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Revolution im Kuppeltheater

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Revolution im Kuppeltheater
Dank neuer Technik zeigen viele Planetarien jetzt neben dem Sternenhimmel auch Videosequenzen und Animationen aktueller astronomischer Erkenntnisse.

Wenn sich der Sternenprojektor bei Klängen von Richard Strauss aus dem Fundament erhebt, erstirbt jedes Geräusch im Publikum. Das Licht ist längst ausgeschaltet. Die Augen haben sich an die Dunkelheit im Planetarium gewöhnt. Wenn dann 4000 Glasfasern in der Projektorkugel 4000 Sterne an die Kuppel werfen, geht ein Raunen durch die Reihen. So brillant ist der Sternenhimmel sonst nur weit entfernt von der lichtverschmutzten Großstadt zu sehen.

Der künstliche Sternenhimmel ist der Star jedes Planetariums. Doch die Trends gehen in Richtung Multimedia. „Full dome” -Projektion heißt das Schlagwort: Mehrere Beamer werfen kuppelfüllende Videosequenzen an die Wand. Die Besucher fühlen sich mitten im Geschehen: Sie fahren mit einem Mars-Rover über die steinige Oberfläche des Roten Planeten, folgen der Bahn der Jupitersonde Galileo oder lassen sich bequem am Materiestrudel eines Schwarzen Lochs nieder – unterlegt von Musik und anderen Geräuschen. In Sachen Animation laufen die Beamer den klassischen Sternenprojektoren den Rang ab, sodass in Planetarien wie dem von Augsburg der ausgemusterte Sternenprojektor nur noch im Foyer zu sehen ist. Doch viele trauern dem Sternenprojektor nach: „Mit dem Beamer sieht der Sternenhimmel grausig aus”, sagt der Astrophysiker Emil Khalisi aus Gießen, der das Webportal planetariumsclub.org betreibt. Da der Beamer die Helligkeit eines Sterns mit der Zahl der Pixel justiert, gerät ein heller Stern zum Scheibchen. Der Beobachter nimmt das als Unschärfe wahr – „ als würde er die Brille abnehmen”, sagt Uwe Lemmer, der neue Direktor des Planetariums Stuttgart.

In der Natur sind die Sterne unterhalb des Auflösungsvermögens des menschlichen Auges und werden als Punkte wahrgenommen. Die Kunst für die Sternenprojektoren besteht darin, die richtige Lichtmenge in einen möglichst kleinen Fleck auf der Planetariumskuppel zu deponieren. Bei den Sternenprojektoren wie dem Universarium von Zeiss führen 9100 Glasfasern von einer 400-Watt-Lampe das Licht zu 32 sogenannten Sternenmasken. Es wird dann über 32 Optiken in der Projektorkugel als Nord- und Südhimmel ausgestrahlt. Eine Phalanx von 8 seitlich stehenden Zusatzprojektoren bildet Sonne, Mond und Planeten ab. „Den hellsten Stern am Fixsternhimmel, Sirius, können wir mit 1000 Lux zum Leuchten bringen”, sagt Wilfried Lang, der Geschäftsbereichsleiter Planetarien der Carl Zeiss AG in Jena. Die aktuellen Beamer schaffen nur einen Bruchteil dieses Werts.

ZOOM IN DEN ORIONNEBEL

Bei den modernen Sternenprojektoren, wie sie in Stuttgart und Hamburg installiert sind, sieht Lang die technischen Möglichkeiten ausgeschöpft. Bei den Beamern bleibt noch einiges zu tun – etwa bei der Darstellung von Schwarz. „Es wäre toll, wenn wir etwa am Fixsternhimmel den Orion mit seinen Gürtelsternen und dem Orionnebel zeigen und dann mit dem Beamer in den Nebel zoomen könnten”, erklärt Lemmer. Die Großaufnahmen der Sternengeburtsstätte Orionnebel, die der Beamer über den Fixsternhimmel des Sternenprojektors legt, kämen beispielsweise vom Hubble-Weltraumteleskop. Doch bislang liefern die Beamer anstelle der Hintergrundfarbe Schwarz nur ein dunkles Grau. Lemmer vergleicht das mit einem Fernsehbildschirm, der in einem dunklen Raum Schwarz zeigen soll, aber nur gräulich schimmert.

