Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Saba HIER UND SABA DA

Allgemein

Saba HIER UND SABA DA
Herrschten vor 2800 Jahren Araber über Äthiopien? Archäologische Funde enthüllen verblüffende Ähnlichkeiten mit dem Reich Saba auf der Arabischen Halbinsel – in Architektur, Herrschaft und Götterhimmel.

5. Mai 2011: Die Archäologen kommen auf dem Hügel Ziban Adi im Norden Äthiopiens an und beginnen sogleich mit der Oberflächenbegehung. Sie sammeln Unmengen von Scherben ein, die auf eine antike Siedlung auf der Vier-Meter-Erhebung schließen lassen. 7. Mai: Sie tiefen erste kleine Suchgräben in die steinige Oberfläche. 8. Mai: Sie legen die Mauerzüge eines großen Bauwerks frei.

So nüchtern das klingt – für den Ausgräber Pawel Wolf könnte es ein Hauptgewinn werden. Verbirgt sich im Hügel Ziban Adi bei der Ortschaft Wuqro ein unbekannter Tempel in einer untergegangenen Siedlung? Der Archäologe vom Deutschen Archäologischen Institut (DAI) arbeitet seit drei Jahren im Hochland Äthiopiens in der Provinz Tigray, wo er immer mehr Spuren einer fast 3000-jährigen Kultur aufdeckt. Und die verblüfft. Denn diese Kultur in Afrika hat ihre Wurzeln eindeutig in der Region des heutigen Jemen, in der Südwestecke der Arabischen Halbinsel. Die Bauweise der Tempel, die Schrift, die Götter, die Königstitel – alles findet ein Pendant im Reich der Königin von Saba. Dazwischen liegen rund 800 Kilometer – das Rote Meer, die lebensfeindliche Danakil-Senke und 2000 Meter Höhenunterschied. Aus verstreuten archäologischen Funden und sprachlichen Indizien lassen sich allerdings schon für das 2. Jahrtausend v.Chr. – eventuell sogar bereits für das 3. – intensive prähistorische Kontakte zwischen der afrikanischen und der arabischen Region beiderseits des Roten Meeres erschließen. Bekannt sind zudem rege Handelsbeziehungen mit Ägypten und den Mittelmeerländern, wo vor allem die für Kulthandlungen unerlässlichen Aromaten Weihrauch und Myrrhe gefragt waren. Durch beide Regionen liefen wichtige Karawanenwege und die Schiffsrouten nach Norden und ostwärts nach Indien. Die Gebiete auf beiden Seiten der Meerenge Bab el Mandab am Roten Meer waren im 2. Jahrtausend v.Chr. in die tonangebende Welt des östlichen Mittelmeers voll eingebunden.

KULTURELLE EINBAHNSTRASSE

Zu Beginn des 1. Jahrtausends v.Chr. wurden die Sabäer in Südarabien zur stärksten Kraft und etablierten ein expansives Königreich. Es erlebte einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung, Architektur, Kunst und Schrift explodierten. Zeitlich nur wenig versetzt – ab dem 8. Jahrhundert v.Chr. – tauchten sabäische Kulturelemente gehäuft jenseits des Roten Meeres im Hochland von Äthiopien auf. Das Seltsame: Dieser Kultur- und Techniktransfer lief nur in eine Richtung – von Arabien nach Afrika. Das Phänomen bekam einen Namen – „äthio-sabäische Periode“ – und stürzte die Wissenschaftler in einen vehementen Streit: Waren die Träger dieser Kultur afrikanische Einheimische oder arabische Einwanderer, Eroberer gar? Unterhielt die legendäre Königin von Saba eine Kolonie in Äthiopien? Und falls ja: Was wollte sie da?

Drei Archäologen-Gruppen aus Deutschland wollen das Geheimnis der äthio-sabäischen Periode lüften:

Anzeige

· Pawel Wolf sucht und findet für das DAI in der Region um den Ort Wuqro massive sabäische Indizien.

· Iris Gerlach von der DAI-Außenstelle Sanaa im Jemen erkundet die Region um den schon lange bekannten Saba-Tempel Yeha in der Nähe von Axum.

