Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Sonne auf Sparflamme

Astronomie|Physik Erde|Umwelt Geschichte|Archäologie Gesundheit|Medizin Technik|Digitales

Sonne auf Sparflamme
Was ist mit der Sonne los? Nach dem längsten Minimum seit 100 Jahren schwächelt sie immer noch.

Mit der Sonne ist zurzeit nicht viel los. Ihre Aktivität dümpelt auf niedrigem Niveau. Nach dem letzten solaren Maximum Mitte 2000 fiel das Gestirn in eine ungewöhnlich lange Ruhe, aus der es bis heute nicht richtig aufgewacht ist. Das solare Minimum war das tiefste seit mindestens 100 Jahren. Sehr zum Erstaunen der Sonnenforscher: „Damit hat niemand gerechnet“, sagt Sami Solanki vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau.

Als die Sonnenaktivität 2006 allmählich abflaute, gingen fast alle Forscher davon aus, dass der neue Sonnenzyklus – mit der Nummer 24 – zügig in Gang kommen würde. Einige Prognosen ließen sogar auf eine rekordverdächtige Zahl von Sonnenflecken schließen. Doch dann passierte – nichts. Nach dem erwartungsgemäß fleckenarmen Jahr 2007 ging es noch weiter bergab. 2008 und 2009 blieb der Stern im Schnitt an zwei von drei Tagen völlig blank.

Auch der neue Sonnenzyklus, dessen Maximum 2013 erwartet wird, verspricht wenig Furore. In der Vergangenheit folgten auf lange Minima meist schwache Zyklen mit wenigen Sonnenflecken. Derzeit liegt die Sonnenfleckenzahl um zwei Drittel niedriger als in der gleichen Phase des vorigen Zyklus: Im Februar 1998, zwei Jahre nach dem Minimum, sprenkelten durchschnittlich 53 Flecken die Sonnenoberfläche, im Juni 2010 waren es gerade mal 16. Nun rätseln die Sonnenforscher, wie schlapp die Sonne wirklich ist. Viele glauben, dass sie ihre Aktivität gerade auf ein etwas schwächeres Level herunterfährt wie zuletzt Anfang des 20. Jahrhunderts. Einige Forscher sehen aber auch Anzeichen dafür, dass die Sonnenflecken für längere Zeit ganz verschwinden könnten wie zwischen 1645 und 1715, während des Maunder-Minimums. Diese nach dem englischen Astronomen Edward Walter Maunder benannte Phase ist wegen der „Kleinen Eiszeit“ berühmt, während der in Europa, Nordamerika und China viele Winter eiskalt waren und es zu Missernten kam.

Eine Studie von Ilja Usoskin zeigt, dass solche „großen Minima“ relativ häufig sind. Insgesamt 27 Langzeit-Tiefs identifizierte der Forscher von der Universität von Oulu in Finnland während der letzten 8000 Jahre, mehrere davon dauerten sogar 150 Jahre an. Insgesamt schwächelte die Sonne ein Sechstel dieser 8000 Jahre.

Anzeige

Abwärtstrend bei Radio und UV

Tatsächlich verhält sich unser Gestirn derzeit merkwürdig. Parallel zum Sonnenflecken-Schwund hat auch die Strahlung der Sonne im Radiowellenbereich nachgelassen. Die 10,7-Zentimeter-Strahlung wird seit 1947 gemessen, 2008 erreichte sie ihren bislang niedrigsten Wert. Im extremen Ultraviolett strahlte die Sonne ebenfalls schwächer. Das zeigen Messungen der äußersten Schicht der Erdatmosphäre, der dünnen Thermosphäre. Sie absorbiert das energiereiche UV-Licht und heizt sich am solaren Maximum auf Temperaturen von mehr als 1200 Grad Celsius auf. Doch zwischen 2007 bis 2009 sanken Temperatur und Dichte in der 90 bis 500 Kilometer hohen Schicht stark ab, stellten Forscher um Stanley Solomon vom National Center for Atmospheric Research in Boulder, Colorado, fest. Die Dichte lag 30 Prozent niedriger als bei allen früheren solaren Minima seit Beginn des Weltraumzeitalters. Selbst die Gesamtstrahlung der Sonne hat abgenommen. Die Leistung der über alle Wellenlängen aufsummierten Strahlung liegt im Schnitt bei 1366 Watt pro Quadratmeter – das ist die berühmte Solarkonstante. In Wirklichkeit ist sie aber gar nicht konstant: Zwischen solarem Minimum und Maximum schwankte sie während der letzten drei Zyklen um etwa ein Watt pro Quadratmeter. Doch 2008 sank die Gesamtstrahlung tiefer als jemals zuvor seit Beginn der Messungen.

