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Dünner als ein Haar

Technik|Digitales

Dünner als ein Haar
Ob als feines Steuerseil, das den Scan-Kopf in einem Kopierer bewegt, oder verwoben zu einem Sicherungsnetz für Brücken und Treppen – Spezialseile aus Süßen findet man fast überall.

Ein Surren erfüllt die Werkshalle einer Bekleidungsfabrik, wenn die Textilmaschinen das Garn umspulen, ehe es zu Stoff verwebt wird. Die dünnen Stahlseile in den Maschinen müssen einiges aushalten. Denn das Garn soll sich nicht irgendwie auf eine Rolle wickeln, sondern in geordneten Bahnen. Dafür sorgt die „Fadenverlegung“: Das Garn läuft durch eine Öse, die sich von einer Seite der drehenden Spule zur anderen bewegt und das Garn ordentlich auf die Spule wickelt. Die Bewegung der Öse gewährleistet ein Feinseil der Carl Stahl GmbH. Die dünnen, aber stabilen und flexiblen Stahlseile sind eine Spezialität des Unternehmens aus Süßen bei Göppingen. Und sie sind Alleskönner, die viele Anwendungen erobert haben: In Industrieanlagen kommen die Feinseile ebenso zum Einsatz wie in der Medizin- und Sicherheitstechnik, in Autos und Elektrogeräten. So steuern die filigranen Seile die Druck- und Scan-Köpfe von Druckern und Kopierern – auf Hundertstelmillimeter genau. Und sie verrichten ihren Dienst eben bei der Textilherstellung. „Das Umspulen des Garns in den Maschinen geht so schnell, dass man es mit bloßem Auge nicht sieht“, sagt Hansjörg Hummel, Prokurist und Fachmann für Feinseile bei Carl Stahl. Fünfmal pro Sekunde muss das Seil die Öse zur Fadenverlegung hin- und herbewegen. So läuft ein Feinseil in einer Textilmaschine 60 bis 80 Millionen Mal über eine Umlenkrolle, bis es ausgetauscht wird. „Höhere Ansprüche an ein Seil gibt es kaum“, betont Hummel. Daher ist das kleine Steuerseil auch eines der komplexesten Produkte des Unternehmens. Trotz des geringen Durchmessers von einem halben Millimeter besteht es aus 201 Einzeldrähten – jeder dünner als ein Haar. Die Feinseile müssen Anforderungen erfüllen, die schwer zu kombinieren sind: Sie müssen flexibel sein, also leicht über Rollen laufen. Und sie dürfen nicht zu dick sein, da sie sonst in vielen Maschinen nicht einsetzbar wären. Flexibel sind Seile aber nur, wenn sie aus vielen Einzeldrähten bestehen. Die wiederum sind wegen der geringen Dicke des Stahlseils so dünn, dass sie sich maschinell nur hochpräzise verarbeiten lassen. Carl Stahl ist eine der wenigen Firmen, die das perfekt beherrschen.

In fast allen Automodellen von VW, Audi, Seat und Skoda verbinden Feinseile von Carl Stahl den Türgriff mit dem Schließmechanismus. Früher haben dafür Metallstangen gesorgt. Doch das hatte viele verschiedene Schlösser erfordert, da Stangen nicht anpassungsfähig sind. Mit dem Einsatz von Feinseilen konnten die Autobauer die Zahl von Türschlossmodellen von zehn auf drei reduzieren. Insgesamt verbauen VW und die Schwesterfirmen pro Jahr rund 13 Millionen Feinseile in ihren Autos. Ein weiterer Verkaufsschlager ist ein Netz aus Edelstahl. Damit beliefert Carl Stahl Kunden aus der Architektur. Zoos weltweit nutzen es zum Einzäunen von Gehegen und Volieren, Treppenaufgänge und Brücken werden damit gesichert. Carl Stahl wurde so zum Komplettanbieter, der mit Architekten und Landschaftsgestaltern zusammenarbeitet.