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Mit einer Neuentwicklung namens Velvet will Lang noch in diesem Jahr ein Beamerkonzept auf den Markt bringen, das einen richtig schwarzen Hintergrund liefert. „Das Gerät projiziert keinen hellen Rahmen mehr ins dunkle Sternenfeld”, erklärt Lang. Das Planetarium Bochum hat im März das weltweit erste Velvet-System geordert. Der Einsatz erfolgt ab 2010. Das Herzstück des Beamers besteht aus zwei Mikrochips, die für jedes zu projizierende Pixel einen um rund 20 Winkelgrad schwenkbaren Mikrospiegel tragen. Je nach Auslenkung des Mikrospiegels erreicht der Lichtstrahl die Kuppel, oder das Pixel bleibt dunkel. Lang will ein Kontrastverhältnis – das Verhältnis von maximalen zu minimalen Helligkeitswerten, also von Weiß zu Schwarz – von 2,5 Millionen zu 1 erzielen. Aktuelle Standardprojektoren bringen es nur auf Werte von 30 000 zu 1. Bei zwei Millionen Pixeln pro Videobeamer müsste sich ein Planetarium mit einer 20-Meter-Kuppel acht solche Geräte zulegen, um den ganzen Raum auszuleuchten. Das ist teuer. Für die Velvet-Installation schätzt Lang allein 1,6 Millionen Euro. Dazu kommen bei einer Nachrüstung mit dem Universarium als derzeit bestem Sternenprojektor weitere drei Millionen Euro.

Nicht jedes Planetarium kann da mithalten. Uwe Lemmer vom Planetarium Stuttgart, dessen Multimedia-Angebot nicht viel mehr als Sternenprojektor plus Dia-Show umfasst, interessiert sich deshalb sehr für die Arbeit von Hanns Ruder. Der emeritierte Professor und Astrophysiker der Universität Tübingen hat sich bei der Visualisierung von physikalischen Phänomenen einen Namen gemacht und die Firma Color-Physics gegründet. Ruder will eine Full-Dome-Projektion mit Standardkomponenten ermöglichen. Wenige Tausend Euro soll der gerade entwickelte Videobeamer einer Reutlinger Firma kosten. Neun bis zwölf dieser Geräte braucht Ruder für eine Kuppel. „Die Computer könnten im Prinzip von Aldi kommen”, sagt Ruder. Insgesamt soll die Installation nur ein Zehntel des Systems von Branchenprimus Zeiss kosten, der bei den Planetariumsprojektoren nach eigenen Angaben 60 Prozent des Weltmarkts beherrscht.

Wie sehr sich die Investition in Technik und Multimedia auszahlt, zeigt das Hamburger Planetarium. Rund 350 000 Besucher sind es hier pro Jahr, die unter zwei Dutzend Shows wählen können. Mit diesem Besucherandrang liegt Hamburg weit vor den anderen 24 größeren Häusern, die im Rat der deutschen Planetarien zusammenarbeiten und jährlich insgesamt 1,5 Millionen Gäste haben. Die Hamburger Astronomieprogramme bestehen stets aus einem vorproduzierten Videoteil und einem Live-Teil. Dabei spricht ein Experte direkt mit dem Publikum, geht auf Wünsche ein oder tritt im Kinderprogramm für alle sichtbar in die Mitte der Veranstaltung.

DIE ERDE IM ZENTRUM

Hier sieht Planetariumsleiter Thomas Kraupe die Zukunft der künstlichen Himmelswelten: präsente Astronomen, die das Programm selbst gestalten, multimediale Formate und Computeranimationen in Echtzeit. „Das Planetarium zeigt das ganze Universum und nicht nur den Sternenhimmel”, sagt Kraupe. Sternbilder sind out, Hubble und Schwarze Löcher sind in. „Wir geben eine räumliche Einordnung astronomischer Phänomene.” Etwa mit einem Zoom aus unserem Sonnensystem heraus bis weit oberhalb der Milchstraße mit Blick auf deren Spiralarme. Oder durch einen dreidimensionalen Flug mit dem Joystick durch unser Planetensystem an den Ort des Geschehens, zum Beispiel im Ringsystem des Saturn oder auf Merkur. Bei ihrem Flug landen Kraupe und sein Team auch häufig in unserer eigenen Welt: Die Hamburger zeigen in ihrer Kuppel Programme zum Darwin-Jahr und zur Klimaforschung. Und erklären Kindern die Natur, indem sie beispielsweise einen Wassertropfen auf seiner Reise aus den Wolken in den Ozean verfolgen. Kraupe : „ Damit wird das Planetarium zur einer wunderbaren Kommunikationsplattform für alle Wissenschaften.” ■

von Martin Schäfer

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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An|ti|blo|ckier|sys|tem  〈n. 11; Abk.: ABS; Kfz〉 Vorrichtung, die das Blockieren der Räder beim Bremsvorgang verhindert u. so das Fahrzeug auch bei maximaler Verzögerung (Vollbremsung) lenkbar macht

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