Die Veränderung war im Verhältnis zum Gesamtwert zwar relativ klein, entsprach aber immerhin einem Fünftel der Schwankungsbreite. „Diese Abnahme ist sehr ungewöhnlich“, sagt Claus Fröhlich vom World Radiation Center im schweizerischen Davos. Wenn die Sonne weniger Energie abstrahlt, dann muss sie sich abgekühlt haben, vielleicht auch nur um Bruchteile eines Grades. Claus Fröhlich vermutet, dass der Wärmetransport im Sonneninneren derzeit weniger effektiv ist als normalerweise.

Beim Sonnenwind herrscht ebenfalls Flaute: Daten der Raumsonde Ulysses zeigten, dass der Druck des Teilchenstroms 2008 den niedrigsten Wert seit Beginn der Messungen in den 1960er-Jahren erreichte. Der Abwärtstrend begann schon Mitte der 1990er-Jahre und setzte sich auch 2010 fort. Die Geschwindigkeit der schnellen Teilchen hat sich zwar nur unwesentlich verringert, doch Temperatur und Dichte haben stark abgenommen. Das interplanetare Magnetfeld der Sonne, in dem sich die Sonnenwindteilchen bewegen, ist inzwischen so schwach wie seit 100 Jahren nicht mehr, berichtet Sami Solanki: „Von 1900 bis 2000 hatte sich die Feldstärke verdoppelt, doch seit den letzten sechs Jahren ist es mit diesem Aufschwung vorbei.“ Weil der Sonnenwind schwächelt, können mehr Teilchen aus dem Kosmos ins Sonnensystem eindringen. Die magnetische Blase, in die der Sonnenwind das Sonnensystem einhüllt, ist geschrumpft. Die kosmische Strahlung erreichte ein Rekordhoch: 2009 stieg die Zahl energiereicher intergalaktischer Teilchen um ein Fünftel gegenüber dem bisherigen Maximalwert an.

Flecken-Zählung seit 1610

Wie ungewöhnlich all diese Veränderungen wirklich sind, ist unklar, da die Messreihen meist nur wenige Jahrzehnte in die Vergangenheit reichen. Lediglich die Sonnenflecken werden bereits seit 1610 kontinuierlich gezählt. Diese Daten zeigen, dass das derzeitige ausgehende solare Minimum vor allem im Vergleich mit seinen sechs unmittelbaren Vorgängern bemerkenswert ist. „Wenn man länger zurückschaut, findet man ganz ähnliche Minima, zuletzt 1913″, sagt Sami Solanki.

Wie aktiv die Sonne in früheren Jahrtausenden war, hat Solanki bereits 2004 zusammen mit Kollegen rekonstruiert. Anhand radioaktiver Kohlenstoff-Isotope maßen die Forscher, wie intensiv kosmische Strahlen die Erde während der letzten 11 000 Jahre bombardiert haben. Daraus schlossen sie indirekt auf die Sonnenaktivität. Auch bei dieser Studie kam heraus, dass die Sonne in den letzten 60 Jahren extrem aktiv war. Nur etwa zehn Prozent der Zeit tobte sie sich in „großen Maxima“ aus, die meist nicht länger als 50 Jahre dauerten. „Vielleicht erleben wir gerade mit, wie die Sonne aus einem großen Maximum wieder herauskommt“, vermutet Sami Solanki. Trotz seiner Studie hatte er nicht mit einem derart schnellen Ende des solaren Höhenflugs gerechnet. William Livingston und Matthew Penn vom National Solar Observatory in Tucson, Arizona, gehen noch einen Schritt weiter. Sie vermuten, dass die Sonnenflecken bald komplett verschwinden könnten. Denn die beiden Forscher stellten fest, dass die magnetische Feldstärke der Sonnenflecken seit Mitte der 1990er-Jahre unabhängig vom Sonnenzyklus abnimmt.

