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Erfolglos im Team

Gesellschaft|Psychologie

Erfolglos im Team
Teams gelten als leistungsstark. Doch viele Gruppenarbeiter klagen über mangelnde Effizienz. Oft ist die Einzelarbeit eines Experten dem Werkeln im Team überlegen.

Der wintererfahrene Co-Pilot des Militärflugzeugs redete in vagen Formulierungen mit seinem Teampartner: „Vielleicht sollten wir die Oberflächen noch mal überprüfen“, und: „Da scheint etwas nicht in Ordnung zu sein“. Auf diese indirekten Aufforderungen reagierte der Pilot nicht und startete die Maschine. Wenig später stürzte sie ins Meer und riss 69 Menschen in den Tod.

Die nachträgliche Analyse ergab: Das Flugzeug hatte lange auf seinen Start warten müssen, auf den Tragflächen und an den Triebwerken hatte sich Eis gebildet. Dadurch erhielt die Maschine nicht genügend Auftrieb für den Steigflug. Die indirekte Warnung des Co-Piloten „kam nicht an“, weil die Zusammenarbeit im Team nicht stimmte.

70 Prozent aller militärischen Flugun-fälle, so eine US-Analyse, sind auf unzureichende Teamarbeit der Crew zurückzu- führen. Nun fand der führende Forscher in militärischer Teamführung, Prof. Eduardo Salas, Leiter des Instituts für Simulation und Training an der University of Central Florida in Orlando, dass dieses Ergebnis auch auf die zivile Luftfahrt zu übertragen ist.

Dabei gelten Teams – nicht nur in der Luftfahrt – gemeinhin als effizient, kreativ und erfolgreich. Jedes Unternehmen, das etwas auf sich hält, motiviert seine Mitarbeiter zur Gruppenarbeit, und auch in der Forschung werden interdisziplinäre Arbeitsgruppen immer stärker in den Mittelpunkt gerückt. Nur im Team, so meint das Management, wird erfolgreich gearbeitet und werden bahnbrechende Ergebnisse erzielt. Die zeitgeistige Illusion dahinter: Je mehr Meetings, Teambesprechungen und Sitzungen, umso effektiver würden Synergien genutzt.

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Teamarbeit scheine für den „Ausdruck eines besonders fortschrittlichen Managements“ gehalten zu werden, kommentiert Prof. Fredmund Malik, Leiter des Management-Zentrums der Universität Sankt Gallen. Der Professor für Unternehmensführung ist einer der wenigen, der die Ideologisierung und den inflationären Einsatz von Teamarbeit hinterfragt. Malik, ein international renommierter Wissenschaftler und Berater, interessiert sich insbesondere für das strategische Management komplexer Systeme. Und dabei geht es in erster Linie um wirtschafts- und sozialkybernetische Fragestellungen: Wie gelingt ein effektives Zusammenspiel vielschichtiger Elemente in einem komplexen Umfeld? „Alle großen Leistungen“, schlussfolgert Malik nach seinen Untersuchungen, „sind Ergebnisse von Einzelnen.“ Falsch, kontert der Linzer Wissenschaftstheoretiker Gerhard Fröhlich: „Wissenschaft war schon immer ein kollektives Unternehmen.“

Um der Sache auf den Grund zu gehen, muss man zunächst die alltäglichen gruppendynamischen Prozesse analysieren, die bei Teamarbeit auftreten können. Heinz Mandl, Professor für empirische Psychologie an der Universität München, macht hier vier grundlegende Phänomene aus:

• den Freerider-Effekt,

• den Matthäus-Effekt,

• das „Bin ich denn der Depp“-Phänomen,

• den „Kann ich nicht / mag ich nicht, mach du“-Effekt.

