Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Szenen einer Erde

Astronomie|Physik Erde|Umwelt

Szenen einer Erde
Ein neuer Radarsatellit soll gestochen scharfe Bilder von der Erde liefern. Schon jetzt helfen Satellitenbilder Forschern, Behörden und Unternehmen bei Umweltschutz, Katastrophenhilfe und Straßenbau.

Gespannt wird Anlauf Nummer zwei erwartet. Dann versucht man auf dem russischen Weltraumbahnhof Baikonur in der Steppe von Kasachstan erneut, den deutschen Satelliten TerraSAR-X in den Orbit zu befördern. Der erste Starttermin am 31. Oktober 2006 war abgeblasen und verschoben worden, nachdem eine ukrainisch-russische Dnepr-1-Rakete im Juli einen Fehlstart hingelegt hatte. Derselbe Raketentyp – zu Sowjetzeiten wurde er unter dem Namen SS18 mit Atomsprengköpfen bestückt – soll den rund 130 Millionen Euro teuren Satelliten nun ins All tragen. Entwickelt und gebaut haben das Hightech-Flugobjekt Forscher und Ingenieure des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und des Raumfahrtunternehmens EADS Astrium in Friedrichshafen am Bodensee.

Das DLR entwickelt und betreibt das Bodensegment – die Infrastruktur, die zur Kontrolle des Satelliten, zur Planung der Aufnahmen, zum Empfang der Radardaten und für ihre Aufbereitung zu Bildern erforderlich ist. Die Aufgabe des ersten rein deutschen Fernerkundungssatelliten: Er soll mindestens fünf Jahre lang Radaraufnahmen mit extrem hoher Auflösung von der Erdoberfläche liefern, die dann Forschern und kommerziellen Nutzern zur Verfügung stehen.

Das Herzstück von TerraSAR-X ist ein sogenanntes Synthetik-Apertur-Radar. Dieses Sensorsystem „beleuchtet” die Erde in rascher Folge von einer Antenne aus mit kurzen Radarimpulsen. Die von Landoberflächen, Ozeanen, Eisbergen oder Gebäuden reflektierten Echos der Radarimpulse werden von der Antenne des Satelliten wieder aufgefangen und aufgezeichnet. Da der himmlische Späher die Radarsignale nicht senkrecht, sondern schräg zur Erdoberfläche abstrahlt, kann man durch Messung der Echo-Laufzeit entferntere Punkte von nahen unterscheiden – und so die Geländehöhe genau ermitteln. Die Auflösung in der Höhenmessung beträgt je nach Aufnahmemodus teils weniger als einen Meter. Damit lassen sich Autos, große Felsbrocken, einzelne Bäume und Gebäudedetails erkennen – und das bei Tag und Nacht und unabhängig vom Wetter, denn Dunkelheit und Wolken beeinträchtigen die Radarsignale nicht.

Alle drei Tage wird der Satellit, der den Globus in 514 Kilometer Höhe umkreisen soll, dieselben Orte überfliegen. Die Daten, die TerraSAR-X dabei zur Erde funken wird, lassen sich für eine Fülle von Anwendungen nutzen. Beispielsweise kann man anhand von kleinen Verschiebungen an der Erdoberfläche frühzeitig erkennen, wenn in einer Region das Risiko für ein Erdbeben oder eine Vulkaneruption steigt. Denn solche Naturkatastrophen sind des Öfteren mit Veränderungen der Geländetopographie verbunden, die sich im Vorhinein aufspüren lassen.

Anzeige

Auch die Änderung der Ausdehnung und Mächtigkeit der polaren Eiskappen soll der Satellit in den nächsten Jahren im Auge behalten und so wichtige Hinweise auf das Tempo und die Folgen des weltweiten Klimawandels liefern.

Das in Baikonur auf seinen Start ins All wartende neue Radarauge ist ein besonders leistungsfähiger Satellit – aber längst nicht der Erste, der die Erde mit gestochen scharfem Blick aus der Vogelperspektive ins Visier nimmt. „Insgesamt rund 50 Erdbeobachtungssatelliten für zivile Anwendungen sind derzeit im Einsatz”, sagt Robert Meisner, Leiter für Marketing und Medien beim Deutschen Fernerkundungszentrum (DFD) des DLR im oberbayerischen Oberpfaffenhofen. Dazu kommt eine Vielzahl von militärischen Satelliten, mit denen zum Beispiel die USA, Russland und China das Terrain anderer Länder auskundschaften.

Die ersten Schritte zur Erdbeobachtung per Satellit machten Amerikaner und Russen in der Anfangszeit der Weltraumfahrt Ende der Fünfzigerjahre. Zunächst dienten die Satelliten nur militärischen Zwecken. Während des Kalten Krieges setzten sowohl die NATO als auch der Warschauer Pakt auf die detaillierten Aufnahmen aus dem All, um Raketenstellungen, Truppenbewegungen und neue technologische Tricks der Gegenseite auszuspionieren. Der 1972 gestartete amerikanische Earth Resources Technology Satellite (ERST), der später in Landsat-1 umbenannt wurde, war der erste Satellit, der Bilder aus dem All ausschließlich für zivile Zwecke schoss. Inzwischen umkreist der siebte Satellit aus der Landsat-Familie die Erde. Viele der Bilder in diesem Beitrag stammen von diesem im April 1999 gestarteten Landsat-7.