Heisse Geladene TeilchenWolken

Die dunklen Male, deren Größe oft ein Mehrfaches des Erddurchmessers beträgt, sind Zonen mit einem besonders starken, zu Schleifen verbogenen Magnetfeld. Wenn sich dort Feldlinien mit entgegengesetzter Polarität verbinden, können sich gewaltige Eruptionen ereignen, die Strahlung und Wolken heißer, geladener Teilchen ins All katapultieren. Auf dem Höhepunkt des Zyklus erscheinen – je nach Zählweise – 150 bis 200 Flecken gleichzeitig auf der Sonnenoberfläche. Ihr schwarzes Zentrum, die Umbra, erscheint dunkel, weil es gut 2000 Grad kälter ist als die Umgebung. Das starke Magnetfeld behindert die Konvektion des heißen Plasmas im Sonneninneren. Je geringer die Magnetfeldstärke der Flecken, desto heller erscheinen sie. Sinkt die Feldstärke unter eine kritische Grenze, dann sind keine Flecken mehr zu sehen. „Die Sonnenflecken von Zyklus 24 waren bislang überwiegend kleine, helle Poren mit schwachem Magnetfeld“, sagt Matthew Penn. Wenn sich der Trend fortsetzt, rechneten Livingston und Penn aus, dann erreicht Zyklus 24 ein Sonnenfleckenmaximum von 54. Zyklus 25 könnte es womöglich auf maximal drei Flecken bringen. „Das würde der niedrigen Zahl des Maunder-Minimums entsprechen“, meint Penn. Was auch immer passiert: Für Sonnenforscher beginnen spannende Zeiten. Denn warum die Sonne solche merkwürdigen Wandlungen durchmacht, ist unklar. Noch vor fünf Jahren wurde angenommen, dass sie in jedem Minimum zum gleichen Grundzustand zurückkehrt. „Die Modelle, die wir vom Sonnendynamo haben, sagen längerfristige Schwankungen vorher“, sagt Leif Svalgaard von der Nagoya Universität in Japan. „Aber die genauen Ursachen kennen wir nicht.“ Grundsätzlich wird der Aktivitätszyklus durch das Magnetfeld der Sonne gesteuert. Aktuellen Theorien zufolge befindet sich der Dynamo rund 200 000 Kilometer unter der Oberfläche, an der Grenze zwischen der Strahlungszone und der sogenannten Konvektionszone. Dort verändert sich das Sonneninnere abrupt. Während Kern und Strahlungszone wie ein fester Körper alle 27 Tage einmal um die eigene Achse rotieren, wirbelt das heiße Plasma in der Konvektionszone unterschiedlich schnell um die Drehachse: Am Äquator dauert eine Umdrehung 25 Tage, am Pol dagegen 34 Tage. Die turbulenten Bewegungen des elektrisch geladenen Plasmas in der Tiefe erzeugen Magnetfelder, die sich auf komplizierte Weise selbst verstärken. Gleichzeitig nehmen die Plasmaströmungen das Magnetfeld mit und verändern es dadurch ständig: „Das Feld ist im Plasma eingefroren und muss sich mitbewegen“, erklärt Sami Solanki.

Gedehnt wie Gummibänder

Während des solaren Minimums hat das Feld die Form eines Dipols. Es gleicht dem Feld eines Stabmagneten. Doch durch die schnellere Rotation am Äquator werden die Magnetfeldlinien wie Gummibänder gedehnt. Sie wickeln sich wieder und wieder um die Sonne herum. Das Feld wird dadurch immer stärker und verändert seine Form: Es nimmt eine ringförmige Struktur an. Damit nicht genug: Aus Zonen, wo das Feld besonders stark konzentriert ist, wird das Plasma herausgedrückt. Der Druck sinkt. Als Folge steigt das heiße, elektrisch geladene Gas nach oben und nimmt dabei das starke lokale Magnetfeld mit. Beim Aufstieg verdrillen sich die Feldlinien zu engen Röhren und Schleifen.