Konstantin Zurawski

Ohne Titel

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Das Prinzip, nach dem man bei Carl Stahl Feinseile herstellt, ist nicht neu. Ein Seil besteht aus vielen dünnen Einzeldrähten, die „verseilt“ werden, wie es im Fachjargon heißt. Und das funktioniert so: Es gibt einen Draht, auch Herzdraht genannt, der durch die Mitte des sogenannten Verseilkopfs läuft. Im dem sind sechs, manchmal auch zwölf weitere Drähte geführt. Die Drehung des Verseilkopfs um den Herzdraht sorgt dafür, dass sich die Einzeldrähte um diesen wickeln. Die Wicklung darf nicht zu locker sein, sonst entstehen Löcher und Schlaufen. Deshalb müssen die Einzeldrähte beim Abwickeln von der Ablaufspule einer gewissen Spannung unterliegen. Das aber ist bei der Herstellung von Feinseilen sehr schwierig. Denn manche Feinseile bestehen aus Drähten mit einem Durchmesser von nur 0,02 Millimeter – sie sind damit nur ein Viertel so dünn wie ein menschliches Haar und sind dementsprechend empfindlich. Die Kunst bei der Konstruktion der Verseilmaschine ist es also, die dünnen Einzeldrähte einerseits stark genug zu spannen, damit sie sich exakt und straff um den Herzdraht wickeln. Andererseits dürfen sie nicht zu stark gespannt werden – sonst reißen sie. Die Verseilmaschinen so fein zu justieren, dass sie die richtige Balance zwischen zu schwacher und zu starker Spannung haben, ist sehr diffizil. Den Entwicklern bei Carl Stahl ist das Kunststück gelungen. In der Produktionshalle des Unternehmens laufen 50 der selbst konstruierten Spezialmaschinen für die Herstellung von Feinseilen Tag und Nacht – und meist reißt kein einziger Draht.

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Die Geschichte der Carl Stahl GmbH beginnt im Jahr 1880: Jacob Stahl gründete in Süßen die Seilerei Stahl, in der Produkte für die Landwirtschaft hergestellt wurden. 1904 übergab er die Firma seinem Sohn Carl. Heute ist das Unternehmen zu einem Komplettanbieter für Seil- und Hebetechnik geworden. Zur Produktpalette gehören Kransysteme, Flaschenzüge, Traversen, Magnete und Tauchpumpen sowie Seile für die Architektur und Schmuckherstellung. Zudem vertreibt Carl Stahl Büro- und Betriebsausstattung und schult in einer eigenen Akademie Sicherheitsbeauftragte, Mitarbeiter und Manager. Die Ingenieure bei Carl Stahl sind ständig auf der Suche nach neuen Anwendungsbereichen für ihre Produkte, die immer weiter entwickelt werden. Einer davon ist die Medizintechnik, für den die Feinseile unerlässlich sind. „Dieser Bereich wird in Zukunft noch wichtiger werden“, sagt der Geschäftsführer Andreas Urbez. Carl Stahl hat bereits ein Gerät für das Stillen innerer Blutungen und eines für die Entfernung von Gallensteinen entwickelt und patentieren lassen. In beiden Geräten kommen Feinseile zum Einsatz. Zurzeit sorgen die Bereiche Architektur und Feinseile für etwa 30 Prozent des Unternehmensumsatzes, der sich seit dem Jahr 2000 fast verdoppelt hat. Carl Stahl will weiter wachsen – auch durch eigenen Nachwuchs: Am Hauptsitz Süßen sind derzeit zwölf Auszubildende beschäftigt.

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Gründung: 1880

Unternehmensleitung:

Willy Schwenger

Gerda Schwenger

Wolfgang Funk

Wolfgang Schwenger

Andreas Urbez

Mitarbeiter: 850

Umsatz 2006: 181 Millionen Euro, 50 Standorte in 17 Ländern

Internet: www.carlstahl.com

E-Mail: carlstahl@carlstahl.com

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