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Antarktische Apokalypse

Erde|Umwelt

Antarktische Apokalypse
Ein neu entdeckter Krater unter dem Eisschild der Antarktis könnte das Relikt einer globalen Katastrophe vor 250 Millionen Jahren sein.

Gewaltig ist die Struktur, die ein Forscherteam um Ralph von Frese und Laramie Potts von der Ohio State University in den Messdaten der beiden deutsch-amerikanischen Satelliten GRACE (Gravity Recovery and Climate Experiment) aufgespürt hat: 480 Kilometer im Durchmesser. Die Satelliten, die am 17. März 2002 mit einer Rockot-Trägerrakete vom russischen Weltraumbahnhof Plesetsk in einen 500 Kilometer hohen Erdorbit geschossen wurden, kartografieren akribisch die Masseverteilung und das Gravitationsfeld der Erde. 1,6 Kilometer unter dem Eis von Wilkes Land in der östlichen Antarktis fanden sich Anzeichen eines „ Mascons“ – einer lokalen Massekonzentration aus dichterem Gestein, das aus dem Erdmantel emporgestiegen ist. Solche Mascons gibt es auch unter der Mond- und Marsoberfläche – und zwar stets unterhalb von Meteoritenkratern.

„Wenn ich so ein Mascon-Signal vom Mond sehe, erwarte ich einen Krater darüber“, sagt von Frese. „Und als wir unter das Antarktis-Eis schauten, erblickten wir auch Anzeichen dafür“, ergänzt der Professor für Geowissenschaften. Dieser „Durchblick“ ist freilich nicht wörtlich zu nehmen, sondern erfolgte mit Radargeräten von Flugzeugen aus. Dass die GRACE- und die Radar-Daten zusammenpassen, kann kein Zufall sein – denn es sind völlig unterschiedliche, unabhängige Messungen. „Es gibt über 20 Mondkrater dieser Größe. Es ist also nicht überraschend, auch einen solchen auf der Erde zu finden“, meint von Frese. „ Allerdings haben geologische Prozesse und die Erosion schon viele Krater von unserer Planetenoberfläche wegradiert.“

Die tektonischen Umwälzungen begrenzen – im Gegensatz zum Mond – auch die Lebensdauer irdischer Mascons. Unter dem über zwei Milliarden Jahre alten und 300 Kilometer großen Vredefort-Krater in Südafrika ist beispielsweise keiner mehr nachweisbar. Der Mascon von Wilkes Land kann also nur ein paar Hundert Millionen Jahre alt sein.

„Der Meteorit war wesentlich größer als jener, der vor 65 Millionen Jahren das heutige Mexiko traf“, sagt von Frese. Damals prallte ein ungefähr 10 Kilometer messender Planetoid oder Kometenkern auf die Erde, erzeugte einen 180 Kilometer weiten Krater unter der heutigen mexikanischen Halbinsel Yucatán und löste eine globale Klimakatastrophe aus, der über zwei Drittel aller Arten zum Opfer fielen – auch die Dinosaurier. Die kosmische Bombe von Wilkes Land muss sogar fast 50 Kilometer groß gewesen sein – mit ebenfalls verheerenden Auswirkungen auf Fauna und Flora. Tatsächlich ereignete sich vor 251 Millionen Jahren, an der Perm-Trias-Grenze, das größte Massenaussterben der Erdgeschichte. Damals wurden rund 96 Prozent aller Arten vernichtet. Paläontologen rätseln schon lange über die Ursachen. Diskutiert werden unter anderem Sauerstoffmangel, Klimaerwärmung, Giftgase, Ozonloch und Supervulkanismus. Wenn der Krater von Wilkes Land aus jener Zeit stammt, ist der Meteorit zumindest einer der Auslöser.

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Der Supertreffer könnte auch das Antlitz unseres Planeten mitgestaltet haben. Denn vor etwa 100 Millionen Jahren löste sich das heutige Australien von dem Superkontinent Gondwana und driftete nach Norden. Das sich ausdehnende Rift Valley, das Australien noch immer zur Seite schiebt, zieht sich durch den Indischen Ozean – und auch direkt durch den Krater von Wilkes Land. „Vielleicht wurde es durch den Meteoriteneinschlag gebildet – vorausgesetzt, der hat die Erdkruste aufgebrochen“, spekuliert von Frese.

Weitere Forschungen müssen die Hypothese überprüfen. Neben magnetischen Messungen wäre vor allem eine Untersuchung des Kratergesteins hilfreich. Sie würde zeigen, ob wirklich ein Meteorit eingeschlagen hat. Auch eine Altersbestimmung wäre sinnvoll. Freilich wäre es finanziell nicht realisierbar, 1,5 Kilometer durchs Antarktis-Eis zu bohren. Doch Kratergestein dürfte auch durch Eisbewegungen an die Küste gelangt sein. Mit etwas Glück lassen sich dort Zeugnisse des Einschlags einfach aufsammeln. ■

Rüdiger Vaas

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