Wenn eine Magnetröhre die Sonnenoberfläche durchbricht, wird ein Sonnenfleck sichtbar. Betrachtet man die Sonne mit einem Röntgen- oder UV-Teleskop, erscheinen die Sonnenflecken nicht mehr dunkel, sondern gleißend hell. Sie bilden das Zentrum der aktiven Regionen, an denen leuchtende Protuberanzen über die Sonnenoberfläche steigen und gewaltige Eruptionen das Sonnenplasma zerreißen. Wenn die Plasmaschwaden Kurs auf die Erde nehmen, steht das Weltraumwetter auf Sturm: Meist drei bis vier Tage nach einer Sonneneruption treffen die Teilchenwolken auf der Erde ein. Bei besonders heftigen Eruptionen künden nicht nur Polarlichter von der Ankunft der Sonnenteilchen. Satelliten können durch statische Entladungen zerstört werden, GPS- und Handy-Empfang funktionierten nicht mehr. Am Erdboden kann der Strom ausfallen, weil in Überlandleitungen hohe Ströme induziert werden und als Folge Transformatoren schmelzen. Wenn die Sonne rund um das solare Maximum besonders aktiv ist, bläht sich die Erdatmosphäre durch das ständige Teilchen-Bombardement auf. Die Reibung für Satelliten auf niedrigen Bahnen steigt, sie werden abgebremst und sinken ab.

DIE SAAT DER SONNENFLECKEN

Auf dem Höhepunkt des Sonnenzyklus erreicht die Fleckenzahl ihr Maximum. Gleichzeitig wird das Dipolfeld der Sonne so schwach, dass es sich schließlich umkehrt. Die Sonnenflecken liefern wahrscheinlich die Saat für ein neues Dipol-Feld. Eine entscheidende Rolle spielt dabei eine langsame Strömung auf der Sonnenoberfläche, die in den 1970er-Jahren entdeckt wurde. Mit einer Geschwindigkeit von etwa 50 Kilometer pro Stunde wandert das Plasma träge vom Äquator zu den Polen, wo es ins Sonneninnere sinkt und am Boden der Konvektionszone zurückströmt. Wenn die Sonnenflecken nach etwa zwei Wochen erlöschen, bleibt ein Magnetfeld-Rest übrig, der mit dieser langsamen Strömung polwärts driftet. An den Polen sammeln sich die Dipol-Anteile und verstärken sich bis zum solaren Minimum, so die Theorie.

Inzwischen haben einige Forscher damit begonnen, den komplizierten Sonnendynamo im Computer zu simulieren, um Vorhersagen zu treffen – bislang mit mäßigem Erfolg. Das Problem vieler Dynamo-Modelle bestehe darin, dass die für den Transport des Magnetfelds wesentliche polwärts gerichtete Strömung bislang nur in den obersten 20 000 Kilometern der Konvektionszone beobachtet werden kann, sagt der deutsche Sonnenphysiker Matthias Rempel, der am National Center for Atmospheric Research in Boulder (US-Staat Colorado) arbeitet: „Wie das Feld in tieferen Schichten transportiert wird, weiß man nicht genau.“ Rempel hält Vorhersagen aufgrund von Dynamo-Modellen daher für verfrüht.

wie sich stürme zusammenbrauen

Womöglich kann das neue Solar Dynamics Observatory (SDO) der NASA aber demnächst Abhilfe schaffen. Der Drei-Tonnen-Satellit umrundet die Erde seit Februar 2010 in mehr als 30 000 Kilometer Höhe. Zwei Instrumente des Observatoriums beobachten die Sonne in beispielloser Schärfe in mehreren Wellenlängen vom sichtbaren Licht bis hin zum extremen Ultraviolett. Die Aufnahmen sollen klären, wie sich Stürme an der Sonnenoberfläche zusammenbrauen. Das dritte Instrument, der „Helioseismic and Magnetic Imager“, erforscht das Sonneninnere mithilfe der Helioseismologie, einer Methode, die ähnlich funktioniert wie Ultraschall-Verfahren in der Medizin. Anhand von Doppler-Verschiebungen bestimmter Spektrallinien lassen sich die Bewegungen des Sonnenplasmas abbilden. Eines der Hauptziele des neuen Super-Teleskops besteht darin, tiefer in die Konvektionszone hineinzuschauen, um den Sonnendynamo endlich zu verstehen. Dann könnten langfristige Vorhersagen der Sonnenaktivität möglich werden.

Die kurzfristigen Weltraumwettervorhersagen haben sich seit dem letzten solaren Maximum bereits deutlich verbessert. Damals überwachte das inzwischen 15 Jahre alte Observatorium SOHO (Solar and Heliospheric Observatory) die Wetterlage auf der Sonne fast allein, unterstützt nur durch den Advanced Composition Explorer (ACE), einen 1,5 Millionen Kilometer vor der Erde kreisenden Vorposten. Diese Sonde registriert, wie viele Teilchen gerade auf die Erde zurasen. Doch inzwischen hat eine ganze Raumschiff-Flotte die Sonnenaktivität ständig im Auge: Der Doppelsatellit STEREO (Solar Terrestrial Relations Observatory) blickt zum Beispiel aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln auf die Sonnenoberfläche. Dadurch lässt sich der Pfad der Eruptionswolken in drei Dimensionen verfolgen und erkennen, ob sie Kurs auf die Erde nehmen. Und das Observatorium Hinode – im Orbit seit 2006 –, das die japanische Raumfahrtagentur gemeinsam mit der NASA und der ESA betreibt, beobachtet die Sonne permanent im optischen, ultravioletten und Röntgen-Bereich des Spektrums.

Weitere Sonden messen die Stärke des Sonnenwinds und dessen Wechselwirkungen mit der Erde. Denn auch wenn Sonnenflecken in den nächsten Jahren Mangelware bleiben – das Weltraumwetter könnte durchaus ungemütlich werden. So wie 1859, im 10. Zyklus: Die maximale Fleckenzahl lag damals bei 78, ähnlich wie es viele Sonnenphysiker derzeit für Zyklus 24 erwarten. Am 1. September brach auf der Sonne ein Supersturm los, der auf der ganzen Welt Polarlichter an den Himmel warf – selbst in den Tropen. In den Rocky Mountains machten sich die Goldgräber mitten in der Nacht Frühstück, weil es so hell war. Telegrafenleitungen schlugen Funken, in einigen Telegrafenbüros entfachten sie sogar Brände. Würde sich ein derartiges Ereignis heute wiederholen, errechnete die National Science Foundation, wäre der Schaden 20 Mal so hoch wie beim Hurrikan Katrina. ■

von Ute Kehse

Keine neue kleine Eiszeit

Wie sich das Klima entwickelt, wenn die Sonne erneut in ein großes Minimum fällt, haben Georg Feulner und Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung ausgerechnet. Ergebnis: Die verminderte Sonnenstrahlung würde die Erwärmung bis zum Jahr 2100 nur unwesentlich bremsen. Setzt sich der Sonnenzyklus wie gewohnt fort, erwärmt sich die Erde im Vergleich zu 1990 je nach Emissionsszenario um 3,7 bis 4,5 Grad Celsius. „ Ein neues großes Minimum würde die Temperaturen im Jahr 2100 um höchstens 0,3 Grad Celsius verringern“, sagt Georg Feulner. Das lange Minimum 2008/2009 konnte die globale Erwärmung jedenfalls nicht aufhalten. Messdaten der NASA zufolge war 2009 das zweitwärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen.

KOMPAKT

· Viele Indizien weisen auf eine unterdurchschnittliche Sonnenaktivität seit Jahren hin: Sonnenfleckenzahl, Sonnenwind, Magnetfeldstärke, Radio-, UV- und Gesamtstrahlung.