· Norbert Nebes von der Friedrich-Schiller-Universität in Jena entziffert sabäische Inschriften in Äthiopien.

Pawel Wolf wurde 2007 zu einer Notgrabung gerufen, weil bei einem geplanten Straßenbau mitten in der baumlosen Pampa des Tigray-Hochlandes seltsame Stücke aufgetaucht waren: die kopflose Steinstatue einer Frau und ein Steinblock mit einer sabäischen Inschrift. Die Fundstätte mit Namen Meqaber Ga’ewa entpuppte sich als kleine, aber komplette Tempelanlage mit Hof, Nebengebäuden, Umfassungsmauer und einem hervorragend erhaltenen Altar für Trankopfer, einem „Libationsaltar“ – 2800 Jahre alt.

EINE SELTSAME KÖNIGSINSCHRIFT

Vor allem der Opfertisch elektrisierte die Ausgräber des deutsch-äthiopischen Gemeinschaftsprojekts, denn: In Stil und Ausführung ist er nicht von sabäischen Altären im Jemen zu unterscheiden. Seine Inschrift entziffert, ergänzt und interpretiert Norbert Nebes so: „Wa’ran, der König, der (die Feinde) niederwirft, Sohn des Radi’um und der Sahhatum, der Gefährtin, hat dem Almaqah (diesen Altar) neu errichtet, als er zum Herrn des Tempels des Almaqah in Yeha berufen wurde.“

Die Inschrift ist ein sonderbarer Mischling:

· Sie ist nach Schrift, Grammatik und Syntax rein sabäisch.

· „Wa’ran“ ist der häufigste Name äthio-sabäischer Herrscher, taucht jedoch im Sabäischen selbst nie auf.

· Die Formulierung „der die Feinde niederwirft“ ist eine typisch ägyptische Königstitulatur.

· Die Nennung der Mutter kommt im altarabischen Kulturkreis nie vor, ist aber in ägyptischen Königsinschriften die Regel, somit ebenfalls eine afrikanische Komponente.

· Almaqah wiederum, dem der Altar Meqaber Ga’ewa und der Tempel von Yeha gewidmet sind, ist der oberste Gott des sabäischen Pantheons.

Doch mit derlei Besonderheiten nicht genug – bei weiteren Grabungen stieß Wolf auf einen Vorgängerbau des Libationsaltars. Unter dem Opfertisch legte er eine Mauer frei, die er sechs Meter weit in den Tempelhof hinaus verfolgen konnte. Sie umschloss einen Bau oder Innenraum, der erheblich größer war als der sabäische Tempel. Die Mauer war auf einer Seite mit Lehm verputzt und zunächst rot getüncht, später wurde sie weiß übermalt. Daraus lässt sich schließen, dass der Raum längere Zeit genutzt wurde. Funktion und Alter sind vorerst unbekannt. Georadar soll im nächsten Jahr klären helfen, ob hier ein noch älterer Sakralbau liegt.

Rätseln lässt auch Wolfs neuer Fund auf dem Hügel Ziban Adi: Die dort aufgedeckten bis zu 9 Meter hohen Mauerzüge umfassen eine Gebäuderuine, die mit 20 mal 15,5 Metern sogar etwas größer ist als der sabäische Monumentaltempel von Yeha. Für den Ausgräber ist es „ohne Zweifel ein sakrales Gebäude“. Ein in der Nähe gefundener eindeutig sabäischer Weihrauchbrenner gibt einige Gewissheit, dass es sich auch bei Ziban Adi um eine äthio-sabäische Kultanlage handelt. Aber auch hier ist Geduld gefragt. Genaueres wird erst eine Ausgrabung verraten.