Diese Verhaltensmuster, die Mandl bei seinen Untersuchungen zum kooperativen Lernen beobachtete, entwickeln sich so: In einem Team werden die „Arbeitspferde“ ausgeguckt, denen die meiste Arbeit aufgebürdet werden kann. Dabei übernehmen automatisch diejenigen, die viel wissen, freiwillig mehr Arbeit, weil es ihnen sonst zu langsam geht und ihnen langweilig wird (Matthäus). Die anderen Gruppenmitglieder entspannen sich (Freerider).

Bemerken die kreativen Köpfe, dass ihr Engagement ausgenutzt wird, werden sie demotiviert und weigern sich, die Arbeit alleine zu machen – sie wollen nicht die „Deppen“ sein. Findet sich kein Matthäus oder Arbeitspferd, übernimmt jeder nur den Part, den er mit dem geringsten Aufwand bewältigen kann, anderes wird abgewimmelt („kann ich nicht“). Der Effekt dieses Mechanismus: Das Team fährt mit gebremster Kraft.

„Der Hauptwiderstand“, kommentiert Mandl seine Ergebnisse, „ resultiert aus der egoistischen, aber natürlichen Frage, welchen Gewinn eine Person davon hat, in einer Gruppe zu arbeiten. Und ob nicht das Wissen, das sie abgibt, von anderen zu deren Karriereaufstieg benutzt werden könnte.“ Sprich: Teamarbeit widerspricht dem menschlichen Naturell.

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Guido Hertel, Professor für Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie an der Universität Würzburg. Er sieht die Gefahr des „sozialen Faulenzens“: Wenn Teammitglieder das Gefühl haben, dass nicht alle ihren Beitrag leisten, setzt ein bremsender Effekt ein. „Um sich nicht ausgebeutet zu fühlen, reduzieren auch ursprünglich sehr engagierte Mitarbeiter ihre Anstrengung und nehmen eine schlechtere Teamleistung in Kauf“, fasst Hertel seine Untersuchungen zur Motivation in Gruppen zusammen. Seiner Meinung nach müssen gerade bei Gruppenarbeit die Einzelleistungen im Vordergrund stehen, dann ist auch das Team erfolgreich. Nach diesem Vorschlag sollte jeder Experte alleine an seinem Thema arbeiten. Erst zum Schluss sollten die einzelnen Ergebnisse zusammengeführt werden.

Diese Auffassung teilte auch der verstorbene Franz Weinert, Direktor emeritus vom Max-Planck-Institut für Psychologische Forschung in München. Als Ergebnis seiner Längsschnittstudien an Schulen stellte er fest: „Die Beiträge einer Gruppe sind niemals besser oder kreativer als diejenigen eines unabhängigen einzelnen Mitgliedes.“

Bei einer Untersuchung der Bad Harzburger Akademie für Führungskräfte antworteten 97 Prozent der Befragten auf die Frage „Was bringt Teams zum Scheitern?“ mit: „ Kommunikationsschwierigkeiten“. Auf Platz zwei der Manager-Begründung: „unklarer Auftrag“ (siehe Tabelle). Die beiden Punkte werden gefolgt von den Achillesfersen des Menschen: Vertrauen, Macht, Führung und – ein Faktor, der nur zwischen den Zeilen steht – fehlende Disziplin.

„Zusammenarbeit basiert auf konsequenter Einhaltung von Disziplin“, meint Malik. Nur Disziplin und eine durchdachte Arbeitsteilung führen für ihn zum Erfolg eines Teams. Malik: „Das bedingt auch, dass es eine definierte Führung in der Gruppe geben muss.“ Der Teamleiter hat dabei „auf strikte Einhaltung von Grundsätzen und Regeln zu achten“.

Noch mehr Disziplin erfordert die virtuelle Gruppenarbeit, denn hier kennen die Teammitglieder einander oft nicht persönlich. Sie kommunizieren und arbeiten über Kontinente und Kulturen hinweg und sollen – da es sich um ausgewiesene Experten handelt – zu einem guten Ergebnis kommen. Solche Teams werden relativ häufig ins Leben gerufen: 20 Prozent der befragten Manager von Bad Harzburg arbeiten dauerhaft in virtuellen Gruppen, 42 Prozent sind projektbezogen elektronisch zusammengespannt.

Derlei virtuelle Teams schnitten im Vergleich zu Gruppen, die am selben Ort arbeiteten und sich fast täglich sahen, schlecht ab: Es fehlte, so die Harzburger Manager, der soziale Kontakt. E-Mails allein könnten dieses Manko nicht wett machen. Die Führungskräfte arbeiten nur dann gern in einer Gruppe, wenn sie ein Viertel und mehr ihrer Arbeitszeit gemeinsam verbringen. Je höher die Vertrautheit untereinander, umso besser wird die Koordination.

Gestützt wird diese Erkenntnis von Harvard-Professor Richard Hackman. Er sammelte Daten von 300 Teams in zehn verschiedenen amerikanischen Fluggesellschaften: Auch bei hohen technischen und persönlichen Fähigkeiten brauchen Crews Zeit, um sich aufeinander einzustimmen. Die Flugsicherheit erhöht sich, wenn mit stabilen Cockpit-Teams gearbeitet wird. „Hard crews“ sind für Hackman der Schlüssel zur erfolgreichen Teamarbeit.

Heißt das also: „Never change a winning team?“ Das ist einerseits richtig. Denn, so Militärforscher Hackman, ein gutes Team baut ein „team mind“ auf, eine etwa gleiche Vorstellung von der Aufgabe und der Zusammenarbeit. Dazu gehört auch, dass die Teammitglieder eine sehr genaue Vorstellung davon haben, was die anderen Gruppenangehörigen in bestimmten Situationen tun werden.

Andererseits, das fanden die italienischen Psychologen Nicolao Bonini und Massimo Egidi von den Universitäten Cagliari in Italien und Princeton in New Jersey, sinkt bei einem „harten“ Team die Flexibilität. Mit Hilfe eines Kartenspiels testeten sie die Strategien von Gruppen. Ergebnis: Teams, die einmal mit einer Strategie erfolgreich waren, haben große Mühe, in neuen Situationen von ihrer Erfolgsstrategie abzuweichen und andere Lösungswege zu suchen. Sie definieren das neue Problem so um, dass es zu ihren bewährten Lösungsstrategien passt. Das Gefühl, erfolgreich zu arbeiten, bleibt dann zwar stabil – aber es stimmt nicht mehr mit der Realität überein.

Über den inflationären Einsatz von Teamarbeit echauffiert sich immer wieder der amerikanische Gruppenforscher und Unternehmensberater Jon R. Katzenbach. Wenn sich eine Firmenführung als Team definiert, dann hält Katzenbach das schlicht für einen Irrtum. Seine Erfahrungen als Direktor der Unternehmensberatung McKinsey in Dallas fasst er so zusammen: „ Unternehmensprobleme gehören in die Hand eines Experten.“ Teamentscheidungen seien zu langsam und wenig wirkungsvoll, so Katzenbach, da sie aus Kompromissen geboren sind.

Ein eklatantes Beispiel dafür war in Deutschland das Debakel mit dem komplexen System der Lkw-Maut, das monatelang die Gemüter bewegte. Sicher würde heute auf Deutschlands Straßen längst per Satellit Geld verdient, wenn das neue Mautsystem Toll Collect von Anfang an in einem einzigen Unternehmen Chefsache gewesen wäre. ■

Dr. SUSANNE KLEIN ist Management-Trainerin, Beraterin und Publizistin in Bonn.

Susanne Klein

Ohne Titel

• Gruppenarbeit steigert nach genereller Managementmeinung die Effektivität.

• Kritiker verweisen jedoch auf eine Reihe von Mängeln, die gerade durch Teamwork entstehen.

• Virtuelle Gruppen schneiden dabei am schlechtesten ab.

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