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Vom Himmel hoch

Astronomie|Physik

Vom Himmel hoch

Das europäische Navigationssystem Galileo verbreitet zwar noch keine Funksignale aus dem All, dafür aber Optimismus aus Brüssel: „Wir sind im Zeitplan, die Erkundung des Systems ist abgeschlossen, der Kostenrahmen wird eingehalten“, verkündet Rainer Grohe. In der belgischen Hauptstadt leitet er das europäische Gemeinschaftsunternehmen „Galileo Joint Undertaking“ und ist für so ziemlich alles zuständig, um Europa von 2008 an mit eigenen Navigationssignalen zu versorgen. Ein glatter Projektverlauf also? „An Galileo ist eigentlich gar nichts einfach“, stöhnt Grohe. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt: Hier hat es bereits gewaltig gekracht – und die Abstimmungsprozesse zwischen den Akteuren werden künftig allem Anschein nach noch schwieriger sein als heute schon.

Die technische Vision ist prachtvoll: Europas Antwort auf das amerikanische Navigationssystem GPS soll – natürlich – besser, bequemer und billiger als dieses werden. Die EU und die europäische Weltraumbehörde ESA finanzieren den gegenwärtig laufenden ersten Teil des Mammutprojekts, die Entwicklungs- und Validierungsphase. Danach soll der Betrieb der im Endausbau 30 Satelliten in Zusammenarbeit mit industriellen Investoren (Public-Private Partnership) für geteiltes Risiko, höhere Einnahmen und – eines Tages – 150 000 Arbeitsplätze sorgen. Gesamtkosten für die beteiligten Staaten bis 2008: mehr als zwei Milliarden Euro.

Der anfängliche Zwist mit den Amerikanern ist beigelegt. Das GPS 3, der Nachfolger des heutigen US-Standards, soll kompatibel mit Galileo werden. Die Navigationssysteme von morgen sprechen dann alle Sprachen, das russische System Glonass wird mit integriert. Eine bittere Pille müssen allerdings die Besitzer bisheriger GPS-Navigationsempfänger schlucken: Sie können zwar weiterhin die alten GPS-Signale empfangen. Wollen sie jedoch von den Funktionen des neuen Galileo/ GPS-3-Systems profitieren, müssen sie neue Geräte kaufen.

„Wir haben jetzt einen Testsatelliten im All, der zweite startet im Herbst 2006, 80 Prozent der Verträge sind geschlossen“ , resümiert Günter Stamerjohanns. Er hat in München bis Ende Juni „Galileo Industries“ geleitet, ein Konsortium europäischer Raumfahrtkonzerne, das die Technik der Startphase liefert. Ende 2008 würden die ersten nutzbaren Navigationssignale gesendet, verspricht er. Doch der Weg dorthin ist steinig.

So musste Ende 2005 Galileo Industries beinahe Insolvenz anmelden, als der damalige deutsche Verkehrsminister Manfred Stolpe im Gerangel um Kompetenzen und Zusatzkosten den Geldhahn abdrehte. Noch heute geistern die 300 bis 500 Millionen Euro, um die damals gestritten wurde, als vermeintlich neue Kosten durch die Medien. 2005 zeigte sich, dass das Projekt im Zeitplan zurückgefallen war, was Mehrkosten verursachte. Auch wurden zwei zusätzliche Satelliten notwendig.

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Das Kernproblem der Unternehmung ist, dass sie mehrere Häuptlinge hat. In der gegenwärtigen Entwicklungsphase sind es zwei, die EU und die ESA. Sie regieren nach gänzlich unterschiedlichen Interessenlagen: Während die an der ESA beteiligten Staaten das investierte Geld rasch in Form von Aufträgen und Arbeitsplätzen ins eigene Land zurückholen möchten, setzt die EU auf maximale Exzellenz der Technik: Durch Wettbewerb der Ideen soll sich das beste System ergeben, unabhängig von der Nationalität. Dieser Gegensatz macht selbst kleine Auftragsvergaben zum zeitraubenden Tauziehen.

Zurzeit laufen Verhandlungen mit den Staaten, wie die Milliardenkosten nach 2008 verteilt werden. Und bei der abschließenden Entscheidung wird ein dritter Häuptling mit am Lagerfeuer sitzen: ein privater Konzessionär, der Dutzende europäischer Firmen vertritt. Er soll 70 Prozent der weiteren Kosten tragen – knapp zwei Milliarden Euro für den Aufbau sowie Jahr für Jahr 220 Millionen Euro für den Betrieb von Galileo. Dann wird selbdritt um Galileos Zukunft gerangelt. Tobias Beck■

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