„Bis zum Jahr 2010 werden die verfügbaren IP-Adressen den Bedarf nicht mehr decken“, prophezeit Torsten Braun vom Europäischen Zentrum für Netzwerkforschung der IBM. Wovor Braun und viele seiner Kollegen warnen, ist der hemmungslose Ausverkauf an Internet-Adressen, die jeden Internet-Rechner – ähnlich einer Telefonnummer – eindeutig identifizieren.
Mit der im sogenannten Internet-Protocol „IP“ festgelegten Codelänge von 32 Bit lassen sich aber „nur“ vier Milliarden Rechner adressieren. Das ist zuwenig, denn IP-Adressen werden ineffizient, nämlich blockweise vergeben. Zum Beispiel an Universitäten und Großunternehmen: Wenn 256 Adressen nicht mehr reichen, müssen sie aus technischen Gründen gleich die 65000er-Packung nehmen – eine immense Adreß-Verschwendung.
Eine neue IP-Version, die seit 1992 unter Aufsicht der Internet Society (ISOC) erarbeitet wird, soll jetzt für Nachschub sorgen. Beim „Internet Protocol next generation“, kurz „IPng“, werden die Adressen eine Länge von 128 Bit haben – genug, um jeden Quadratmeter der Erdoberfläche mit 7.1023 IP-Adressen einzudecken. Der Hintergrund für diesen scheinbaren Overkill: Es ist durchaus möglich, daß einmal jedes Haushaltsgerät, ja jeder Lichtschalter mit dem Internet verbunden ist und seine eigene IP-Adresse erhält. Ferndiagnosen und -reparaturen würden dann den Posten „Anfahrtskosten“ von den Rechnungen der Handwerker erübrigen.
Die Vergrößerung des Adreßraumes ist nicht die einzige Verbesserung des neuen Protokolls. Durch eine günstigere Strukturierung der Adressen werden künftig auch die sogenannten Routing-Tabellen wieder handlicher. In ihnen ist festgelegt, auf welchem Weg die Daten im Internet von einem Knotenrechner zum nächsten weitergereicht werden. Durch ihre schiere Größe werden die Tabellen zunehmend zum Engpaß bei der Datenübertragung.
Neu ist auch die „Dienstgüten-Unterstützung“: Mit IPng lassen sich Daten als „dringend“ und „nicht so dringend“ kennzeichnen. Echtzeitvideos, die in der Telemedizin ohne Stocken übertragen werden sollen, würden dann nicht länger von Multimedia-Schnickschnack gebremst.
Hans-Peter Stricker