Handel mit OBSIDIAN UND SALZ

Die Unmengen von Keramikscherben, die die äthiopischen und deutschen Archäologen bei ihrer Erkundung („Survey“) auf dem Hügel fanden, signalisieren wohl eine Siedlung. Geomagnetische Messungen wiesen auf dem Computerbildschirm unterirdische Anomalien aus, die sich bei Nachgrabungen als Mauerzüge entpuppten. Wenn sie antik sind, stellen sie ebenfalls ein Novum dar: Eine Siedlung mit Tempel haben die Archäologen nämlich bislang noch nirgends gefunden. Nimmt man diese Neufunde, den nahe gelegenen Libationstempel Meqaber Ga’ewa und einen vermuteten, aber noch nicht nachgewiesenen dritten Kultbau zusammen, „entsteht bei Wuqro ein bislang unbekanntes äthio-sabäisches Zentrum“, meint Ausgräber Wolf. Die Bewohner fanden ihr Auskommen vermutlich im Handel mit steinernem Baumaterial und Obsidian. Auch der Salzhandel wird eine Rolle gespielt haben. „Aus der Afar-Senke ziehen heute noch jeden Tag Salzkarawanen über Wuqro nach Westen“, weiß Wolf.

Die Region um Wuqro wird so immer deutlicher zum dritten Zentrum der äthio-sabäischen Periode. Ein weiteres befindet sich im Bereich der Stadt Matara im heutigen Eritrea, es ist weitgehend unerschlossen. Die größte Stätte äthio-sabäischer Kulturentfaltung ist jedoch der riesige Almaqah-Tempel von Yeha. Hier und in der Umgebung liegt das neue Arbeitsgebiet von Iris Gerlach und ihrem Mann Holger Hitgen. Die beiden eigentlich im Jemen stationierten Archäologen des DAI können dort wegen der politischen Unruhen derzeit nicht arbeiten und forschen deshalb verstärkt auf der anderen Seite der sabäischen Welt – in Afrika. Bei der Konsolidierung des einsturzgefährdeten Tempels entdeckte die Archäologin eine Verwandtschaft zwischen dem Almaqah-Tempel im äthiopischen Yeha und demjenigen im jemenitischen Marib, die so eng ist wie die Fugen der Quader in den Tempelmauern. Iris Gerlach versucht zudem, archäologische Ordnung in ein nahe gelegenes zweites Monumentalgebäude zu bringen. Es ist eventuell bis zu 200 Jahre älter als der Yeha-Tempel, allerdings schwer ruiniert, sodass die Frage „Tempel oder Palast?“ nicht zu klären ist. Die Architektur dieses Gebäudes kann die Archäologin ebenfalls nahezu nahtlos auf eine ihrer Tempel-Ausgrabungen im Jemen kopieren.

Mit großer Wahrscheinlichkeit und heutiger Kenntnis war die Region um Yeha der Mittelpunkt der rätselhaften äthio-sabäischen Kultur. Diese weist zwei Besonderheiten auf: Sie endet in Äthiopien parallel zum Niedergang des jemenitischen Sabäer-Reichs um 400 v.Chr. Und: Die Zeugnisse sabäischer Kultur finden sich ausschließlich an solchen Orten, in denen Macht oder Handel zentralisiert waren, im Umland gibt es nichts davon – bislang, muss man hinzufügen, denn die archäologische Erkundung Äthiopiens steckt noch in den Babyschuhen. Jede Kampagne kann Funde bringen, die das Puzzle verändern.

Fest steht, dass vom 9. oder 8. bis zum 4. Jahrhundert v.Chr. im äthiopischen Hochland eine Kultur dominierte, die aus dem sabäischen Reich kam:

· Sabäische Steinmetze waren offenbar in Afrika tätig.

· Neben dem arabischen Hauptgott Almaqah wurden in Äthiopien weitere sabäische Götter verehrt.

· Die Architektur der Tempel mit Pfeilervorbau und Cella – einem inneren Hauptraum, der als Wohnung der Gottheit galt – ist identisch, Steinbock-Friese und Scheinfenster gehörten auf beiden Seiten des Roten Meeres zum architektonischen Schmuckrepertoire.

· Die Herrscher trugen die gleichen Titel.

Expansive Eroberungspolitik?