· Der kommende Sonnenzyklus wird wohl der schwächste seit Beginn des Weltraumzeitalters sein.

· Mit vielen neuen Beobachtungen, Computersimulationen und Modellrechnungen erkunden Physiker, was sich im Sonneninneren verändert hat.

Mehr zum Thema:

Lesen

Prächtiger Fotoband: Steele Hill, Michael Carlowicz Die Sonne Knesebeck, München 2006, € 17,95

Einführung in die Sonnenforschung: David Alexander The Sun Greenwood, Santa Barbara 2009, € 56,99

Zur Geschichte der Sonnenforschung: Stuart Clark The Sun Kings Princeton University Press Princeton 2009, € 18,99

Internet

Einführungen in die Sonnenforschung: www.windows2universe.org/sun/sun.html www.nasa.gov/topics/solarsystem/ sunearthsystem/main/index.html sec.gsfc.nasa.gov/

Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, Arbeitsgruppe Solanki: www.mps.mpg.de/de/forschung/sonne/

Homepage des Kiepenheuer-Instituts: www.kis.uni-freiburg.de/index.php?id=510

Das aktuelle Weltraumwetter: www.spaceweather.com

Sonnen-Observatorium SOHO: sohowww.nascom.nasa.gov/

Solar Dynamics Observatory: sdo.gsfc.nasa.gov/

Die Sonne ist unschuldig

Die Sonnenaktivität hat kaum Einfluss auf die Erderwärmung – im Gegensatz zum Kohlendioxid-Ausstoß auf der Erde. Das zeigen Klimamodelle mit verschiedenen künftigen Kohlendioxid-Emissionen. Beim Szenario 1 steigt der Kohlendioxid-Ausstoß bis Mitte des 21. Jahrhunderts ungebremst weiter. In diesem Fall könnte sich die Erde bei normaler Sonnenaktivität um 4,5 Grad erwärmen. Bei einem Sonnenaktivitätsminimum fällt die Erwärmung nur ein oder zwei Zehntel Grad niedriger aus. Beim Szenario 2 nehmen die Kohlendioxid-Emissionen bis Mitte des 21. Jahrhunderts zu und sinken dann wieder. Dabei steigen die Temperaturen bis 2100 um 3,7 Grad Celsius, wenn der Sonnenzyklus normal weitergeht, und um 3,6 Grad,wenn es zu einem neuen Maunder-Minimum kommt. Das ergaben Berechnungen des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung.

Sonnenfleckenzyklus ab 1995

Die zackige Kurve gibt die durchschnittliche monatliche Sonnenfleckenzahl an, ermittelt vom NOAA Space Environment Center. Die gestrichelten Kurven ober- und unterhalb der geglätteten Mittelwerte zeigen, in welchem Bereich die Werte schwanken.

Tagelang unbefleckt

Die Zahl der Tage, an denen unser Gestirn keinen einzigen Sonnenfleck aufweist, schwankt über die Jahre stark. 2008 war die Sonne an 266 von 366 Tagen makellos. Mehr fleckenfreie Tage gab es zuletzt 1913.

Zyklus mit Launen

Etwa alle elf Jahre erreicht die solare Aktivität ihren Höhepunkt. Die Fleckenzahl kann am Maximum stark schwanken, wie die Monatsmittelwerte der „Internationalen Sonnenfleckenzahl“ seit 1750 zeigen (zuvor: unsicherere Jahresdurchschnittszahlen).

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Che|mie|fa|ser  〈[çe–] f. 19〉 auf chem. Weg hergestellter Faserstoff, sowohl aus Naturstoffen (z. B. Kunstseide) wie auch aus vollsynthet. Produkten (z. B. Nylon, Perlon); Sy Kunstfaser … mehr

Hä|mo|lym|phe  〈f. 19; unz.; Zool.〉 Blutflüssigkeit wirbelloser Tiere mit offenem Blutgefäßsystem [<grch. haima … mehr

me|di|en|po|li|tisch  〈Adj.〉 die Medienpolitik betreffend, auf ihr beruhend, zu ihr gehörig

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige