ Wie die Reifen eines Formel-1-Autos darf er keinesfalls überlastet werden.“ Entsprechend behutsam werden die Wissenschaftler mit ihrer Maschine umgehen müssen, werden mit spitzen Fingern Gaszufuhr, Heizleistungen und Magnetfeldstärken variieren, um sich allmählich an das Optimum heranzutasten.

STREULICHT ÜBERPRÜFT PLASMA-WISSEN

Ob Wendelstein tatsächlich ein superheißes Plasma stabil einschließen kann, soll mit einer hochkomplexen Diagnostik geprüft werden. Durch Luken in der Gefäßwand werden Sensoren und Spezialkameras das Gasgemisch beobachten und Größen wie Temperatur und Dichte erfassen. Eine besonders raffinierte Methode ist die laserinduzierte Fluoreszenz. Maciej Krychowiak, Plasmaphysiker aus Polen, steuert einen Raum gleich neben dem Torus an, das Laserlabor. Hier stehen mehrere große hintereinander geschaltete Kästen. Pro Sekunde können sie 200 ultrakurze Laserblitze ins Plasma feuern. Ein Teleskop beobachtet, wie das Plasma die Laserblitze streut. „Leuchtet man in einer nebligen Nacht mit einer Taschenlampe nach oben, sieht man, wie der Strahl an der Luftfeuchtigkeit gestreut wird – je heller das Streulicht, desto dichter der Nebel“, erläutert Krychowiak. „Ganz ähnlich läuft es bei unserer Methode.“ Konkret verrät das Streulicht des Lasers, wie viele neutrale Wasserstoff-Atome sich am Rand des Plasmas aufhalten – wodurch die Experten ihr theoretisches Bild vom Plasma präzise überprüfen können.

Das Kalkül der Greifswalder Forscher: „Wenn um das Jahr 2030 handfeste Ergebnisse von Wendelstein sowie von ITER auf dem Tisch liegen, könnte sich erweisen, dass der Stellarator dem Tokamak überlegen ist“, sagt Thomas Klinger. „Der Stellarator dürfte sich uneingeschränkt für den Dauerbetrieb eignen.“ Der Grund: Der Tokamak basiert darauf, dass spezielle Magnetspulen einen kräftigen Strom im Plasma induzieren – erst dadurch wird der Magnetkäfig geschlossen. „Dadurch muss das Magnetfeld wie bei einem Trafo immer wieder hoch- und heruntergefahren werden“, erläutert Klinger. „Aus diesem Grund kann ein Tokamak nur im Pulsbetrieb arbeiten.“ Der Stellarator hingegen ist eine Gleichstrommaschine. Sein Magnetkäfig funktioniert auch ohne Plasmastrom – ein Plus, das sich die Experten mit der überaus komplexen, fast chaotisch anmutenden Form der Magneten erkaufen. Allerdings legen sich auch die Tokamak-Leute ins Zeug. Sie arbeiten an einer verbesserten Version, dem „Advanced Tokamak“. Seine Entladungszeiten sollen bis zu acht Stunden betragen, sodass man fast von einem Dauerbetrieb sprechen kann, der letzten Endes auch erreicht werden soll.

Wie soll es langfristig mit der Kernfusion weitergehen? In den Köpfen der Wissenschaftler steht der Fahrplan. „Nach den Experimenten mit ITER und Wendelstein wird man weltweit mehrere Demonstrationskraftwerke bauen, einige als Tokamak, andere als Stellarator“, meint Thomas Klinger. „Das wäre wie heute im Fahrzeugbau, wo mit Dieselmotor und Ottomotor ja auch zwei verschiedene Konzepte nebeneinander existieren.“

FRAGLICH, OB DIE OPTION GEZOGEN WIRD

Beim Bau der Demo-Fusionsreaktoren müssten die Forscher technologische Detaillösungen entwickeln, neutronenbeständige Materialien finden und die Wirtschaftlichkeit der Fusion beweisen – insgesamt kein leichtes Unterfangen. „Wir wollen der Gesellschaft eine Option für eine Energieversorgung bieten“, sagt Thomas Klinger. Doch ob diese Option dann auch gezogen wird, ist derzeit kaum zu prognostizieren. Gut möglich, dass Staaten wie Frankreich und China, die auf die Kernkraft setzen, ihre Meiler eines Tages durch Fusionsreaktoren ersetzen werden. Länder wie Deutschland hingegen, die eine Versorgung mit regenerativen Energien anstreben, werden von der Fusion womöglich die Finger lassen. ■

bdw-Autor FRANK GROTELÜSCHEN (links) ist einer der profiliertesten deutschen Journalisten in Sachen Physik. Er lebt in Hamburg und verfolgt seit Jahren die Entwicklung bei der Kernfusion. Ins Bild gesetzt hat die Greifswalder Anlage der mehrfach ausgezeichnete Berliner Fotograf DIETMAR GUST.

von Frank Grotelüschen (Text) und Dietmar Gust (Fotos)

DIE MAGNETFELDGEOMETRIE MACHT DEN UNTERSCHIED

Die europäische Fusionsforschung konzentriert sich auf zwei Prinzipien: Tokamak und Stellarator. In beiden wird das Plasma in ringförmigen Magnetfeldkäfigen eingeschlossen. Der Aufbau einer Fusionsmaschine des Typs Tokamak ist klarer als der eines Stellarators, dessen eigentümlich verdrillte Magnete erst durch Supercomputer berechnet werden konnten. Obwohl der Tokamak einen mehrjährigen Entwicklungsvorsprung hat, hoffen Stellarator-Befürworter, dass sich ihr Prinzip langfristig behauptet. Vorteil dieser Variante: Ein Stellarator-Kraftwerk könnte kontinuierlich Strom erzeugen. Dagegen muss der Tokamak funktionsbedingt immer wieder kurz ausgeschaltet werden.