Bei so viel Übereinstimmung in Archäologie und Epigraphik (Inschriftenkunde) hat Iris Gerlach keine Mühe zu schreiben: „ Nach dem jüngsten Forschungsstand, der auf einer Neubewertung der epigraphischen Zeugnisse aus Di’amat beruht, muss man von einer Migration größerer sabäischer Bevölkerungsgruppen über das Rote Meer in das Hochland von Eritrea und Tigray ausgehen.“ Die Forscherin muss jedoch einschränken: „Noch bleibt unklar, warum Sabäer in dieses Gebiet einwan- derten und ob es sich hierbei lediglich um eine Ausweitung des Handelsnetzes oder um eine expansive Eroberungspolitik handelte.“

Das äthiopische Reich Di’amat ist ein nebulöses Gebilde, das mit der äthio-sabäischen Periode zusammenfällt und durch schriftliche Quellen belegt ist. Schriftexperte Norbert Nebes übersetzt eine entsprechende Königsinschrift: „Als er (König Radi‘ um) Herrscher über Di’amat (geworden) war, (und zwar) über dessen Sabäer und dessen angesiedelte (einheimische) Bevölkerung (sowie) über dessen Bevölkerung von roter (und) von schwarzer Hautfarbe.“ Die Lesung „Sabäer“ wird noch diskutiert, mit den Menschen roter Hautfarbe sind jedoch die arabisch geprägten Bewohner Ostafrikas gemeint.

Künstler ins Land geholt

Für Nebes ist es keine Frage, „dass Sabäer in das äthiopische Hochland eingewandert sind und im südlichen Tigray nach südarabisch-sabäischem Vorbild ein vom Mutterland unabhängiges, autonomes Gemeinwesen gegründet haben“. Man könne vergleichsweise an die Kolonie-Gründungen der Phönizier und Griechen im westlichen Mittelmeer denken. Anders sieht das Pawel Wolf. Er will zumindest als Möglichkeit anerkannt wissen, dass die äthio-sabäische Periode auch ohne Kolonisierung denkbar ist: „Der seit Jahrhunderten bestehende Kulturkreis vom äthiopischen Hochland bis zu den Wüsten Arabiens kann so intensiv gewesen sein, dass die Äthiopier den Gott Almaqah und seine Mitgötter schon kannten. Und die Entwicklung von Bildkunst, Monumentalarchitektur und Schriftsprache im Reich von Saba blieb ja nicht verborgen. Da kann ich mir durchaus vorstellen, dass die Herrscher im äthiopischen Hochland gesagt haben: ,Das wollen wir auch haben‘, und sich sabäische Künstler und Handwerker ins Land holten.“ Friedrich der Große habe ja auch die französische Architektur und Sprache als Statussymbol genutzt – ohne dass man einen Einmarsch der Franzosen in Preußen postuliere.

Für Äthiopien bleibt zunächst offen, ob das afrikanische Land dem arabischen Reich von Saba einverleibt war oder sich nur mit einem modischen kulturellen Überbau aus der Ferne schmückte. Umgekehrt ist die Frage beantwortet: Im 6. Jahrhundert n.Chr. war Südwestarabien eine Kolonie äthiopischer Herrscher. Der christliche abessinische König nannte sich „Abraha, König von Saba, Hadramaut und Yamnat und seiner Nomaden des Hochlands und der Küstengebiete“ – Herrscher also des gesamten heutigen Jemens. Er rühmte sich mit Statue und Inschrift, den großartigen Staudamm von Marib restauriert zu haben. Die Kolonie herrschte über das ehemalige Mutterland. ■

MICHAEL ZICK, langjähriger bdw-Redakteur, war verblüfft, als er in Äthiopien die gleichen Bildelemente sah, die er aus dem Jemen kannte.

von Michael Zick

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Me|tall|far|be  〈f. 19〉 Farbe aus feinverriebenen Metallen, bes. Metalloxiden (mit trocknenden Ölen als Bindemittel)

Nil|gau  〈m. 1; Zool.〉 zu den Rindern gehöriger Wiederkäuer Vorderindiens: Boselaphus trogocamelus [<hind.]

Schutz|ge|biet  〈n. 11〉 1 abgegrenztes Gebiet, das einer best. Gruppe von Menschen Schutz (vor Verfolgung) bietet 2 〈früher〉 fremder Oberhoheit unterstelltes Gebiet, Kolonie … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige