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Gewissheiten sind in der Ägyptologie

Allgemein

Gewissheiten sind in der Ägyptologie

Gewissheiten sind in der Ägyptologie meist nur von kurzer Dauer. Eins aber ist sicher: Über Amenophis IV., besser bekannt als Echnaton, werden sich die Gelehrten noch lange und – da es sein muss – erbittert streiten.

Altägyptologe Erik Hornung beurteilt Echnaton „als einen Menschen, dem man Respekt und Sympathie schwer versagen kann“. Nicholas Reeves, britischer Ägyptologe mit Hang zur Provokation, verurteilt den gleichen Menschen als „die größte Katastrophe, die Ägypten je heimgesucht hat“ (bild der wissenschaft 11/2002, „ Echnaton – der mysteriöseste Pharao“).

Sicher ist, dass Echnaton seinem Volk Ungeheuerliches zumutete: Es sollte ab sofort anders beten und bauen, nach neuer Sitte leben und sterben. Viele Neuerungen waren indes schon vom Vater des so genannten Ketzer-Königs angelegt: Die verstärkte Verehrung des Sonnengottes Aton zum Beispiel hatte bereits Amenophis III. begonnen – als Eindämmungspolitik gegen die übermächtige Priesterschaft des Reichsgottes Amun. Echnaton spitzte den Konflikt zu, indem er Aton zum alleinigen Gott machte und sich selbst zum einzigen Menschen mit Zugang zu diesem Gott, der nur als Sonnenscheibe dargestellt werden durfte. Außerdem forderte Echnaton die Jenseits fixierten Ägypter auf, im Hier und Jetzt zu leben, denn das Weiterleben im Jenseits schaffte er ebenfalls ab. Mit der Verfemung der althergebrachten Götter raubte der Revolutionär seinem Volk nicht nur die raren Feiertage, sondern auch die persönlichen himmlischen Ansprechpartner – wie könnte eine Sonnenscheibe in Not und Krankheit helfen! „Echnatons Religion blieb eine intellektuelle Veranstaltung und Echnaton ein König für den Geist, nicht fürs Herz“, urteilt Erik Hornung.

Er sieht in ihm aber zugleich den Repräsentanten des geistig-kulturellen Aufbruchs, der das Neue Reich kennzeichnet. Die Begegnung mit „dem Anderen“, vermittelt durch die asiatische Hyksos-Herrschaft über Ägypten, schlug sich ja nicht nur in materiellen Dingen wie neuen Waffen oder Produktionstechniken nieder, sondern beeinflusste auch die Auseinandersetzung mit der Welt und dem Menschsein. Den ersten Bruch mit den Konventionen startete Hatschepsut – sie scheiterte. Die zweite massive Neuorientierung wagte Echnaton – auch er konnte sich nicht auf Dauer durchsetzen. Aber Ideen hinterlassen immer Spuren, und Geschichte ist nicht völlig zu löschen. Und so fand der jüngst verstorbene, exzellente Echnaton-Kenner Arne Eggebrecht denn auch Ideensplitter des Verfemten aus Amarna selbst in der praktischen Politik des großen Königs Ramses II. (1279 bis 1213 v.Chr.) wieder.

Der hatte knapp 60 Jahre später die Öffnung Ägyptens gen Osten durch die Verlegung seiner Hauptstadt Piramesse ins Nildelta forciert. Durch Echnatons Idee von der „einen Welt“ hatte Ramses II. „überhaupt erst die ideologische Möglichkeit, einen Gegner (die Hethiter) als ebenbürtigen Partner anzuerkennen und mit ihm einen Friedensvertrag zu schließen“.

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Auch die Echnaton-Idee von dem einen Gott für alle Welt hat der Größte der Ramessiden aufgenommen und weiterentwickelt. Amun wurde im Nildelta mit so vielen Eigenschaften anderer Götter aufgeladen, dass er, so Eggebrecht, zum alle überragenden Hyper-Himmlischen aufstieg: „Der Monotheismus Echnatons hat sich in den umliegenden Ländern niedergeschlagen und wahrscheinlich auch in Israel zu entsprechenden Denkanstößen geführt.“

In anderen Bereichen wirkten Amarna-Anstöße ebenfalls nach: Die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Menschen wurde auf eine neue Basis gestellt: Es kommt Bewegung ins Bild, Gefühle werden gezeigt, Gebrechen und Alter nicht länger vertuscht – die Welt als Gegenwart und Realität. Diese völlig unägyptische Gegenwärtigkeit übernahm Ramses II. in seinen Schlacht-Darstellungen, die er als Momentaufnahme gestalten ließ – samt Blick aus der Vogelperspektive.

Und dass der Echnaton-Mensch nicht mehr „als schöne Silhouette der unendlichen Beständigkeit gezeigt wird, sondern als Individuum mit Gefühlen und Psyche“, ist für Eggebrecht „ein völlig neues Menschenbild und der Einstieg ins moderne Denken“ .

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