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Mit Licht in die Luft

Technik|Digitales

Mit Licht in die Luft
Vor zehn Jahren umrundete Bertrand Piccard als Erster im Heißluftballon die Erde. Jetzt plant der Luftfahrtpionier einen neuen Coup: In einem Solarflugzeug will er um den Globus fliegen – um für die Nutzung der Sonnenenergie zu werben.

Im Schweizer Ort Dübendorf, wenige Kilometer nordöstlich von Zürich, lässt man gern die Erde beben. Als 2008 Madonna auf dem riesigen Militärflugplatz der Gemeinde rockte, hüpften rund 70 000 Zuschauer im Takt. Ende Juni soll von Dübendorf nun ein Paukenschlag ausgehen, der noch mehr Menschen aufrüttelt: Mit einigem Getöse und unter den Augen vieler Kameras aus aller Welt soll ein neuartiges Flugzeug namens „HB-SIA“ aus der Halle in die Öffentlichkeit rollen. Mit ihm will eine Gruppe von Entwicklern um den Schweizer Luftfahrtpionier Bertrand Piccard beweisen, dass es möglich ist, ohne einen Tropfen Treibstoff Tag und Nacht zu fliegen. Nichts als Sonnenlicht soll HB-SIA in die Luft heben und oben halten. Und in zwei Jahren, so der Plan, wird der Nachfolger von HB-SIA unter dem griffigeren Namen „Solar Impulse“ in mehreren Etappen um den Globus fliegen. Für diese kühne Vision bebt die Erde in Dübendorf schon heute regelmäßig. „Zurzeit machen wir noch letzte Rütteltests“, erklärt André Borschberg. Der Unternehmer und ehemalige Pilot der Schweizer Luftwaffe wird neben Piccard der zweite Pilot des Superfliegers sein. Er ist gleichzeitig Geschäftsführer des Unternehmens Solar Impulse, das inzwischen über 50 Menschen beschäftigt. Fast täglich ist er vor Ort und würde – das ist dem quirligen grauhaarigen Mann deutlich anzumerken – am liebsten mitbauen, Elektronik integrieren, Solarzellen testen und die Stabilität der Konstruktion überprüfen.

Das darf er aber nicht. Stattdessen musste Borschberg in den letzten Wochen und Monaten vor allem eines tun: vertrösten und verschieben. Der angekündigte Jungfernflug von HB-SIA ließ über ein Jahr auf sich warten. Inzwischen klingen die Erklärungen aber nach mehr als bloßer Zuversicht: Die Einladungen für die Präsentation des Sonnenfliegers sind verschickt. „Ende Juni fällt der Startschuss“, ist Borschberg überzeugt. Verwunderlich sind die bisherigen Verzögerungen nicht. Denn das Projekt ist mit über 100 Millionen Schweizer Franken (70 Millionen Euro) nicht nur teuer. Es geht, wie Borschberg sagt, „an die Grenzen der Physik“. Einen Solarflieger zu bauen, der tagsüber in Batterien so viel Energie speichert, dass er nachts nicht abstürzt, ist mit herkömmlichen Mitteln des Flugzeugbaus unmöglich. Mit der Energie, die dem Solarflieger von Piccard & Co bei voller Sonneneinstrahlung zur Verfügung steht, ließe sich ein Airbus A340 noch nicht einmal in die Parkposition rollen. Aus diesem Grund erfinden die mehr als 50 Ingenieure in Dübendorf viele Dinge der Luftfahrt neu. Der Prototyp wird mit Flugzeugen, wie man sie kennt, nicht viel gemeinsam haben: Mit 61 Meter Spannweite wird HB-SIA den Riesenjet Airbus A340 übertreffen. Gleichzeitig wird das Solarflugzeug nur etwa ein Achtel so viel wiegen wie ein Segelflugzeug vergleichbarer Größe: Nur 1600 Kilogramm sollen sich mitsamt dem Piloten und dem Proviant in die Luft heben.

Alles an HB-SIA ist auf Ultra-Leicht getrimmt: Die tragenden Strukturen des Cockpits und der Flügel sind aus geklebtem Kohlefaser-Verbundwerkstoff, der im Lauf der Entwicklung immer dünner gefertigt wurde. Leichtbaustrukturen von nur wenigen Zehntel Millimeter Dicke sorgen im Flugzeugrumpf für Stabilität. Anstatt auf Masse setzen die Konstrukteure auf bestimmte Holme, Winkel und Knicke, die das Material stabil machen sollen. Das Höhenruder in der Größe eines ausgewachsenen Segelflugzeugs ist so leicht, dass es sich auf einer Hand tragen lässt. „Alles, was nicht zerbricht, ist im Grund zu schwer“, sagt Borschberg und schmunzelt. Selbst die Oberfläche der Flügel hat das Entwicklerteam weitgehend eingespart – die wichtigsten Funktionen der Flügelhaut übernehmen bei dem Prototypen die leicht gekrümmten Solarzellen auf der Flügeloberseite selbst. Auch bei den Flugeigenschaften beschreiten die Entwickler bislang unbekanntes Terrain – zugunsten eines geringen Energieverbrauchs. Anders als alle anderen Ultraleichtflieger, die sich hauptsächlich in Bodennähe aufhalten, wird das Sonnenflugzeug dort fliegen, wo die Luft dünn und der Reibungswiderstand dadurch deutlich geringer ist als in tieferen Luftschichten.

An der Grenze des Erträglichen

Die 8500 Meter maximale Flughöhe sind hart an der Grenze dessen, was für einen Piloten erträglich ist. Denn ein Cockpit mit einem Druckausgleich, wie er in herkömmlichen Flugzeugen üblich ist, wäre für den Prototyp zu schwer. Um die Reibung weiter zu verringern, wird es über den Wolken vergleichsweise langsam vorwärts gehen. Der Solarflieger wird mit nur 45 bis 70 Kilometern pro Stunde unterwegs sein – das ist Schneckentempo in der Fliegerei. Doch jeder Kilometer pro Stunde schneller würde die Batterien unnötig quälen.

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„Am effizientesten wäre es, noch langsamer zu fliegen“, erklärt Borschberg – doch das wäre fatal. Je schneller die Strömung um die Flügel, umso größer ist schließlich die Auftriebskraft, die ein Flugzeug daran hindert, wie ein Stein vom Himmel zu fallen. Schon beim jetzt geplanten Flugtempo wird die Luft nur so langsam um die Flügel von HB-SIA streichen, dass es in manchen Situationen kritisch werden könnte. Im Gegensatz zu großen Flugzeugen darf sich der neue Sonnenflieger deshalb auch nur ganz leicht in die Kurve legen. Schon bei fünf Grad Neigung ist Schluss: Kippt das Flugzeug stärker, rutscht es weg und die Erde kommt rasant näher. Damit das nicht passiert, haben die Ingenieure ein elektronisches Warnsystem entwickelt, das eingreift, sobald Gefahr im Verzug ist. „Wir müssen das Ding so sorgfältig fliegen wie sonst kein anderes Flugzeug“, sagt Borschberg. Und das mehrere Tage lang. Die Weltumrundung soll in Etappen von vier bis fünf Tagen stattfinden.

Achterbahn statt Jumbo-Jet

Doch die geringe Geschwindigkeit ist nicht der einzige Grund, warum es ungemütlich werden dürfte auf dem Sonnentrip. Reichlich wackelig wird es wohl auch. Im Simulator lässt sich heute schon testen, wie das neuartige Flugobjekt in verschiedenen Flugphasen reagieren wird. Einen 25-Stunden-Non-Stop-Flug hat Borschberg dort schon hinter sich gebracht. „Eher eine Achterbahnfahrt als ein behaglicher Trip im Jumbo-Jet“, beschreibt der ehemalige Militärpilot das Gefühl. Die Ursache dafür liegt wiederum im Gewichtssparkurs: Ein großes Passagierflugzeug wackelt kaum, weil es eine große Flächenbelastung aufweist. Auf jedem Quadratmeter Flügelfläche lasten bei einem Jumbo-Jet viele Hundert Kilogramm Eigengewicht des Flugzeugs. Das macht den Koloss in der Luft relativ unempfindlich gegen ungestüme Luftwirbel, Seitenwind und Turbulenzen.

Spielball für Luftwirbel

Im Gegensatz dazu wird der Solarflieger geradezu ein Spielball selbst für kleine Turbulenzgebiete. Knapp acht Kilogramm muss jeder Quadratmeter Flügelfläche nur tragen – da kann schon eine leichte Windböe ordentlich am Flügel rütteln. Noch nie ist ein ausgewachsenes Flugzeug mit einer so geringen Flächenlast in die Luft gegangen. Die größte Herausforderung aber ist die Bewältigung der Nacht. Bemannte Solarflugzeuge, die ausschließlich am Tag unterwegs sind, wenn die Sonne scheint, sind schließlich längst gebaut worden. 1972 befestigte der Amerikaner Robert J. Boucher als Erster Solarzellen an einem ferngesteuerten Flugzeug, um es mit Sonnenkraft in die Lüfte zu heben. Die „Solaris“ schaffte 100 Meter Höhe und 20 Minuten Flugdauer. Sieben Jahre später hob mit der „Gossamer Penguin“ des Amerikaners Paul McCready der erste bemannte Solarflieger ab, allerdings nur vier Meter hoch. In Deutschland tüftelte in jener Zeit der erste Leichtbauspezialist an einem Sonnenflieger – mit Erfolg. Die „Solair 1″ des Ingenieurs Günter Rochelt blieb 1983 über Bayern fünf Stunden und 41 Minuten lang in der Luft: Rekord.

Das aktuell leistungsfähigste Solarflugzeug ist die „Icaré II“ , die Forscher der Fakultät Luft- und Raumfahrttechnik der Universität Stuttgart gebaut haben. Sie hält auch den bisherigen Langstreckenrekord: 350 Kilometer, vom württembergischen Aalen bis ins thüringische Jena. Der Professor für Flugzeugbau an der Universität Stuttgart Rudolf Voit-Nitschmann saß beim Rekordflug des Fliegers seiner Arbeitsgruppe damals selbst am Steuerknüppel. Heute sitzt er in einem grauen Hochhaus auf dem Campus, beschäftigt sich noch immer mit Solarflugzeugen und macht sich um seinen Rekord nicht allzu große Sorgen. Er ist skeptisch, ob sich ein Solarflugzeug über Nacht in der Luft halten lässt. Schon bei Tag sei es schwierig, die nötige Energie aufzubringen, sagt der Fachmann: „Ein bisschen Gegenwind, schon ist die Sache energetisch unmöglich.“ Und in großen Höhen ist Wind die Regel.

Wenn es aber trotzdem gelingen wird, genug Energie für die Nacht zu speichern und den Rekord zu brechen? Dann, antwortet der Professor – und es siegt die Begeisterung für die Technik über den persönlichen Stolz – sei das „nicht bedauernswert, sondern absolut sensationell“. Die Schwachstelle des Schweizer Solarflugzeugs ist die gleiche wie bei Elektroautos: die Akkus. Lediglich 150 Wattstunden Energie pro Kilogramm können die Batterien speichern, die HB-SIA an Bord haben wird. Was in der Akku-Technik derzeit als Non-Plus-Ultra gilt, ist nichts im Vergleich zu Kerosin. Ein Liter des Flugbenzins transportiert mit 11 000 Wattstunden fast das 70-Fache an Energie. Man müsse sich als Pilot immer klar sein, dass man nur mit der Leistung fliege, die auch ein großer beleuchteter Weihnachtsbaum verbrauche, sagt André Borschberg.

Hoffen auf die Morgensonne

Um die Sensation trotzdem möglich zu machen, nimmt das Solarflugzeug aus der Schweiz rund 500 Kilogramm Batterien mit an Bord – fast ein Drittel seines Gewichts. Nach den ersten Hüpfern und Testflügen im Sommer soll der erste Nachtflug 2010 folgen. Am Steuer wird der Schweizer Mediziner und Psychiater Bertrand Piccard sitzen, der vor zehn Jahren als erster Mensch mit dem Heißluftballon die Erde umrundete – und er wird wohl gleich auf mehrere Dinge hoffen müssen: dass kein Gegenwind aufkommt, dass am nächsten Morgen wieder die Sonne scheint und dass, wenn es wieder hell wird, von den 8500 Metern Flughöhe noch ein paar Hundert Meter übrig sind. „Allein mit Batterien können wir nicht die Nacht durchfliegen“, sagt André Borschberg. Ein Großteil der mit Sonnenlicht getankten Energie wird stattdessen tagsüber in Höhenenergie gespeichert, die bei Dunkelheit für das Gleiten sorgt. Der erste Nachtflug wird also nicht nur emotional, sondern ganz physikalisch ein echtes Auf und Ab werden. Doch bei aller Technik und Ingenieurskunst – ist die Entwicklung eines Solarflugzeugs an der Grenze des technisch Möglichen reine technologische Abenteuerlust oder tatsächlich ein wegweisendes Zukunftsprojekt? Die finanzkräftigen Sponsoren von Solar Impulse, darunter der Chemiekonzern Solvay, Uhrenfabrikant Omega und die Deutsche Bank, sind vom Nutzen überzeugt – und von der Werbewirkung, die von einer kühnen Vision ausgeht. Die Europäische Kommission hat 2008 eine Patenschaft für den Solarflieger übernommen und ihn zum offiziellen „Symbol Europas“ gekürt. Der Luftfahrtverband IATA, der die Interessen von 240 internationalen Fluggesellschaften vertritt und sich als kollektives Gewissen der Branche versteht, hat Solar Impulse gar als Kooperationspartner verpflichtet, um bis zum Jahr 2050 sein erklärtes ökologisches Superziel zu erreichen: die komplette Luftfahrt frei von CO2-Emissionen zu machen. Solarenergie sei auf diesem Weg „einer der wichtigen Bausteine, die unser Ziel ermöglichen werden“, freute sich der IATA-Direktor Giovanni Bisignani bei der Bekanntgabe der Kooperation im Frühjahr 2008.

Luftfahrtexperten wie Rudolf Voit-Nitschmann sehen das allerdings sehr skeptisch. „Einen Passagierflieger solar zu betreiben, funktioniert heute nicht – und wird auch 2050 nicht funktionieren“, poltert er. Denn schließlich werde die Energie, die die Sonne pro Quadratmeter zur Erde schickt, nicht zunehmen. Die geplante Erdumrundung mit einer künftigen Möglichkeit der Beförderung von Menschen im großen Stil in Verbindung zu bringen, sei daher Augenwischerei. Das scheinen auch die großen Flugzeugkonzerne so zu sehen. Sie arbeiten in ihren Forschungslabors längst an Projekten, die den Flugverkehr sauberer machen sollen. Doch die Prototypen, an denen geforscht wird, fliegen nicht mit Sonne, sondern mit Sprit aus Biomasse oder mit Wasserstoff. Erst 2008 startete Boeing in Spanien erfolgreiche Testflüge mit einem mehrsitzigen Brennstoffzellen-Flugzeug.

Ersatz für teure Satelliten

Reelle Erfolgschancen hat die Solarenergie wohl eher auf einem Gebiet der Fliegerei, das es bisher noch gar nicht gibt: in hochfliegenden Plattformen, die in mehr als 20 Kilometer Höhe ferngesteuert unterwegs sind. Gelänge es, leichte Fluggeräte dort unabhängig vom Treibstoff zu machen, müssten teure Satelliten nicht mehr in extrem hohe Orbits geflogen werden, wo ihnen die Schwerkraft nichts anhaben kann. An vielen Universitäten weltweit wird an solchen Systemen geforscht, die Tage, Wochen oder Monate lang die Erde umkreisen und zur Erdbeobachtung, als Relaisstationen für die Telekommunikation oder Plattformen zur Wetterbeobachtung dienen könnten. Erst 2008 hat die US-Militärforschungsbehörde Darpa einen millionenschweren Auftrag zur Entwicklung einer Plattform vergeben, die in 20 Kilometer Höhe fünf Jahre lang autonom um die Erde fliegen soll. Antrieb: Sonnenenergie. „Doch bisher gibt es noch nicht einmal einen Demonstrator, der funktioniert“, sagt Voit-Nitschmann.

Und wie sehen die künftigen Rekordpiloten ihr ehrgeiziges Ziel? In wirtschaftlichen Kategorien erstaunlich nüchtern. Natürlich würde man sich freuen, wenn einzelne Entwicklungen für Solar Impulse später den Weg in den Markt finden würden, sagt André Borschberg und wiegelt im gleichen Atemzug ab. Dafür gebe es bisher noch keine Pläne. Viel wichtiger ist den Schweizern die Botschaft, die von Solar Impulse ausgehen soll. Mit dem Erstflug wollen sie vor allem beweisen, dass Energiesparen Spaß machen kann, sagt der Geschäftsführer: „Wenn wir bloß mit Solarenergie um die Welt fliegen können, stößt das vielleicht die Menschen darauf, dass sie Ähnliches leisten können: in ihrem täglichen Verhalten.“ ■

Tobias Beck ist Physiklehrer und Wissenschaftsjournalist in Ingoldingen. Er wartet schon gespannt auf den Rekordflug von Bertrand Piccard.

von Tobias Beck

Mehr zum Thema

Hörfunk

Der Südwestrundfunk (SWR) hat im Rahmen seiner Reihe „SWR2 Wissen“ einen Hörfunkbeitrag über Bertrand Piccard und das SolarImpulse-Projekt produziert. Die Sendung kann man im Internet als MP3-Datei hören: mp3.swr.de/swr2/wissen/sendungen/swr2-wissen-der-sonnenflieger-bertrand- piccards-solarimpulse.12844s.mp3

Internet

Homepage von Solari Impulse mit einer Beschreibung des Projekts: www.solarimpulse.com

Infos zum Solarflugzeug Icaré an der Universität Stuttgart: www.ifb.uni-stuttgart.de/index.php/de/forschung/flugzeugentwurf/icare

Berichte zu bisherigen Solarflugzeugen: www.solarflugzeuge.de

Schwachbrüstige Akkus

Energiedichte verschiedener Treibstoffe und Energiespeicher in Wattstunden pro Kilogramm

Superkondensator 6

Blei-Akkumulator 30

Nickel-Metallhydrid-Akku 100

Lithium-Ionen-Akku 140

Lithium-Polymer-Akku 150

Holz 3500–5500

Braunkohle 7800

Steinkohle 8300

Kerosin 11 000

Benzin 12 000

Wasserstoff 33 000

Bertrand Piccard

Tradition verpflichtet. Schon die Vorfahren von Bertrand Piccard wagten stets Außergewöhnliches: Großvater Auguste war mit einem Stratosphärenballon fast 17 Kilometer hoch in die Erdatmosphäre vorgedrungen und mit einem U-Boot an der tiefsten Stelle des Mittelmeers getaucht. Bertrand Piccards Vater Jacques trat in die Fußstapfen und wurde berühmt, als er im Tauchboot „ Trieste“ mit knapp 11 000 Metern im Marianengraben im westlichen Pazifik den absoluten Tiefenrekord aufstellte. Bertrand Piccard hingegen zieht es in die Lüfte. Er gehört zu den Pionieren im Deltafliegen, dem Segeln mit einem Hängegleiter. Immer wieder war der heute 50-Jährige auch Pilot von Ultraleichtflugzeugen. 1983 überquerte er als erster Mensch in einem solchen Fluggerät die Alpen. Mit einem Ballon, dem „Orbiter“, umkreiste er im Frühjahr 1999 in 20 Tagen die Erde. Auf diesem Flug soll er auch die Idee für die solare Erdumrundung gehabt haben – als von den 3,7 Tonnen Flüssiggas, das als Treibstoff an Bord war, nach der Landung nur noch 40 Kilogramm übrig waren.

Kompakt

· Eine enorme Herausforderung ist vor allem das Speichern der Solarenergie für den Flug bei Nacht.

· Die hier entwickelten Technologien könnten in Plattformen zur Wetter- oder Erdbeobachtung Anwendung finden.

Die Weltumrundung

Wenn 2011 der Nachfolger von HB-SIA zur Weltumrundung abheben wird, dann wird er von den Erkenntnissen der Flugerprobung des jetzigen Prototypen profitieren. „Wir hoffen, dass wir das Konzept nicht mehr ganz umkrempeln müssen“, sagt André Borschberg heute. Läuft alles nach Plan, wird der endgültige Flieger noch höher steigen können – auf 13 000 statt auf 8500 Meter – und rund 400 Kilogramm schwerer sein. Die Ingenieure setzen darauf, dass das durch die Verbesserung der Akku-Technologie bis dahin möglich sein wird.

Für den Flug in großer Höhe wird das Rekordflugzeug auch einen Druckausgleich mit an Bord haben. Der Kompressor dafür ist schon fertig entwickelt, pumpt mit 500 000 Umdrehungen pro Minute Luft ins Cockpit und wiegt – ein Rekord – bei der Größe einer kleinen Garnspule bloß 200 Gramm.

Geflogen wird die Weltumrundung dann in maximal fünftägigen Etappen. Mehr schafft ein Mensch nicht ohne längeren Schlaf. Eine Fernsteuerung vom Boden aus ist nicht vorgesehen. Die genaue Route wird vor allem vom Wetter abhängen. Schließlich brauchen die Solarzellen Sonne, und das geringe Gewicht des Fliegers erfordert es, Wolkenfelder und Turbulenzgebiete weitgehend zu meiden. Geplant ist, über Land in der Nähe von Flughäfen zu bleiben, um im Notfall sicher landen zu können.

Die Energiebilanz

Die durchschnittliche Leistung eines Airbus 340 beträgt während des Fluges etwa 7500 Kilowatt. Das ist so viel wie 100 Mittelklassewagen bringen. Dem Solarflugzeug HB-SIA steht dagegen nur die Energie der Sonne zur Verfügung. Bei wolkenlosem Himmel schickt diese pro Quadratmeter rund 1,4 Kilowatt in Richtung Erde. Im günstigsten Fall können die 200 Quadratmeter großen Solarzellen auf den Flügeln von HB-SIA also maximal 280 Kilowatt anzapfen. Mit dieser Leistung ließe sich immerhin ein kleines Passagierflugzeug wie eine Cessna in die Luft bringen. Rechnet man aber den Wirkungsgrad der Solarzellen, die Wetterbedingungen, die Nacht und die Verluste bei der Speicherung in Akkus mit ein, sieht die Rechnung deutlich schlechter aus: Jeder Quadratmeter Solarzelle kann bei dem Flugzeug im Durchschnitt über den Tag nur 29 Watt an die Motoren liefern. Insgesamt muss dem Flieger damit eine Leistung von 5,8 Kilowatt ausreichen – etwa so viel wie die einer starken Kettensäge.

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