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Die feurige Jugend der Galaxien

Allgemein

Die feurige Jugend der Galaxien
Waren alle Galaxien früher einmal Quasare? Weit entfernte leuchtkräftige Objekte im All werden von supermassiven Schwarzen Löchern angefeuert. Mit immer leistungsfähigeren Teleskopen fanden die Astronomen Hinweise, daß auch im Zentrum der näheren Galaxien einst solche Kraftprotze für Energie sorgten. Dies reduziert die Vielfalt im kosmischen Zoo: Vieles ist wesensgleich – nur verschieden alt oder zeigt sich von verschiendenen Seiten.

Wahre Energiemonster sind die in den sechziger Jahren entdeckten Quasare in den fernen Regionen des Weltalls. Ihre Strahlungsleistung übertrifft häufig die von tausend normalen Galaxien zusammen. Deshalb können sie noch über Distanzen von Milliarden von Lichtjahren hinweg aufgespürt werden.

Die Leuchtkraft von Quasaren kann im Verlauf von Tagen oder Wochen schwanken. Daraus läßt sich schließen, daß die Strahlungsleistung in einem winzigen Gebiet entstehen muß, denn eine Helligkeitsänderung kann nicht schneller sein als die Zeit, die das Licht zur Durchquerung des Objekts braucht. Es wird deshalb angenommen, daß QSO die ultrahellen Kerne von Galaxien sind, die sich noch in ihrem feurigen Jugendstadium befinden.

Tatsächlich konnte man inzwischen die lichtschwachen Schleier solcher Galaxien um zahlreiche Quasare nachweisen. Überträgt man die Größenverhältnisse auf vertrautere Dimensionen, verkleinert man eine Galaxie zum Beispiel auf die Größe Berlins, dann würde der Quasar im Zentrum ein millimetergroßes Körnchen auf dem Brandenburger Tor sein und tausendmal heller strahlen als alle Straßenlampen, Leuchtreklamen und Wohnungslichter der Stadt zusammen.

Was ist die Quelle für diese geballte Energie? Aufgrund ihrer winzigen Größe ist es praktisch ausgeschlossen, daß die Quasare ihre Energie aus der gleichzeitigen Explosion vieler Sterne gewinnen. Einen Hinweis auf eine andere Erklärung gibt die Entdeckung von Teilchenströmen, sogenannten Jets, die aus den Quasaren herausschießen.

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Solche Plasmajets können nach den Modellvorstellungen der Astrophysiker in der magnetisch aufgeladenen Umgebung von dichten Gas- und Staubscheiben entstehen, sogenannten Akkretionsscheiben, in deren Mittelpunkt sich ein kompaktes, extrem dichtes Objekt befindet: ein supermassives Schwarzes Loch, das so viel wiegt wie Millionen oder sogar Milliarden Sterne vom Typ unserer Sonne.

Solch ein Koloß verleibt sich wie ein kosmischer Staubsauger Materie aus der Akkretionsscheibe ein. Diese Materie wird durch Reibungseffekte zuvor enorm erhitzt. Dabei und beim Sturz auf das Schwarze Loch wird eine gewaltige Energiemenge freigesetzt. Wenn jährlich Gas und Staub in der Größenordnung einer Sonnenmasse in das Schwarze Loch strudeln, reicht das aus, um die Strahlungsleistung von Quasaren zu erzeugen.

Bei diesem Inferno können auch Teilchen wie Elektronen, Positronen und Protonen fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden und als Plasmajets entlang der Rotationsachse der Akkretionsscheibe nach beiden Seiten davonrasen, wie es ja auch beobachtet wurde. Allerdings hat man bislang nur bei etwa zehn Prozent aller Quasare solche Jets nachgewiesen: eben jenen, die Radiostrahlung abgeben.

Heino Falcke von der University of Maryland sowie Alok R. Patnaik und William Sherwood vom Max-Planck- Institut für Radioastronomie in Bonn haben kürzlich Hinweise dafür gefunden, daß die meisten – wenn nicht sogar alle – Quasare Plasmajets ausstoßen. Die Astronomen nahmen mit Hilfe zusammengeschalteter, weit voneinander entfernter Radioteleskope einige Quasare ins Visier, deren Strahlungsintensität zwischen den radiolauten und radioleisen Objekten liegt. Das hohe Auflösungsvermögen dieser Beobachtungstechnik hat es möglich gemacht, den Ursprung der Radiostrahlung erstmals in winzigen, aber sehr intensiven Quellen in diesen Quasaren zu lokalisieren.

Die Wissenschaftler sind davon überzeugt, daß diese Strahlung von Jets stammt, die genau in unsere Sichtlinie zielen. Nach der Relativitätstheorie erscheint die Intensität von Strahlung nämlich verstärkt, wenn sich die Quelle beinahe mit Lichtgeschwindigkeit auf den Beobachter zubewegt.

Wenn diese Interpretation richtig ist, dürften solche Jets auch bei radioleisen Quasaren vorkommen. Nur zeigen sie nicht in Richtung Erde und sind daher für uns unsichtbar. Da Jets aber als exzellente Hinweisschilder für zentrale Schwarze Löcher gelten, ist es sehr wahrscheinlich, daß diese Schwerkraftriesen im Herzen aller Quasare sitzen. „Radioleise und radiolaute Quasare haben zentrale Energiequellen, die sich in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich sehen“, fassen die Astronomen ihre Studie zusammen. „Nicht nur, daß die optischen Eigenschaften fast nicht unterscheidbar sind, sondern beide Typen von Quasaren erzeugen auch relativistische Jets in ihren Zentren.“

Diese Schlußfolgerung vereinfacht das Sammelsurium kosmischer Objekte weiter. Schon früher wurde es als Erfolg gefeiert, daß sich die radiolauten Quasare und die sogenannten BL-Lacertae- Objekte oder Blasare (besonders helle, Quasar-ähnliche Strahlungsquellen mit anderen spektralen Eigenschaften) sowie die ebenfalls enorm energiereichen Radiogalaxien als ein und dieselbe Klasse astronomischer Objekte beschreiben lassen, die man aus unterschiedlichen Blickwinkeln wahrnimmt. Dazu bedarf es lediglich der Annahme, daß ihre zentrale Energiequelle von einem einige hundert Lichtjahre großen Staubgürtel umgeben wird (bild der wissenschaft 5/1989, „Den rätselhaften Radioquellen auf der Spur“). Je nach Perspektive verdeckt uns dieser Gürtel die Sicht auf das Zentrum (bei Radiogalaxien) oder nicht (bei Quasaren und Blasaren). In einigen Fällen konnte der Staubgürtel sogar schon beobachtet werden.

Kürzlich haben australische Wissenschaftler vom Mount Stromlo und Siding Springs Observatory sowie dem Anglo-Australian Observatory gezeigt, daß sich auch verschiedene Typen der leuchtkräftigen Seyfert-Galaxien – aktive Galaxien, die durch unterschiedliche Spektrallinien charakterisiert sind – in dieses Modell einordnen lassen. Man braucht dafür nur anzunehmen, daß der Staubgürtel dichtes molekulares Gas enthält und innen viel heißer ist als außen. Inzwischen mehren sich auch die Hinweise auf die Existenz von Schwarzen Löchern in nicht so weit entfernten Galaxien. Dies ist hauptsächlich der zunehmenden Präzision in der Messung von Sternbewegungen zu verdanken. Aus den Geschwindigkeiten, mit denen Sterne und Sternhaufen um den Mittelpunkt von Galaxien kreisen, läßt sich deren zentrale Masse errechnen. Übersteigt sie einen bestimmten Wert, ist ein großes Schwarzes Loch, das die Sterne förmlich um sich herumschleudert, die einfachste Erklärung für das zu schnelle Kreisen.

Eine andere Erklärung nimmt massereiche, kompakte Sternhaufen an, die so lichtschwach sind, daß sie von der Erde aus nicht beobachtet werden können. Sie wären jedoch instabil, würden sich entweder auflösen und leuchtkräftige Gaswolken hinterlassen oder rasch zu einem Schwarzen Loch kollabieren.

Auch in unserer eigenen Galaxis, der Milchstraße, sitzt im Mittelpunkt ein Schwarzes Loch, das ungefähr 2,5millionenmal so schwer ist wie unsere Sonne. Das konnten Andreas Eckart und Reinhard Genzel vom Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik in Garching letztes Jahr nachweisen. Ihre Messungen machten sie mit Hilfe neuer, hochgezüchteter Instrumente am 3,5-Meter-New Technology Telescope der Europäischen Südsternwarte in Chile.

Das Hubble-Weltraumteleskop leistete ebenfalls gute Dienste beim Aufspüren Schwarzer Löcher. So konnte kürzlich bewiesen werden, daß in M32, einer kleinen elliptischen Nachbargalaxie des Andromedanebels, auf einem Volumen von einem Lichtjahr Durchmesser etwa drei Millionen Sonnenmassen konzentriert sind.

Die bisherigen Funde lassen schon vermuten, daß sich im Mittelpunkt fast jeder großen Galaxie ein supermassives Schwarzes Loch verbirgt. Es scheint um so schwerer zu sein, je massereicher die Galaxie ist. Die Anzahl der bisher bekannten Quasare steht zudem mit der Hypothese in Einklang, daß im Zentrum der meisten Galaxien einmal ein Quasar brannte, der, als sein Materiezustrom versiegte, ein schweres, aber inaktives Schwarzes Loch zurückgelassen hat. Auch unsere Milchstraße hat einst eine feurige Jugend erlebt.

Rüdiger Vaas

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