Die Nutzungsmöglichkeiten für hochaufgelöste Satellitenfotos sind in den letzten 30 Jahren immer vielfältiger geworden. Hydrologen greifen beispielsweise auf die Messdaten aus dem All zurück, um den Abfluss von Niederschlägen in hochwassergefährdeten Gebieten zu modellieren. Am Computer fluten sie dazu virtuelle Landschaften, deren genaue Bodenstruktur sie aus Satellitendaten gewonnen haben. Aus den Ergebnissen solcher Simulationen lässt sich die Gefahr von Überschwemmungen nach starken Regenfällen abschätzen, um Schutzmaßnahmen zu planen.

Und Behörden können Umweltsündern, die Ölabfälle auf dem offenen Meer verklappen, giftige Abfälle in der freien Landschaft deponieren oder entlegene Waldflächen roden, mithilfe von Satellitenfotos leichter und schneller auf die Spur kommen.

Auch die Entstehung von Wirbelstürmen über dem tropischen Ozean kann mit den himmlischen Augen von Anfang an verfolgt und die Zugbahn der Hurrikane oder Taifune mit hoher Genauigkeit vorhergesagt werden.

Für Landwirte erstellen Spezialisten auf der Basis von Satellitenbeobachtungen präzise Prognosen über das Wachstum und die zu erwartenden Erträge auf den Feldern. Außerdem lassen sich drohende Dürren und Heuschreckenplagen per Satellit frühzeitig erkennen, die Ausbreitung von Krankheitserregern ist manchmal besser zu prognostizieren, und Mineralvorkommen sind aus der Luft oft einfacher als am Boden aufzuspüren. Nach einer Naturkatastrophe wie einem Erdbeben, Hochwasser oder Wirbelsturm bietet sich zudem aus dem All rasch ein Überblick über die Schäden. Hilfe lässt sich dadurch schneller organisieren und besser koordinieren.

Das hat die Flutkatastrophe in Mosambik gezeigt, die im Februar dieses Jahres riesige Landstriche entlang des Sambesi unter Wasser setzte, Dutzende Menschen tötete und mehrere Hunderttausend Bewohner der Region aus ihren Heimatorten vertrieb. Am 8. Februar lösten die Vereinten Nationen Alarm aus und forderten Satellitendaten für die Katastrophenhilfe an. Auch das Zentrum für satellitengestützte Kriseninformation (ZKI) des DLR stellte hochaufgelöste Satellitenaufnahmen von der betroffenen Gegend bereit. Diese Bilder waren für die Rettungskräfte sehr hilfreich.

Die heute um die Erde kreisenden Satelliten verwenden eine Vielzahl verschiedener Sensoren, mit denen sie den Planeten in unterschiedlichen Bereichen des Frequenzspektrums beobachten: im sichtbaren Licht ebenso wie im nahen und fernen Infrarot sowie mit Radar- oder Radiowellen. Während Radarsatelliten wie TerraSAR-X Signale zur Erde senden und deren Echos auffangen, detektiert ein Satellit mit optischen Sensoren das von der Erdoberfläche reflektierte Sonnenlicht. Die digitalen Messdaten werden von den Satelliten zur Erde gefunkt und dort von großen Antennen empfangen, etwa von den Satelliten-Empfangsanlagen des DLR in Oberpfaffenhofen und in Neustrelitz in Mecklenburg-Vorpommern. Per Software werden die Beobachtungsdaten analysiert und aufbereitet.

Satellitenbilder liefern nicht nur beeindruckende Fotos der Erdoberfläche – aus ihnen lassen sich auch Karten der photosynthetischen Aktivität von Pflanzen, der Konzentration von Luftschadstoffen oder der Oberflächentemperatur von Gletschern, Kontinenten und Ozeanen erstellen – und das regelmäßig und flächendeckend. Satelliten, die Windfelder und Sonneneinstrahlung auf der Erde messen, helfen, wenn es um die Auswahl geeigneter Standorte für Windräder und Solaranlagen geht. Ein relativ neues Anwendungsgebiet ist die Messung von Richtung, Höhe und Ausbreitungsgeschwindigkeit von Meereswellen. Solche Daten gewinnt der im März 2002 gestartete europäische Umweltbeobachtungssatellit ENVISAT.

„Der entscheidende Vorteil von Satelliten ist, dass man mit ihrer Hilfe die Erde in ihrer Gesamtheit beobachten kann”, sagt Robert Meisner. Damit erhalten die Forscher in kurzer Zeit ein wesentlich umfassenderes Bild als durch punktuelle Messungen an der Erdoberfläche. „Aus mehreren Hundert Kilometern Entfernung können außerdem viele lokale Phänomene in einen großen Zusammenhang gestellt und dadurch besser verstanden werden”, ergänzt Meisner. Unzugängliche Regionen wie die Polargebiete lassen sich sogar nur mithilfe von Satelliten übers ganze Jahr im Auge behalten.

