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Warum das Beamen von Menschen unmöglich ist

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Warum das Beamen von Menschen unmöglich ist

Laserstrahlen zucken durch die Luft, und die wütenden Schreie der Verfolger kommen immer näher. Gehetzt blicken Captain James Kirk und seine Mitstreiter um sich. Sie sind in eine Falle geraten! Die Felswände vor ihnen lassen sich nicht erklimmen, und an der mörderischen Absicht der Verfolger besteht kein Zweifel. Der tödliche Ausgang dieser Forschungsexpedition auf einen unbekannten Planeten scheint unausweichlich. Doch Kirk bleibt cool. Rasch zieht er das kleine Funkgerät aus der Tasche. Das Piepsen verrät: Die Verbindung zur USS Enterprise steht. Das mächtige Raumschiff umkreist den Planeten in ein paar Tausend Kilometer Höhe. Jetzt geht es um Sekunden. „Scotty, beam‘ uns rauf!“ Da springen die Verfolger auch schon hinter den Büschen hervor. Triumphierend bringen sie ihre Laserwaffen in Anschlag. Doch in diesem Moment verwandeln sich Kirk & Co in eine Säule aus glitzerndem Nebel und lösen sich auf. Die Todesstrahlen treffen ins Leere…

Keine Frage – Gene Roddenberry, der Erfinder von „Raumschiff Enterprise“, hatte eine zündende Idee, als er das Beamen erfand. Dabei war sie aus der Not geboren: Das knappe Budget für die Fernsehserie ließ ihm keine Möglichkeit, die Landung seines riesigen Fantasie-Raumschiffs auf anderen Planeten überzeugend darzustellen. Das Beamen half ihm aus der Verlegenheit. Damit konnten die Helden rasch überallhin transportiert und auch wieder zurückgeholt werden – was ihnen in brenzligen Situationen mehr als einmal das Leben rettete.

Für Science-Fiction-Fans ist das Beamen also eine tolle Bereicherung. Doch es wäre auch für unseren Alltag überaus praktisch: keine Staus mehr auf der Autobahn, kein nervtötendes Warten am Flughafen, keine langen Reisewege – die Erde würde wirklich zum globalen Dorf, und wir könnten unsere Freunde in Australien genauso schnell besuchen wie den Nachbarn nebenan. Doch wann wird der erste Mensch gebeamt? „Diese Idee können wir vergessen“, schmunzelt Anton Zeilinger. Denn erstens ist ein Mensch viel zu groß, um ihn in einen quantenmechanischen Überlagerungszustand zu versetzen. Und zweitens: „Für die Teleportation des menschlichen Körpers benötigt man so große Datenmengen, dass sie die Kapazitäten heutiger Computer sprengen würden.“

Charles Bennett von der IBM-Forschungsabteilung in Yorktown Heights, US-Bundesstaat New York, der mit anderen Forschern 1993 die Idee der Quantenteleportation formuliert hat, bringt es nüchtern auf den Punkt: „Ich denke, dass die Teleportation komplexer lebender Strukturen, selbst von Bakterien, technologisch noch so weit entfernt ist, dass es sich nicht einmal lohnt, darüber nachzudenken.“

Ein Mensch besteht aus rund zehn Milliarden Milliarden Milliarden Atomen – eine Zahl mit 28 Nullen! Selbst wenn die Übertragung jedes einzelnen Atoms nur ein Kilobyte Speicherkapazität erfordern würde (so viel passt ungefähr auf eine halbe Seite dieses Hefts), bräuchte man für die atomare Beschreibung eines Menschen immer noch 10 Billiarden Mal mehr Bücher als in allen Bibliotheken der Erde zusammengenommen! Auf Computer-Festplatten umgerechnet ergäbe dies einen Stapel von mehreren Hundert Lichtjahren Höhe. Um diese Strecke zurückzulegen, wäre selbst Raumschiff Enterprise mit voller Fahrt ziemlich lange unterwegs!

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Lawrence Krauss, der als Professor an der Case Western Reserve University in Cleveland, Ohio, über Grundlagenphysik und Kosmologie forscht, hat noch weitere Schwierigkeiten ausgerechnet: „Man müsste die Materie, die man teleportieren will, auf eine Temperatur erhitzen, die eine Million Mal höher ist als die im Zentrum der Sonne. Es wäre nötig, für einen einzelnen Transmitter mehr Energie bereitzustellen, als die ganze Menschheit derzeit produziert. Um einen Menschen von einem Planeten auf die Enterprise zu beamen, bräuchte man ein Teleskop, das größer ist als die Erde, und Computer, die 1000 Milliarden Milliarden Mal leistungsfähiger sind als unsere heutigen. Der Energiestrahl würde ein Loch durch alle Wände zwischen Sender und Empfänger brennen. Außerdem müsste ein Weg gefunden werden, die Gesetze der Quantenmechanik zu umgehen, weil ein detaillierter Scan die atomaren Eigenschaften für immer verändert.“ Mit anderen Worten: Eine Teleportation ist nicht nur einigermaßen aufwendig, sondern für einen Menschen aller Wahrscheinlichkeit nach auch ziemlich ungesund.

Außerdem würde das Beamen weitreichende Fragen aufwerfen. Darüber hat Richard Hanley nachgedacht, der als Philosoph an der australischen Monash-University forscht: Was geschieht mit mir im Augenblick der Entmaterialisierung? Wäre ich nach der Teleportation überhaupt noch derselbe? Müsste ich nicht meine Seele verlieren? Und was würde passieren, wenn – wie in mehreren Episoden von „Raumschiff Enterprise“ – der Teleporter versagt und meinen Körper verdoppelt oder mit dem eines anderen Objekts durcheinander bringt?

Aber darüber zermartern sich die Physiker momentan nicht den Kopf. Denn die Quantenteleportation erlaubt gar nicht die Übertragung von Substanzen, sondern nur die von ausgewählten Eigenschaften. „Wir haben ja nicht Materie teleportiert, sondern nur einen Quantenzustand!“, versucht Zeilingers Kollege Harald Weinfurter von der Universität München Missverständnisse auszuräumen. Und in einer weiteren Hinsicht müssen die Physiker die Science-Fiction-Fans enttäuschen:

Die Quantenteleportation von Informationen funktioniert zwar ohne Zeitverlust über beliebig große Entfernungen – doch weiß man erst, was man da verschickt hat und ob die Teleportation geglückt ist, wenn der Sender den Empfänger auch auf konventionellem Weg kontaktiert: über Kabel oder Funk. Letztlich lässt sich der Barriere der Lichtgeschwindigkeit also doch kein Schnippchen schlagen.

Rüdiger Vaas

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