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INTERNET

Mehr über das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, Stellenangebote sowie ein knackiges Glossar zu Begriffen der Fusion: www.ipp.mpg.de

KERNFUSION

Sie lässt die Sterne leuchten – also auch unsere Sonne. Voraussetzung für die Kernfusion sind die Extrembedingungen im Sterninneren: Temperaturen von rund 15 Millionen Grad und Drücke von bis zu 300 Milliarden Atmosphären. In diesem Höllenfeuer kommen sich die Atomkerne derart nahe, dass sie die elektrische Abstoßung überwinden und zu größeren Kernen verschmelzen. Dabei wird reichlich Energie frei: Ein Kilogramm Wasserstoff verschmolzen zu Helium liefert so viel Energie, als würde man 11 000 Tonnen Steinkohle verheizen.

Ein Fusionsreaktor soll Deuterium (schweren Wasserstoff) und Tritium (überschweren Wasserstoff) zu Helium verschmelzen – und das bei 100 Millionen Grad Celsius, aber nur 1 bis 10 Atmosphären Druck. Die schnellen Heliumkerne heizen das Gas weiter auf und halten den Prozess am Laufen – das Plasma ist gezündet, das Fusionsfeuer brennt und liefert Energie. Neben Helium entstehen auch schnelle Neutronen. Sie verlassen den Magnetkäfig, heizen das Kühlmittel in einem Wärmekreislauf auf und erzeugen via Turbogeneratoren Strom. Außerdem treffen die Neutronen auf das „ Blanket“: einen Mantel aus Lithium, in dem durch Kernreaktionen das als Brennstoff benötigte Tritium erbrütet wird.

Gegenüber einem Kernkraftwerk hätten Fusionsreaktoren Vorteile: Die Brennstoffe sind praktisch unerschöpflich. Außerdem entstehen beim Betrieb weder Treibhausgase noch Giftstoffe. Und der Fusionsreaktor erzeugt keinen langlebigen Atommüll. Allerdings würden manche Bauteile im Betrieb radioaktiv und müssten bis zu 200 Jahre zwischengelagert werden. Ein GAU, wie er in einem KKW möglich ist, scheint ausgeschlossen: Ein Fusionsreaktor enthält zu jedem Zeitpunkt höchstens ein Gramm Brennstoff.

KOMPAKT:

· Ein Projekt namens Wendelstein 7-X soll der Kernfusion ab 2014 neue Perspektiven geben.

· Trotz des großen Vorsprungs könnten Anlagen des ITER-Typs dadurch an Boden verlieren.

· Vorteil des Herausforderers: Er könnte im Dauerbetrieb laufen.

Nagelprobe für die Kernfusion

Der Testreaktor ITER (lateinisch für „Weg“) soll beweisen, dass die kontrollierte Kernverschmelzung nicht nur als physikalisches Laborexperiment funktioniert, sondern sich auch für die Energieerzeugung eignet. ITER wird derzeit in Frankreich gebaut – ein reifenförmiger Reaktor, 22 Meter im Durchmesser und 30 Meter hoch. Er soll erstmals ein Plasma aus Deuterium und Tritium zünden, das dann mehrere Minuten lang ohne Heizung brennt und dabei deutlich mehr Energie produziert, als hineingesteckt werden musste. Damit wäre gezeigt, dass die Kernfusion zur Stromgewinnung taugt – der entscheidende Schritt auf dem Weg zu einem Kraftwerk.

Angedacht wurde das globale Megaprojekt bereits 1985 von Michail Gorbatschow und Ronald Reagan. Nach einer langen Entwicklungsphase und einem zähen Ringen um Standort und Finanzierung einigten sich Europa, Russland, Japan, China, Südkorea, Indien und die USA 2004 darauf, ITER als internationales Gemeinschaftsprojekt im südfranzösischen Cadarache zu einem Preis von 5,3 Milliarden Euro zu bauen.

2010 wurden die Kostenschätzungen deutlich nach oben korrigiert – auf bis zu 15 Milliarden Euro. Gründe dafür: Die Physiker hatten bestimmte Instabilitäten des Plasmas unterschätzt. Sie mussten ihre Baupläne revidieren und um zusätzliche Magnetspulen ergänzen. Außerdem erwies sich die Projektstruktur als unübersichtlich und ineffizient. Auch die Rohstoffpreise sind gestiegen. Aufgrund der Kostenexplosion haben die ITER-Partner den Zeitplan gestreckt. Der Reaktor soll nun 2019 anlaufen. Und die Fusion, also die Erzeugung von Energie, soll sogar erst 2027 stattfinden – fast neun Jahre später als erhofft.

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