Noch ein Plus: Durch den Vergleich von älteren und neuen Messdaten zeichnen sich langjährige Trends auf der Erde ab. So dokumentieren die Bilder aus dem All die Ausbreitung der Wüsten, die zunehmende Versteppung und das Schrumpfen der Regenwälder. Mit Satellitenmessungen gelang auch der Nachweis, dass der Meeresspiegel seit Anfang der Neunzigerjahre um durchschnittlich drei Millimeter pro Jahr gestiegen ist.

Manchmal gibt es auch große Überraschungen – zum Beispiel als Luca Mori aus dem norditalienischen Sorbolo auf die im Erdreich verborgenen Grundmauern einer antiken römischen Villa stieß. Archäologen sind begeistert von dem Fund, der auf Zufall beruht: Mori hatte sich lediglich die Umgebung seines Heimatortes aus der Luft anschauen wollen. Dazu hatte er auf den Web-Seiten von Google Earth gestöbert, wo sich jedermann auf einem virtuellen Globus aktuelle Satellitenfotos ansehen kann. Beim Mustern der Bilder stach Mori die Struktur des antiken Bauwerks ins Auge.

Neue Erkenntnisse erhoffen sich die Forscher auch von dem Radarsatelliten TerraSAR-X, der künftig noch einen Zwilling an die Seite gestellt bekommt. Der baugleiche Weltraumspäher soll TerraSAR-X ab 2010 zu einem Satelliten-Tandem ergänzen. Beide Satelliten werden dann in wenigen Hundert Metern Abstand die Erde umrunden und eine präzise digitale Reliefkarte der Erdoberfläche gewinnen. Welche Geheimnisse diese Karte offenbaren wird, kann heute noch niemand erahnen. ■

Ralf Butscher

Ohne Titel

Unter dem Motto „Das Auge des Himmels” zeigt das Gasometer in Oberhausen bei Düsseldorf bis zum 2. Dezember rund 60 ästhetisch besonders beeindruckende großformatige Satellitenbilder. In der Ausstellung, die das Gasometer gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt auf die Beine gestellt hat, sind gewaltige Gebirgsmassive, endlose Wüsten und Ozeane ebenso zu sehen wie feuerspeiende Vulkane und die urbanen Landschaften von Millionenstädten – alles aus der Perspektive des Alls. Kuratoren der einzigartigen Bildersammlung sind der renommierte Fotograf Wolfgang Volz und Peter Pachnicke von der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen. Zusätzlich zu den Satellitenaufnahmen können sich die Besucher der Ausstellung in Videofilmen über die Hintergründe der Fernerkundung und die Erdgeschichte informieren und an interaktiven Terminals verschiedene Regionen der Erde virtuell erkunden. Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr.

Eintrittspreis für Erwachsene: 6 Euro, ermäßigt: 4 Euro. Weitere Infos unter: www.gasometer.de

COMMUNITY Lesen

128 Aufnahmen von Gebirgslandschaften: Stefan Dech, Reinhold Messner, Rüdiger Glaser, Ralf-Peter Märtin

Berge aus dem All

Hrsg.: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

244 S., € 50,–

ISBN 978-3-89405-652-0

Sammlung von über 240 Satellitenbildern:

Bilder der Erde

Gerstenberg, Hildesheim 2006

288 S., € 49,90

ISBN 978-3-8067-2944-3

Internet

Deutsches Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) des DLR:

www.caf.dlr.de/caf/institut/dfd

Das Satellitenbild der Woche von der ESA:

wwwserv2.go.t-systems-sfr.com/tsx

MIRAVI – Archiv von ESA-Satellitenbildern:

miravi.eo.esa.int/en

Satellitenbilder und Infos von der NASA:

earthobservatory.nasa.gov

Deutsche Version von Google Earth:

earth.google.de

Ohne Titel

• Rund 50 zivile Satelliten nehmen die Erde aus der Vogelperspektive ins Visier.

• Sie liefern eine Fülle von hochaufgelösten Fotos und wissenschaftlichen Daten – auch aus unzugänglichen Gebieten wie an den Polen.

• Mit TerraSAR-X startet demnächst der erste rein deutsche Radarsatellit ins All.

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Jo|ta  〈span. [x–] f. 10; Mus.〉 spanischer Tanz im 3 / 4 … mehr

Wet|ter|war|te  〈f. 19〉 kleine Dienststelle zur Beobachtung des augenblicklichen u. voraussichtlichen Wetters, die regelmäßig Berichte an die Wetterämter gibt; Sy meteorologische Station … mehr

Epi|bi|ont  〈m. 16; Biol.〉 Lebewesen, das auf einem anderen lebt; Ggs Endobiont … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige