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MUFFIGE NOTE

Erde|Umwelt

MUFFIGE NOTE
Mikrowellen sollen dem Naturkork in Weinflaschen den gefürchteten „Korkgeschmack“ austreiben. Das Verfahren funktioniert – doch die Macher sind mit ihrer Idee zu spät gekommen.

EIN BEFREIUNGSSCHLAG für die Naturkork-Branche hätte es werden sollen. Jens Jäger, Biologe an der damaligen Staatlichen Lehr- und Forschungsanstalt für Weinbau (SLFA) in Neustadt an der Weinstraße, hatte eine zündende Idee: Er wollte mit Mikrowellen dem „Korkgeschmack“ zu Leibe rücken, der so manchem Weinliebhaber den Genuss vermiest – bild der wissenschaft berichtete darüber in Heft 10/1999, „Gekochte Partisanen“. Was in so manchem Wein muffig schmeckt, sind Stoffwechselprodukte, die von Schimmelpilzen im Flaschenkork gebildet werden. Jägers Konzept: Den Schimmelpilzen sollten dieselben elektromagnetischen Wellen den Garaus machen, die in einem Haushalts-Mikrowellengerät das Essen erhitzen. Laborversuche bestätigten: Die Mikrowellenstrahlung bringt die Wassermoleküle der bislang unerreichbaren Pilze im Korkinneren zum Sieden und tötet sie.

In einem EU-geförderten Projekt entwickelte Jäger zusammen mit dem Korkveredler Rudolf Ohlinger im rheinland-pfälzischen Fußgönheim und je einem Korkproduzenten aus Spanien und Portugal den Prototypen für ein taugliches Großgerät. Die Firma Linn High Therm in Eschenfelden baute 1997 die erste Anlage. Schon 2000 sollten mindestens sechs davon bei europäischen Korkproduzenten aufgestellt sein. Doch dieses Ziel war zu hoch gesteckt. Lediglich vier der Kolosse mit jeweils 70 Mikrowellengeneratoren haben seitdem den Betrieb aufgenommen – einer davon steht beim Mitentwickler Ohlinger. Und die weiteren Chancen für die Anlagen sehen nicht gut aus.

„Unsere Erfindung kam vermutlich zu spät“, sagt Jäger. In den letzten Jahren ist der Naturkorken-Markt eingebrochen, und damit auch die Nachfrage nach dem Mikrowellen-Pilzkiller. Nach Hochrechnungen des deutschen Korkverbandes verkauften die Korkproduzenten 2007 – aktuellere Daten liegen nicht vor – in Deutschland nur noch eine halbe Milliarde Korken, ein Drittel weniger als 1998. Bloß etwa die Hälfte der 1,2 Milliarden Weinflaschen, die 2008 in Deutschland abgefüllt wurden, erhielten einen Naturkorken, teilt der Verleiher des „Geisenheimer Prüfsiegels“ mit. Rund 30 Prozent der Weinflaschen wurden mit einem Kunststoffkorken abgedichtet, die restlichen 20 Prozent mit einem Schraubverschluss.

Jäger, der inzwischen als Forschungsleiter bei Ohlinger tätig ist, sieht puren Nachahmungsdrang hinter dem Griff nach alternativen Flaschenverschlüssen: „In Deutschland hat man sich Länder wie Australien und Neuseeland zum Vorbild genommen, die schon seit Längerem auf alternative Flaschenverschlüsse setzen.“ Seit 2008 schreiben sogar einige Handelsketten ihren Lieferanten die Verwendung von alternativen Flaschenverschlüssen vor. Auch bei dem ehemals reinen Korkveredler Ohlinger sind mehr als die Hälfte der Verschlüsse inzwischen aus Aluminium.

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Rainer Jung, Wissenschaftler im Fachgebiet Kellerwirtschaft der Forschungsanstalt Geisenheim, sieht einen weiteren Grund für die ausgebliebene Nachfrage nach der Mikrowellen-Anlage: Es sei kaum möglich, diejenigen Fehlaromen vollständig zu beseitigen, die sich bereits vor der Sterilisation gebildet haben. Um der Korkschmecker-Problematik Herr zu werden, müssten die Hersteller von Anfang an darauf achten, dass sich keine Schimmelpilze in dem Korkmaterial einnisten – beispielsweise durch kürzere Trocknungszeiten. „Aber auch mit alternativen Verschlüssen sind die Probleme des Korkgeschmacks nicht gelöst“, betont Jung. Neue Untersuchungen in seinem Labor belegen: Wenn ein „Alternativer“ sich in einem feuchten Weinkeller oder beim Transport auf einer Holzpalette einen üblen Geruch einfängt, dann muffelt auch dieser Wein. Helmine Braitmaier ■

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